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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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so vieler tausend armen Familien Wohl so wichtigen Beamten in eins
derartige sinanciclle Stellung zu bringen, daß sie nicht, wie es bei Be¬
amten im Civil bei verschiedenen Branchen zur drückenden Nothwendig¬
keit geworden ist, sich auf die ,,Sporteln" verlassen müssen. Zwischen
erlaubten Sporteln und Bestechung ist in der Praxis wenig Unterschied --
man begreift dieses unter dem Sammelnamen: Was das Amt nebenbei
einträgt!

Bezeichnend für den Stand unseres Militärwesens ist es, daß die
österreichische Marine gewissermaßen Noth hinsichtlich der Bemannung
ihrer Schisse hat, und obgleich man in jüngster Zeit, wo wenigstens
etwas für unsere so hoffnungsfähige Marine geschieht, -- so eben sind
drei neue Schiffe in der Ausrüstung begriffen, eine Fregatte und zwei
Kriegsdampfer -- man trotz vieler Versprechungen und eines bedeutend
hohen Soldes, weder Jstrianer noch Dalmatiner in gehöriger Anzahl
zum Dienste bekommt, und diese es lieber vorziehen, auf griechischen
und italienischen Schissen zu dienen, als wie auf österreichischen. (?) Und
doch steht der Sold des Matrosen in der Handelsmarine dem in der
Kriegsmarine nach. Erzherzog Friedrich will aber da einen neuen Weg
einschlagen, so wie in der That endlich doch die Hoffnung da zu sein
scheint, daß Oesterreich seine Stellung zur See dem Oriente gegenüber
großartiger auffaßt... Betrübend aber ist es, wenn man bedenkt, daß
Oesterreich hinsichtlich seiner Handelsmarine Griechenland, und hinsichtlich
seiner Kriegsmarine Aegypten nachsteht, und doch -- wenn die öster¬
reichische Marine einst zu sprechen gezwungen sein wird, wird es in einem
Concerte sein, wo Griechenland und Aegypten keine Primstimmen über¬
nehmen werden.

Der Großfürst Michael mit Familie befuldet sich seit einiger Zeit
hier, und scheint noch längere Zeit Gast in Oesterreich bleiben zu wollen,
indem die russischen Herrschaften vor ein paar Tagen ihre bisherige Woh¬
nung im Hotel aufgegeben und den Palast der Erzherzogin Beatrix be¬
zogen haben. Sie werden von unserem Hofe mit der größten Zuvorkom¬
menheit behandelt, es wurden bereits mehrere Feste in Schönbrunn und
Laxenburg veranstaltet, aber das Publicum nimmt gar kein Interesse an
diesen hohen Fremden, man spricht kaum von ihnen. Desto mehr ist
man auf die Ankunft des Kronprinzen von Schweden gespannt, der,
wie ein Gerücht sagt, nächstens hier eintreffen soll. Worin liegt es,
daß man sich für diesen Prinzen so sehr, für den Großfürsten so gar
nicht interessirt? Sollte es jenes unbewußte demokratische Gefühl sein,
welches in dem schwedischen Prinzen doch mehr den aus seinesgleichen
hervorgegangenen Fürst steht, und darum leichter ein Herz für ihn hat?
Man ist auch gespannt, wie sich unsere hohe Aristokratie ihm gegenüber
benehmen wird, dieselbe Aristokratie, die mit dem Prinzen Wasa so
liirt ist.

Während in dem nahen Grätz die Versammlung deutscher Forst-
und Landwirthe mit einer Rede des Präsidenten, des edlen Erzherzogs
Johann, eröffnet wurde, worin dieser wahrhaft kaiserliche Mann all die
fromme Einfalt und Biederkeit seiner Seele niederlegte, und am Schlüsse


so vieler tausend armen Familien Wohl so wichtigen Beamten in eins
derartige sinanciclle Stellung zu bringen, daß sie nicht, wie es bei Be¬
amten im Civil bei verschiedenen Branchen zur drückenden Nothwendig¬
keit geworden ist, sich auf die ,,Sporteln" verlassen müssen. Zwischen
erlaubten Sporteln und Bestechung ist in der Praxis wenig Unterschied —
man begreift dieses unter dem Sammelnamen: Was das Amt nebenbei
einträgt!

Bezeichnend für den Stand unseres Militärwesens ist es, daß die
österreichische Marine gewissermaßen Noth hinsichtlich der Bemannung
ihrer Schisse hat, und obgleich man in jüngster Zeit, wo wenigstens
etwas für unsere so hoffnungsfähige Marine geschieht, — so eben sind
drei neue Schiffe in der Ausrüstung begriffen, eine Fregatte und zwei
Kriegsdampfer — man trotz vieler Versprechungen und eines bedeutend
hohen Soldes, weder Jstrianer noch Dalmatiner in gehöriger Anzahl
zum Dienste bekommt, und diese es lieber vorziehen, auf griechischen
und italienischen Schissen zu dienen, als wie auf österreichischen. (?) Und
doch steht der Sold des Matrosen in der Handelsmarine dem in der
Kriegsmarine nach. Erzherzog Friedrich will aber da einen neuen Weg
einschlagen, so wie in der That endlich doch die Hoffnung da zu sein
scheint, daß Oesterreich seine Stellung zur See dem Oriente gegenüber
großartiger auffaßt... Betrübend aber ist es, wenn man bedenkt, daß
Oesterreich hinsichtlich seiner Handelsmarine Griechenland, und hinsichtlich
seiner Kriegsmarine Aegypten nachsteht, und doch — wenn die öster¬
reichische Marine einst zu sprechen gezwungen sein wird, wird es in einem
Concerte sein, wo Griechenland und Aegypten keine Primstimmen über¬
nehmen werden.

Der Großfürst Michael mit Familie befuldet sich seit einiger Zeit
hier, und scheint noch längere Zeit Gast in Oesterreich bleiben zu wollen,
indem die russischen Herrschaften vor ein paar Tagen ihre bisherige Woh¬
nung im Hotel aufgegeben und den Palast der Erzherzogin Beatrix be¬
zogen haben. Sie werden von unserem Hofe mit der größten Zuvorkom¬
menheit behandelt, es wurden bereits mehrere Feste in Schönbrunn und
Laxenburg veranstaltet, aber das Publicum nimmt gar kein Interesse an
diesen hohen Fremden, man spricht kaum von ihnen. Desto mehr ist
man auf die Ankunft des Kronprinzen von Schweden gespannt, der,
wie ein Gerücht sagt, nächstens hier eintreffen soll. Worin liegt es,
daß man sich für diesen Prinzen so sehr, für den Großfürsten so gar
nicht interessirt? Sollte es jenes unbewußte demokratische Gefühl sein,
welches in dem schwedischen Prinzen doch mehr den aus seinesgleichen
hervorgegangenen Fürst steht, und darum leichter ein Herz für ihn hat?
Man ist auch gespannt, wie sich unsere hohe Aristokratie ihm gegenüber
benehmen wird, dieselbe Aristokratie, die mit dem Prinzen Wasa so
liirt ist.

Während in dem nahen Grätz die Versammlung deutscher Forst-
und Landwirthe mit einer Rede des Präsidenten, des edlen Erzherzogs
Johann, eröffnet wurde, worin dieser wahrhaft kaiserliche Mann all die
fromme Einfalt und Biederkeit seiner Seele niederlegte, und am Schlüsse


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[0554] so vieler tausend armen Familien Wohl so wichtigen Beamten in eins derartige sinanciclle Stellung zu bringen, daß sie nicht, wie es bei Be¬ amten im Civil bei verschiedenen Branchen zur drückenden Nothwendig¬ keit geworden ist, sich auf die ,,Sporteln" verlassen müssen. Zwischen erlaubten Sporteln und Bestechung ist in der Praxis wenig Unterschied — man begreift dieses unter dem Sammelnamen: Was das Amt nebenbei einträgt! Bezeichnend für den Stand unseres Militärwesens ist es, daß die österreichische Marine gewissermaßen Noth hinsichtlich der Bemannung ihrer Schisse hat, und obgleich man in jüngster Zeit, wo wenigstens etwas für unsere so hoffnungsfähige Marine geschieht, — so eben sind drei neue Schiffe in der Ausrüstung begriffen, eine Fregatte und zwei Kriegsdampfer — man trotz vieler Versprechungen und eines bedeutend hohen Soldes, weder Jstrianer noch Dalmatiner in gehöriger Anzahl zum Dienste bekommt, und diese es lieber vorziehen, auf griechischen und italienischen Schissen zu dienen, als wie auf österreichischen. (?) Und doch steht der Sold des Matrosen in der Handelsmarine dem in der Kriegsmarine nach. Erzherzog Friedrich will aber da einen neuen Weg einschlagen, so wie in der That endlich doch die Hoffnung da zu sein scheint, daß Oesterreich seine Stellung zur See dem Oriente gegenüber großartiger auffaßt... Betrübend aber ist es, wenn man bedenkt, daß Oesterreich hinsichtlich seiner Handelsmarine Griechenland, und hinsichtlich seiner Kriegsmarine Aegypten nachsteht, und doch — wenn die öster¬ reichische Marine einst zu sprechen gezwungen sein wird, wird es in einem Concerte sein, wo Griechenland und Aegypten keine Primstimmen über¬ nehmen werden. Der Großfürst Michael mit Familie befuldet sich seit einiger Zeit hier, und scheint noch längere Zeit Gast in Oesterreich bleiben zu wollen, indem die russischen Herrschaften vor ein paar Tagen ihre bisherige Woh¬ nung im Hotel aufgegeben und den Palast der Erzherzogin Beatrix be¬ zogen haben. Sie werden von unserem Hofe mit der größten Zuvorkom¬ menheit behandelt, es wurden bereits mehrere Feste in Schönbrunn und Laxenburg veranstaltet, aber das Publicum nimmt gar kein Interesse an diesen hohen Fremden, man spricht kaum von ihnen. Desto mehr ist man auf die Ankunft des Kronprinzen von Schweden gespannt, der, wie ein Gerücht sagt, nächstens hier eintreffen soll. Worin liegt es, daß man sich für diesen Prinzen so sehr, für den Großfürsten so gar nicht interessirt? Sollte es jenes unbewußte demokratische Gefühl sein, welches in dem schwedischen Prinzen doch mehr den aus seinesgleichen hervorgegangenen Fürst steht, und darum leichter ein Herz für ihn hat? Man ist auch gespannt, wie sich unsere hohe Aristokratie ihm gegenüber benehmen wird, dieselbe Aristokratie, die mit dem Prinzen Wasa so liirt ist. Während in dem nahen Grätz die Versammlung deutscher Forst- und Landwirthe mit einer Rede des Präsidenten, des edlen Erzherzogs Johann, eröffnet wurde, worin dieser wahrhaft kaiserliche Mann all die fromme Einfalt und Biederkeit seiner Seele niederlegte, und am Schlüsse

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/554>, abgerufen am 24.07.2024.