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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Die Schriftsteller Versammlung.



Es kann nicht ausbleiben, daß die nochmalige Verschiebung der
Schriftstellerversammlung Erzählungen und Anschuldigungen vielfacher
Art zur Folge hat, und daß diese besonders gegen die Majorität des
Comite, welches von der ersten Schriftstellerversammlung zur Vermit¬
telung der zweiten eingesetzt worden, gerichtet werden. Diese Majori¬
tät bilden Biedermann und Laube. Der Leipziger Literatenverein be¬
schuldigt sie, das Nichtzustandekommen in Weimar am letzten Ende
herbeigeführt zu haben, und beschuldigt sie dem äußern Anscheine nach
nicht ganz mit Unrecht. Es lohnt aber der Mühe, den Verlauf dieser
Angelegenheit unter dem Gesichtspunkte aufzuzeichnen, ob diese beiden
Männer nicht den'Anschein solchen Vorwurfes auf sich geladen haben,
um einen viel schwerern wirklichen Vorwurf nicht zu verdienen, näm¬
lich den: ein innerlich hoffnungslos gewordenes Unternehmen, welches
in erzwungener formeller Fortsetzung die deutschen Schriftsteller dem
Spotte ausgesetzt, nicht aber gefördert hätte, für den Augenblick zu
beseitigen. Dies ist wohl die tiefere Erklärung, und die Entwickelung
ist folgende gewesen:

Der erste Versuch einer Schriftstellerversammlung wurde im Früh-
jahre 1845 rasch und ohne große Vorbereitungen in Leipzig selbst ge¬
macht, und gelang dem äußeren Ansehen nach leidlich. Leipzig selbst
bietet eine so große Anzahl von Schriftstellern im weitesten Sinne des
Wortes, daß ein der Zahl nach hinreichendes Contingent aufgestellt
werden konnte. Die Verbindungen mit Leipzig sind durch Eisenbahnen
nach allen Seiten erleichtert, es konnten also die vorzugsweise bereit¬
willigen Auswärtigen ohne großen Aufwand an Zeit und Mitteln sich
einfinden. Dennoch kamen diefer Auswärtigen nur sehr wenige, zwei
oder drei aus Berlin, einer aus Landsberg, zwei aus Dresden, einer


Die Schriftsteller Versammlung.



Es kann nicht ausbleiben, daß die nochmalige Verschiebung der
Schriftstellerversammlung Erzählungen und Anschuldigungen vielfacher
Art zur Folge hat, und daß diese besonders gegen die Majorität des
Comite, welches von der ersten Schriftstellerversammlung zur Vermit¬
telung der zweiten eingesetzt worden, gerichtet werden. Diese Majori¬
tät bilden Biedermann und Laube. Der Leipziger Literatenverein be¬
schuldigt sie, das Nichtzustandekommen in Weimar am letzten Ende
herbeigeführt zu haben, und beschuldigt sie dem äußern Anscheine nach
nicht ganz mit Unrecht. Es lohnt aber der Mühe, den Verlauf dieser
Angelegenheit unter dem Gesichtspunkte aufzuzeichnen, ob diese beiden
Männer nicht den'Anschein solchen Vorwurfes auf sich geladen haben,
um einen viel schwerern wirklichen Vorwurf nicht zu verdienen, näm¬
lich den: ein innerlich hoffnungslos gewordenes Unternehmen, welches
in erzwungener formeller Fortsetzung die deutschen Schriftsteller dem
Spotte ausgesetzt, nicht aber gefördert hätte, für den Augenblick zu
beseitigen. Dies ist wohl die tiefere Erklärung, und die Entwickelung
ist folgende gewesen:

Der erste Versuch einer Schriftstellerversammlung wurde im Früh-
jahre 1845 rasch und ohne große Vorbereitungen in Leipzig selbst ge¬
macht, und gelang dem äußeren Ansehen nach leidlich. Leipzig selbst
bietet eine so große Anzahl von Schriftstellern im weitesten Sinne des
Wortes, daß ein der Zahl nach hinreichendes Contingent aufgestellt
werden konnte. Die Verbindungen mit Leipzig sind durch Eisenbahnen
nach allen Seiten erleichtert, es konnten also die vorzugsweise bereit¬
willigen Auswärtigen ohne großen Aufwand an Zeit und Mitteln sich
einfinden. Dennoch kamen diefer Auswärtigen nur sehr wenige, zwei
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[0520] Die Schriftsteller Versammlung. Es kann nicht ausbleiben, daß die nochmalige Verschiebung der Schriftstellerversammlung Erzählungen und Anschuldigungen vielfacher Art zur Folge hat, und daß diese besonders gegen die Majorität des Comite, welches von der ersten Schriftstellerversammlung zur Vermit¬ telung der zweiten eingesetzt worden, gerichtet werden. Diese Majori¬ tät bilden Biedermann und Laube. Der Leipziger Literatenverein be¬ schuldigt sie, das Nichtzustandekommen in Weimar am letzten Ende herbeigeführt zu haben, und beschuldigt sie dem äußern Anscheine nach nicht ganz mit Unrecht. Es lohnt aber der Mühe, den Verlauf dieser Angelegenheit unter dem Gesichtspunkte aufzuzeichnen, ob diese beiden Männer nicht den'Anschein solchen Vorwurfes auf sich geladen haben, um einen viel schwerern wirklichen Vorwurf nicht zu verdienen, näm¬ lich den: ein innerlich hoffnungslos gewordenes Unternehmen, welches in erzwungener formeller Fortsetzung die deutschen Schriftsteller dem Spotte ausgesetzt, nicht aber gefördert hätte, für den Augenblick zu beseitigen. Dies ist wohl die tiefere Erklärung, und die Entwickelung ist folgende gewesen: Der erste Versuch einer Schriftstellerversammlung wurde im Früh- jahre 1845 rasch und ohne große Vorbereitungen in Leipzig selbst ge¬ macht, und gelang dem äußeren Ansehen nach leidlich. Leipzig selbst bietet eine so große Anzahl von Schriftstellern im weitesten Sinne des Wortes, daß ein der Zahl nach hinreichendes Contingent aufgestellt werden konnte. Die Verbindungen mit Leipzig sind durch Eisenbahnen nach allen Seiten erleichtert, es konnten also die vorzugsweise bereit¬ willigen Auswärtigen ohne großen Aufwand an Zeit und Mitteln sich einfinden. Dennoch kamen diefer Auswärtigen nur sehr wenige, zwei oder drei aus Berlin, einer aus Landsberg, zwei aus Dresden, einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/520>, abgerufen am 04.07.2024.