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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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mehr, als sie mit Grund befürchtete, durch längeres Zaudern nach
und nach zu veralten und als ein abgestorbener, vergessener Zweig
der polnischen Vergangenheit zu verdorren. Allerdings hatte Oester¬
reich auf dem friedlichen Wege große Fortschritte gemacht, - - die
großen Familien fingen an, sich dem Hofe warm anzuschließen; im
Heere zählte man die polnischen Truppen zu den besten und ver¬
läßlichsten, was auch die Folge erwies. Eisenbahnen, Vereine zur
Beförderung wohlthätiger und gemeinnütziger Zwecke waren ge¬
gründet und unterstützt worden, insbesondere aber hat der, früher
jeder Willkür preisgegebene Landmann die Wohlthat eines ge¬
ordneten Gesetzes und das Bewußtsein eines gesicherten Rechtszu¬
standes kennen gelernt. Die Negierung hat eifrig sich bemüht, die
alten Elemente mit den neuen zu versöhnen, und die letzten Reste
polnischer Nationalität zu schützen. Leider wurden alle diese milden
und wohlgemeinten Maßregeln zur Waffe gegen die Regierung
verwendet; die Emigration durfte keine Zeit verlieren, wollte sie
noch in Galizien den Brennstoff finden, der über kurz oder lang
verschwinden mußte, und nach dessen Beseitigung sie nur ein mit
der österreichischen Völkerfamilie nah verschwistertes, durch vielfache
Bande unauflöslich verknüpftes Land gefunden haben würde. Es
wurde also unverzüglich zur Ausführung der neuen projectirten
Bewegung geschritten. Für den Augenblick vereinigten sich alle
feindlichen Fraktionen der Emigration und jede bot ihren Einfluß
zur Erreichung des gemeinsamen Zweckes. Der Oligarch Gold und
Einfluß, der Soldat versprach sein Schwert, der Radikale ließ
die communistischen Hebel spielen, -- ja leider auch der Priester
des Friedens lieh die geheiligte Macht seines Wortes, um zum
Blutvergießen aufzufordern. Die Emissäre durchstreiften die alten
polnischen Provinzen, insbesondere Posen und Galizien, und berei¬
teten den Anschlag vor. Der alte, tüchtige, polnische Säbel war
auf den Feldern von Ostrolenka und vor den Mauern Warschau's
zerbrochen, man lieh also von der italienischen Propaganda den
Dolch und rechnete auf die Sense der Bauern. Aber der polnische
Edelmann wußte mit der ungewohnten Waffe nicht umzugehen;
der Bauer stieß den dargebotenen Bund zurück, und als der
Edelmann, nach altgewohnter Sitte der Heeresfolge, den Säbel
und die Pistole auf den ungehorsamen Lehenspflichtigen zuckte,


mehr, als sie mit Grund befürchtete, durch längeres Zaudern nach
und nach zu veralten und als ein abgestorbener, vergessener Zweig
der polnischen Vergangenheit zu verdorren. Allerdings hatte Oester¬
reich auf dem friedlichen Wege große Fortschritte gemacht, - - die
großen Familien fingen an, sich dem Hofe warm anzuschließen; im
Heere zählte man die polnischen Truppen zu den besten und ver¬
läßlichsten, was auch die Folge erwies. Eisenbahnen, Vereine zur
Beförderung wohlthätiger und gemeinnütziger Zwecke waren ge¬
gründet und unterstützt worden, insbesondere aber hat der, früher
jeder Willkür preisgegebene Landmann die Wohlthat eines ge¬
ordneten Gesetzes und das Bewußtsein eines gesicherten Rechtszu¬
standes kennen gelernt. Die Negierung hat eifrig sich bemüht, die
alten Elemente mit den neuen zu versöhnen, und die letzten Reste
polnischer Nationalität zu schützen. Leider wurden alle diese milden
und wohlgemeinten Maßregeln zur Waffe gegen die Regierung
verwendet; die Emigration durfte keine Zeit verlieren, wollte sie
noch in Galizien den Brennstoff finden, der über kurz oder lang
verschwinden mußte, und nach dessen Beseitigung sie nur ein mit
der österreichischen Völkerfamilie nah verschwistertes, durch vielfache
Bande unauflöslich verknüpftes Land gefunden haben würde. Es
wurde also unverzüglich zur Ausführung der neuen projectirten
Bewegung geschritten. Für den Augenblick vereinigten sich alle
feindlichen Fraktionen der Emigration und jede bot ihren Einfluß
zur Erreichung des gemeinsamen Zweckes. Der Oligarch Gold und
Einfluß, der Soldat versprach sein Schwert, der Radikale ließ
die communistischen Hebel spielen, — ja leider auch der Priester
des Friedens lieh die geheiligte Macht seines Wortes, um zum
Blutvergießen aufzufordern. Die Emissäre durchstreiften die alten
polnischen Provinzen, insbesondere Posen und Galizien, und berei¬
teten den Anschlag vor. Der alte, tüchtige, polnische Säbel war
auf den Feldern von Ostrolenka und vor den Mauern Warschau's
zerbrochen, man lieh also von der italienischen Propaganda den
Dolch und rechnete auf die Sense der Bauern. Aber der polnische
Edelmann wußte mit der ungewohnten Waffe nicht umzugehen;
der Bauer stieß den dargebotenen Bund zurück, und als der
Edelmann, nach altgewohnter Sitte der Heeresfolge, den Säbel
und die Pistole auf den ungehorsamen Lehenspflichtigen zuckte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/113>, abgerufen am 28.06.2024.