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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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den zwei im Landtage bestehenden Parteien verwirklicht werden würde,
nämlich, daß den priv. k. Städten Kuttenberg, Pilsen und Budweis das
alae Recht eingeräumt würde, den Landtag zu beschicken, was man nunmehr
auch auf die königlichen Städte, deren im Lande fünfundvierzig bestehen,
ausgedehnt wissen will. Noch mißlicher steht es mit der großen, die
Lebensader der staatlichen Existenz bildenden Familie des Bauernstandes,
der gar nicht repräsentirt und folglich, vom se. Standpunkte aus, als
nicht eristirend betrachtet wird; allein sein Loos dürfte unter den obwal¬
tenden Umständen keineswegs mehr zu beklagen sein, als der durch eine
Vertretung beglückter Bürger, denn welcher Geltung sich die Bürger¬
repräsentanten im Angesichte der Adeligen erfreuen, beweist genugsam die
von einem der letztern gelegenheitlich einer Landtagsdebatte im Gefühle seiner
erhabenen Ideen vom Menschenwerth hingeworfene Aeußerung: "der
Bürgerstand möge ruhig sein, er verdiene ohnehin keine Beachtung". Freilich
sind die Geschäftslandtage der böhmischen Stände bisher die verwischten
Schattenbilder einer wirklichen Volksvertretung, weil sie einseitig und
durch die Landesverfassung in enge Schranken gewiesen sind, wiewohl
nicht zu verkennen ist, daß in der neuesten Zeit für die Rechte der
Stande mehr Terrain genommen wurde.

Eine der diesjährigen Verhandlungen gestaltete sich namentlich sehr
stürmisch zwischen den, von den Ständen zur Überwachung der Geschäfte
des permanenten ständischen Landesausschusses bestellten Revisoren und der
ihnen gegenüberstehenden, von einer gewissen Seite gewonnenen Majorität.
Die Folge war, daß die erstern abdankten, was zu beklagen sein dürfte,
da sich unter den drei, die ständischen Interessen währenden und generös
vertretenden Revisoren der energische und geschäftskundige G. D. befand,
von deren Wirken als Scrutatoren der ständischen Geschäfte sich heilsame
Folgen erwarten ließen. Ihr Hauptaugenmerk war dahin gerichtet, einen
geregelten -- einerseits durch' weise Sparsamkeit, andererseits aber durch
Großherzigkeit sich auszeichnenden Haushalt zu erzielen. Es war ihre
Absicht, die ständischen Eanzleigeschäfte im Allgemeinen zu reguliren, den
Beamtenstand, vorzüglich bei der, in einer Übereilung hervorgerufenen,
obwohl seit 30 Jahren projectirten ständischen Buchhaltung theilweise zu
vermindern, dagegen aber das wirklich erforderliche Personal besser zu
besoldet und eine strenge Pflichterfüllung zu fordern. Durch dieses Be¬
streben wurde eine Persönlichkeit in nicht geringe Enge getrieben, weil
ersichtlich worden wäre, daß einige Beamte nicht hinreichend beschäftigt
sind und daß die Creirung mehrerer Dienststellen nicht aus ständischen,
sondern aus ganz heterogenen Rücksichten geschah, nämlich um nebstbei


den zwei im Landtage bestehenden Parteien verwirklicht werden würde,
nämlich, daß den priv. k. Städten Kuttenberg, Pilsen und Budweis das
alae Recht eingeräumt würde, den Landtag zu beschicken, was man nunmehr
auch auf die königlichen Städte, deren im Lande fünfundvierzig bestehen,
ausgedehnt wissen will. Noch mißlicher steht es mit der großen, die
Lebensader der staatlichen Existenz bildenden Familie des Bauernstandes,
der gar nicht repräsentirt und folglich, vom se. Standpunkte aus, als
nicht eristirend betrachtet wird; allein sein Loos dürfte unter den obwal¬
tenden Umständen keineswegs mehr zu beklagen sein, als der durch eine
Vertretung beglückter Bürger, denn welcher Geltung sich die Bürger¬
repräsentanten im Angesichte der Adeligen erfreuen, beweist genugsam die
von einem der letztern gelegenheitlich einer Landtagsdebatte im Gefühle seiner
erhabenen Ideen vom Menschenwerth hingeworfene Aeußerung: „der
Bürgerstand möge ruhig sein, er verdiene ohnehin keine Beachtung". Freilich
sind die Geschäftslandtage der böhmischen Stände bisher die verwischten
Schattenbilder einer wirklichen Volksvertretung, weil sie einseitig und
durch die Landesverfassung in enge Schranken gewiesen sind, wiewohl
nicht zu verkennen ist, daß in der neuesten Zeit für die Rechte der
Stande mehr Terrain genommen wurde.

Eine der diesjährigen Verhandlungen gestaltete sich namentlich sehr
stürmisch zwischen den, von den Ständen zur Überwachung der Geschäfte
des permanenten ständischen Landesausschusses bestellten Revisoren und der
ihnen gegenüberstehenden, von einer gewissen Seite gewonnenen Majorität.
Die Folge war, daß die erstern abdankten, was zu beklagen sein dürfte,
da sich unter den drei, die ständischen Interessen währenden und generös
vertretenden Revisoren der energische und geschäftskundige G. D. befand,
von deren Wirken als Scrutatoren der ständischen Geschäfte sich heilsame
Folgen erwarten ließen. Ihr Hauptaugenmerk war dahin gerichtet, einen
geregelten — einerseits durch' weise Sparsamkeit, andererseits aber durch
Großherzigkeit sich auszeichnenden Haushalt zu erzielen. Es war ihre
Absicht, die ständischen Eanzleigeschäfte im Allgemeinen zu reguliren, den
Beamtenstand, vorzüglich bei der, in einer Übereilung hervorgerufenen,
obwohl seit 30 Jahren projectirten ständischen Buchhaltung theilweise zu
vermindern, dagegen aber das wirklich erforderliche Personal besser zu
besoldet und eine strenge Pflichterfüllung zu fordern. Durch dieses Be¬
streben wurde eine Persönlichkeit in nicht geringe Enge getrieben, weil
ersichtlich worden wäre, daß einige Beamte nicht hinreichend beschäftigt
sind und daß die Creirung mehrerer Dienststellen nicht aus ständischen,
sondern aus ganz heterogenen Rücksichten geschah, nämlich um nebstbei


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[0096] den zwei im Landtage bestehenden Parteien verwirklicht werden würde, nämlich, daß den priv. k. Städten Kuttenberg, Pilsen und Budweis das alae Recht eingeräumt würde, den Landtag zu beschicken, was man nunmehr auch auf die königlichen Städte, deren im Lande fünfundvierzig bestehen, ausgedehnt wissen will. Noch mißlicher steht es mit der großen, die Lebensader der staatlichen Existenz bildenden Familie des Bauernstandes, der gar nicht repräsentirt und folglich, vom se. Standpunkte aus, als nicht eristirend betrachtet wird; allein sein Loos dürfte unter den obwal¬ tenden Umständen keineswegs mehr zu beklagen sein, als der durch eine Vertretung beglückter Bürger, denn welcher Geltung sich die Bürger¬ repräsentanten im Angesichte der Adeligen erfreuen, beweist genugsam die von einem der letztern gelegenheitlich einer Landtagsdebatte im Gefühle seiner erhabenen Ideen vom Menschenwerth hingeworfene Aeußerung: „der Bürgerstand möge ruhig sein, er verdiene ohnehin keine Beachtung". Freilich sind die Geschäftslandtage der böhmischen Stände bisher die verwischten Schattenbilder einer wirklichen Volksvertretung, weil sie einseitig und durch die Landesverfassung in enge Schranken gewiesen sind, wiewohl nicht zu verkennen ist, daß in der neuesten Zeit für die Rechte der Stande mehr Terrain genommen wurde. Eine der diesjährigen Verhandlungen gestaltete sich namentlich sehr stürmisch zwischen den, von den Ständen zur Überwachung der Geschäfte des permanenten ständischen Landesausschusses bestellten Revisoren und der ihnen gegenüberstehenden, von einer gewissen Seite gewonnenen Majorität. Die Folge war, daß die erstern abdankten, was zu beklagen sein dürfte, da sich unter den drei, die ständischen Interessen währenden und generös vertretenden Revisoren der energische und geschäftskundige G. D. befand, von deren Wirken als Scrutatoren der ständischen Geschäfte sich heilsame Folgen erwarten ließen. Ihr Hauptaugenmerk war dahin gerichtet, einen geregelten — einerseits durch' weise Sparsamkeit, andererseits aber durch Großherzigkeit sich auszeichnenden Haushalt zu erzielen. Es war ihre Absicht, die ständischen Eanzleigeschäfte im Allgemeinen zu reguliren, den Beamtenstand, vorzüglich bei der, in einer Übereilung hervorgerufenen, obwohl seit 30 Jahren projectirten ständischen Buchhaltung theilweise zu vermindern, dagegen aber das wirklich erforderliche Personal besser zu besoldet und eine strenge Pflichterfüllung zu fordern. Durch dieses Be¬ streben wurde eine Persönlichkeit in nicht geringe Enge getrieben, weil ersichtlich worden wäre, daß einige Beamte nicht hinreichend beschäftigt sind und daß die Creirung mehrerer Dienststellen nicht aus ständischen, sondern aus ganz heterogenen Rücksichten geschah, nämlich um nebstbei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/96>, abgerufen am 24.07.2024.