Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.Pariser wissen nicht, wohin eher zu laufen, ob in's Theater sealt^ais Pariser wissen nicht, wohin eher zu laufen, ob in's Theater sealt^ais <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182559"/> <p xml:id="ID_347" prev="#ID_346" next="#ID_348"> Pariser wissen nicht, wohin eher zu laufen, ob in's Theater sealt^ais<lb/> um Dumas' litte <>» ki^ent," ob in die komische Oper, zu Ha-<lb/> levy's Musquetaire, ob in die V-uiÄiis, ob Fraulein D>-jazet als lZen.<lb/> t!I Kt'i'rin'ij, oder ob in's Gymnase, um die beiden genannten Stück¬<lb/> chen zu sehen. Ich will sie Ihnen nicht näher analystren, weil ich<lb/> überzeugt bin, ja weil ich es positiv weiß, daß beide schon von einem<lb/> gründlichen Deutschen für die zweihundert Bühnen seines Vaterlandes<lb/> hier bearbeitet werden. — Gi-nevivve von Scribe, zeigt einen Va¬<lb/> ter, der seine Tochter so sehr liebt, daß er sie aus Eifersucht nicht<lb/> verheirathen will. Die Aufgabe dieser Tochter, die um der Liebe<lb/> ihres Vaters willen doch keine alte Jungfer werden will, ist es nun,<lb/> doch den Mann ihres Herzens zu bekommen, ohne daß der Vater<lb/> erfahre, wie sehr sie ihn liebt. Das ist das ganze Stück; aber mit<lb/> so viel Feinheit, so vielem Geiste durchgeführt, daß man den alten<lb/> Scribe bewundern muß. Für die deutsche Bühne muß manches dar¬<lb/> an verändert werden, weil dem deutschen, verletzlicheren Gemüthe die<lb/> allzu große Eifersucht eines Vaters auf seine Tochter etwas unzart<lb/> vorkäme.-- l.,- >»->,!, <i»i «» «Zol-arg«! bringt das blühendste Maitressen-<lb/> thum und die gäng und gabenen ehelichen Treulosigkeiten auf die<lb/> Bühne, daß man erschrickt, wie solche Furchtbarkeiten mit solchem<lb/> Leichtsinn, mit solcher Fröhlichkeit behandelt werden können. Wun¬<lb/> dern Sie sich, daß ich Ihnen nichts Besseres, als Theaterneuigkeiten<lb/> schreiben kann? — Wundern Sie sich nicht, denn es geht nichts<lb/> Besseres vor. Freilich, wenn die Masse auf die Kammern Rücksicht<lb/> nehmen wollte, so wäre noch manches zu sagen: über Steinkohlen-<lb/> gruben, Bewaffnung der Nationalgarten in den südlichen Städten,<lb/> Anlehen u. tgi. mehr — aber wer, der in Paris lebt, kümmert sich<lb/> jetzt noch um Politik und um die Kammern! Es ist unglaublich,<lb/> welche Apathie, welche Theilnahmlosigkeit gegenwartig in dieser Be¬<lb/> ziehung in ganz Paris herrscht. Es ist gewiß nicht zu viel gesagt,<lb/> wenn ich behaupte, daß die Deputirtenkammer geradezu ignorirt<lb/> wird! Man sieht sie eben für eine Versammlung von Kaufleuten und<lb/> Spekulanten an, oder für ein Magazin theils verkaufter, theils zu<lb/> verkaufender Waaren. Nur die Pairskammer genießt noch ein gewis¬<lb/> ses Ansehen, und es ist ein Zeichen der Zeit, daß das Wort eines<lb/> Pairs durch ganz Frankreich widerhallt, während die langen, schönen<lb/> Reden der gewählten Vertreter des Volkes mit Achselzucken und Mi߬<lb/> trauen aufgenommen werden. — Das Sich—unmöglich—machen<lb/> des Herrn Thiers, es wäre gewiß zu andern Zeiten abgesehen worden<lb/> als eine heroische That, als das Opfer eines Römers; — gegenwar¬<lb/> tig ist sie ein schöner Theatercoup, und seine schöne Geschichtslection,<lb/> die er vor Kurzem gehalten, ist ebenso vergessen, und noch mehr<lb/> als die schönen Reden, die er vor zwölf Jahren hielt. Es ist so weit<lb/> gekommen mit den Franzosen, daß sie sich um Alles, was aus der<lb/> Fremde und aus der Ferne kommt, mehr kümmern, als um den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
Pariser wissen nicht, wohin eher zu laufen, ob in's Theater sealt^ais
um Dumas' litte <>» ki^ent," ob in die komische Oper, zu Ha-
levy's Musquetaire, ob in die V-uiÄiis, ob Fraulein D>-jazet als lZen.
t!I Kt'i'rin'ij, oder ob in's Gymnase, um die beiden genannten Stück¬
chen zu sehen. Ich will sie Ihnen nicht näher analystren, weil ich
überzeugt bin, ja weil ich es positiv weiß, daß beide schon von einem
gründlichen Deutschen für die zweihundert Bühnen seines Vaterlandes
hier bearbeitet werden. — Gi-nevivve von Scribe, zeigt einen Va¬
ter, der seine Tochter so sehr liebt, daß er sie aus Eifersucht nicht
verheirathen will. Die Aufgabe dieser Tochter, die um der Liebe
ihres Vaters willen doch keine alte Jungfer werden will, ist es nun,
doch den Mann ihres Herzens zu bekommen, ohne daß der Vater
erfahre, wie sehr sie ihn liebt. Das ist das ganze Stück; aber mit
so viel Feinheit, so vielem Geiste durchgeführt, daß man den alten
Scribe bewundern muß. Für die deutsche Bühne muß manches dar¬
an verändert werden, weil dem deutschen, verletzlicheren Gemüthe die
allzu große Eifersucht eines Vaters auf seine Tochter etwas unzart
vorkäme.-- l.,- >»->,!, <i»i «» «Zol-arg«! bringt das blühendste Maitressen-
thum und die gäng und gabenen ehelichen Treulosigkeiten auf die
Bühne, daß man erschrickt, wie solche Furchtbarkeiten mit solchem
Leichtsinn, mit solcher Fröhlichkeit behandelt werden können. Wun¬
dern Sie sich, daß ich Ihnen nichts Besseres, als Theaterneuigkeiten
schreiben kann? — Wundern Sie sich nicht, denn es geht nichts
Besseres vor. Freilich, wenn die Masse auf die Kammern Rücksicht
nehmen wollte, so wäre noch manches zu sagen: über Steinkohlen-
gruben, Bewaffnung der Nationalgarten in den südlichen Städten,
Anlehen u. tgi. mehr — aber wer, der in Paris lebt, kümmert sich
jetzt noch um Politik und um die Kammern! Es ist unglaublich,
welche Apathie, welche Theilnahmlosigkeit gegenwartig in dieser Be¬
ziehung in ganz Paris herrscht. Es ist gewiß nicht zu viel gesagt,
wenn ich behaupte, daß die Deputirtenkammer geradezu ignorirt
wird! Man sieht sie eben für eine Versammlung von Kaufleuten und
Spekulanten an, oder für ein Magazin theils verkaufter, theils zu
verkaufender Waaren. Nur die Pairskammer genießt noch ein gewis¬
ses Ansehen, und es ist ein Zeichen der Zeit, daß das Wort eines
Pairs durch ganz Frankreich widerhallt, während die langen, schönen
Reden der gewählten Vertreter des Volkes mit Achselzucken und Mi߬
trauen aufgenommen werden. — Das Sich—unmöglich—machen
des Herrn Thiers, es wäre gewiß zu andern Zeiten abgesehen worden
als eine heroische That, als das Opfer eines Römers; — gegenwar¬
tig ist sie ein schöner Theatercoup, und seine schöne Geschichtslection,
die er vor Kurzem gehalten, ist ebenso vergessen, und noch mehr
als die schönen Reden, die er vor zwölf Jahren hielt. Es ist so weit
gekommen mit den Franzosen, daß sie sich um Alles, was aus der
Fremde und aus der Ferne kommt, mehr kümmern, als um den
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