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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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"liehen Geschlechts, die ehelich geboren seien, Niemand vorhanden wäre,"
was auch spätere Herrscher bestätigten.

UnterMarimilianlI., durch welchen abermals eine n cuc L. O.
v. I. 1564 und der Bergwerksvertrag 1575 (dessen Wirksam¬
keit bis auf unsere Tage laut Fltndamentalgesetz ^. XXl sud X. VII --
xxxx gilt) in'ö Leben trat, und unter Rudolph und Mathias blie¬
ben die Stände im ungestörten Besitze und uneingeschränkter Aus¬
übung der von Ferdinand I. ererbten Rechte, bis unter Ferdinand II.
nach der Schlacht am weißen Berge unserem Vaterlande, das bisher
eine ruhige Rolle im Staatsleben Europa's gespielt, Wunden geschla¬
gen wurden, deren völlige Heilung der Böhme mit frommer Sehnsucht
bis heute erwartet. Nachdem am 9. November 1629 beim Einzuge
Marmilians von Baiern die Kämpfer die Waffen gestreckt, nachdem
zugleich die Stände denselben reumüthig um Fürbitte bei dem Kaiser
gebeten hatten, glaubte man in dem hierauf erfolgten Stillschweigen
die gehoffte Amnestie erlangt zu haben; doch das Blutvergießen sollte
noch nicht geendet sein; im Jahre 162! wurden viele der edelsten und
ältesten böhmischen Adelsfamilien am altstädter Steige öffentlich hin¬
gerichtet, andere heimlich gemordet und deren Güter eingezogen. Zahl¬
reiche Familien verließen, Aehnliches befürchtend, das ihnen so theuere
Vaterland und suchten in entfernten Ländern ihre neue Heimath. An
ihre Stelle strömten nun, durch manche Begünstigungen angelockt,
Abenteurer aus fremden Ländern, die dort nichts zu verlieren, hier
aber viel zu gewinnen hatten, haufenweise nach Böhmen und solche
Leute sollten nun zum Theil den alten, von heil'ger Vaterlandsliebe
beseelten Adel ersetzen, sollten Vertreter eines Landes sein, das ihnen
fremd war, sollten am Fuße des Thrones als Fürsprecher ihrer Mit¬
bürger auftreten, deren Sitten, Sprache und Wünsche sie nicht kann¬
ten. Die Folge dieses allen war gänzlicher Verfall des ehemals so
großen Nationalgefühls der Böhmen, ein schnelles Verschwinden des
Nationalwohlstandes und stufenweiser Untergang der Rechte und Pri¬
vilegien der Stände.

Mit der Miene eines erzürnten Richters unterschrieb Ferdinand
II. die "erneuerte Landesordnung" von 1627 als das künftige
Staatsgrundgesetz. Sie enthält größtentheils das Gesetz über das
Privatrecht des Adels, das gerichtliche Verfahren und die Crinünalgesetze;
49 Absätze unter Lid. gehören der Verfassung und dem öffentlichen Rechte
an. JndieserLandesordnungwurdedergeistlicheStand zu Folge ^ XXIV
als der erste des Reichs eingesetzt, und die königlichen Städte nach


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„liehen Geschlechts, die ehelich geboren seien, Niemand vorhanden wäre,"
was auch spätere Herrscher bestätigten.

UnterMarimilianlI., durch welchen abermals eine n cuc L. O.
v. I. 1564 und der Bergwerksvertrag 1575 (dessen Wirksam¬
keit bis auf unsere Tage laut Fltndamentalgesetz ^. XXl sud X. VII —
xxxx gilt) in'ö Leben trat, und unter Rudolph und Mathias blie¬
ben die Stände im ungestörten Besitze und uneingeschränkter Aus¬
übung der von Ferdinand I. ererbten Rechte, bis unter Ferdinand II.
nach der Schlacht am weißen Berge unserem Vaterlande, das bisher
eine ruhige Rolle im Staatsleben Europa's gespielt, Wunden geschla¬
gen wurden, deren völlige Heilung der Böhme mit frommer Sehnsucht
bis heute erwartet. Nachdem am 9. November 1629 beim Einzuge
Marmilians von Baiern die Kämpfer die Waffen gestreckt, nachdem
zugleich die Stände denselben reumüthig um Fürbitte bei dem Kaiser
gebeten hatten, glaubte man in dem hierauf erfolgten Stillschweigen
die gehoffte Amnestie erlangt zu haben; doch das Blutvergießen sollte
noch nicht geendet sein; im Jahre 162! wurden viele der edelsten und
ältesten böhmischen Adelsfamilien am altstädter Steige öffentlich hin¬
gerichtet, andere heimlich gemordet und deren Güter eingezogen. Zahl¬
reiche Familien verließen, Aehnliches befürchtend, das ihnen so theuere
Vaterland und suchten in entfernten Ländern ihre neue Heimath. An
ihre Stelle strömten nun, durch manche Begünstigungen angelockt,
Abenteurer aus fremden Ländern, die dort nichts zu verlieren, hier
aber viel zu gewinnen hatten, haufenweise nach Böhmen und solche
Leute sollten nun zum Theil den alten, von heil'ger Vaterlandsliebe
beseelten Adel ersetzen, sollten Vertreter eines Landes sein, das ihnen
fremd war, sollten am Fuße des Thrones als Fürsprecher ihrer Mit¬
bürger auftreten, deren Sitten, Sprache und Wünsche sie nicht kann¬
ten. Die Folge dieses allen war gänzlicher Verfall des ehemals so
großen Nationalgefühls der Böhmen, ein schnelles Verschwinden des
Nationalwohlstandes und stufenweiser Untergang der Rechte und Pri¬
vilegien der Stände.

Mit der Miene eines erzürnten Richters unterschrieb Ferdinand
II. die „erneuerte Landesordnung" von 1627 als das künftige
Staatsgrundgesetz. Sie enthält größtentheils das Gesetz über das
Privatrecht des Adels, das gerichtliche Verfahren und die Crinünalgesetze;
49 Absätze unter Lid. gehören der Verfassung und dem öffentlichen Rechte
an. JndieserLandesordnungwurdedergeistlicheStand zu Folge ^ XXIV
als der erste des Reichs eingesetzt, und die königlichen Städte nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/77>, abgerufen am 04.07.2024.