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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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es eben nicht, welche zu erlauben und zu bestimmen hätten, wie man
so eben mit der auffallend späten und kategorischen Beseitigung der
Herderfeier, dieser so eifrig betriebenen Lieblingsidee des Kanzler Müller
erfahren hätte.

Sollte man nun auch noch mit einer in sich so hoffnungslosen
Sache auf so unsichere Brücke treten und dies innerlich so schwache
Leben einem von außen kommenden Streiche aussetzen, einem Streiche,
welcher das kleine hinzureisende Häuflein an der Schwelle Abweisen
und als kleines dürftiges Häuflein, welches sich deutsche Schriftsteller¬
versammlung nennen möchte, unter lächelnder Sicherheit der Berechti¬
gung abweisen könnte? Sollte man eine der Idee und dem Namen
nach so große und schöne Sache einem so wohlfeilen Streiche aus¬
setzen, welcher nicht einmal Gefahr lief von der wirklichen deutschen
Schriftstellerwelt absonderlich angeklagt und angegriffen zu werden?
Und sollte man dies mit innerlich und äußerlich ungenügenden Waffen
herausfordern an den Thoren von Weimar, welches so lange litera¬
rische Hauptstadt Deutschlands gewesen und an dessen Namen Jeder¬
mann die ehrwürdigsten literarischen Erinnerungen knüpft? Wäre dies
etwa im höheren Sinn des Wortes gewissenhaft und der Würde
deutscher Schriftstellerei angemessen gewesen? Nimmermehr. Die Ma¬
jorität des Comitv's war denn nun auch auf der Stelle einig, was
im höheren Interesse des Ganzen zu thun sei: nämlich lieber frei¬
müthig und offen die Versammlung in Weimar auf's Spiel zu setzen
vor einer als-schwierig angekündigten Behörde, als sie auf Schleich¬
wegen kümmerlich in einen Hafen zu steuern, wo jedenfalls kein Ruhm
oder Gewinn zu holen, wahrscheinlich aber Beschränkung, die Idee
der Versammlung erniedrigende und verderbende Beschränkung , oder
gar Verjagung zu befürchten war. Sie kam also überein, nun frank
und blank anzufragen, ob die Versammlung mit allen ihr nöthigen
Consequenzen stattfinden dürfe. Wurde dies gewährt, so war doch
die offene Ehre, so war doch die in Deutschland noch immerdar be¬
zweifelte freie Oeffentlichkeit für einen Corporationszweck durch einen
maßgebenden Vorgang anerkannt, und jetzt oder später konnte diese
schöne Eroberung ihre Früchte tragen. Denn von einem literarisch
geweihten Lande wie das Weimarsche durfte am Ersten noch erwartet
werden, daß es eine literarische Versammlung in solcher Anfrage nicht
mit den banalen argwöhnischen Blicken messen werde. War diese
Voraussetzung aber ein schwärmerischer Irrthum, nun dann sollte doch
wenigstens die Verneinung rund ausgesprochen werden und dem jetzt-


es eben nicht, welche zu erlauben und zu bestimmen hätten, wie man
so eben mit der auffallend späten und kategorischen Beseitigung der
Herderfeier, dieser so eifrig betriebenen Lieblingsidee des Kanzler Müller
erfahren hätte.

Sollte man nun auch noch mit einer in sich so hoffnungslosen
Sache auf so unsichere Brücke treten und dies innerlich so schwache
Leben einem von außen kommenden Streiche aussetzen, einem Streiche,
welcher das kleine hinzureisende Häuflein an der Schwelle Abweisen
und als kleines dürftiges Häuflein, welches sich deutsche Schriftsteller¬
versammlung nennen möchte, unter lächelnder Sicherheit der Berechti¬
gung abweisen könnte? Sollte man eine der Idee und dem Namen
nach so große und schöne Sache einem so wohlfeilen Streiche aus¬
setzen, welcher nicht einmal Gefahr lief von der wirklichen deutschen
Schriftstellerwelt absonderlich angeklagt und angegriffen zu werden?
Und sollte man dies mit innerlich und äußerlich ungenügenden Waffen
herausfordern an den Thoren von Weimar, welches so lange litera¬
rische Hauptstadt Deutschlands gewesen und an dessen Namen Jeder¬
mann die ehrwürdigsten literarischen Erinnerungen knüpft? Wäre dies
etwa im höheren Sinn des Wortes gewissenhaft und der Würde
deutscher Schriftstellerei angemessen gewesen? Nimmermehr. Die Ma¬
jorität des Comitv's war denn nun auch auf der Stelle einig, was
im höheren Interesse des Ganzen zu thun sei: nämlich lieber frei¬
müthig und offen die Versammlung in Weimar auf's Spiel zu setzen
vor einer als-schwierig angekündigten Behörde, als sie auf Schleich¬
wegen kümmerlich in einen Hafen zu steuern, wo jedenfalls kein Ruhm
oder Gewinn zu holen, wahrscheinlich aber Beschränkung, die Idee
der Versammlung erniedrigende und verderbende Beschränkung , oder
gar Verjagung zu befürchten war. Sie kam also überein, nun frank
und blank anzufragen, ob die Versammlung mit allen ihr nöthigen
Consequenzen stattfinden dürfe. Wurde dies gewährt, so war doch
die offene Ehre, so war doch die in Deutschland noch immerdar be¬
zweifelte freie Oeffentlichkeit für einen Corporationszweck durch einen
maßgebenden Vorgang anerkannt, und jetzt oder später konnte diese
schöne Eroberung ihre Früchte tragen. Denn von einem literarisch
geweihten Lande wie das Weimarsche durfte am Ersten noch erwartet
werden, daß es eine literarische Versammlung in solcher Anfrage nicht
mit den banalen argwöhnischen Blicken messen werde. War diese
Voraussetzung aber ein schwärmerischer Irrthum, nun dann sollte doch
wenigstens die Verneinung rund ausgesprochen werden und dem jetzt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/526>, abgerufen am 24.07.2024.