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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Fürst Metternich ist wieder hier angekommen, die tiefe Stille in
unserem öffentlichen Leben dauert aber noch fort, es scheint als wenn
unsere inneren Angelegenheiten für einen Augenblick denen des Auslandes
nachstehen sollten. Die Wiener interessiren sich vorläufig für die Er¬
richtung einer Leihbank, aber so oft dieser für die Mittelklassen vorzüg¬
lich wichtige Gegenstand bereits angeregt wurde, so viel sich der Bür¬
germeister von Czapka auch dafür Mühe gab, so ist man jetzt doch erst
dahin gelangt, die Errichtung zu beschließen, ungewiß ist es aber noch,
ob diese Leihbank vom Staate datirt wird, oder ob man sie unter
Controlle des Staates an Private überlassen wird; -- interessant ist
der Umstand, daß, während man eine Leihbank in's Leben rufen will,
der Staat selbst nur die baldige Ankunft Rothschilds aus Paris abwar¬
tet, um eine Anleihe von 40 Millionen zu negociren. Bedenkt man,
daß bereits mehrere Jahre ohne eine neue Anleihe vorübergegangen sind,
welche Eisenbahnbauten in dieser Zeit ausgeführt wurden, daß ferner die
Galizischen Unruhen ebenfalls einige Millionen verschlingen, so muß man
in dieser Hinsicht dem Haushalte des Hofkammerprasidenten volle Ge¬
rechtigkeit widerfahren lassen, so sehr man in manchen anderen Dingen
mit dem Verfahren der Hofkammer nicht immer einverstanden sein
kann. Zudem soll auch die neue Anleihe ganz zu Eisenbahnbauten ver¬
wendet werden, und nach Abschluß der Anleihe soll sogleich im nächsten
Frühling die Bahn nach Vaiern in Angriff genommen werden. Be¬
reits ist von Baiern aus ein Ingenieur hier, um mit den hiesigen Be¬
hörden über den Gang und den Anschluß der Bahn zu berathen. --
Gerade vor einigen Tagen wurde wieder eine neue Bahnstrecke von hier
aus eröffnet, die Bahn nach Brück an der Leitha. Es ist dieses die
erste Bahn, welche direcc nach Ungarn führt, denn der Bahnhof in Brück
ist schon auf ungarischen Boden. Zur Erössnungsfahrt waren über
5U0 Gaste geladen, und Baron Sina hatte für das Dejeuner nicht
weniger als L000 si. C. M. bestimmt.

Die Anwesenheit des Großfürsten Michael sammt Familie gibt hier
dem Hofe vielfache Gelegenheit zu Festlichkeiten, man weiß es, daß unser
Hof, so patriarchalisch und bürgerlich er in seinem Kreise lebt, doch seine
Gaste mit wahrhaft kaiserlicher Pracht zu empfangen weiß.

Ueber den letzten Unfall auf der Gloggnitzer Bahn bei Gumpolds-
kirchen hat sich in den hiesigen Journalen eine Polemik entsponnen,
und die meisten waren, ich will nicht untersuchen aus welchen Grün¬
den, auf Seiten der Direktion. Von welcher Art aber die Verwaltung
dieser Bahn ist, mögen Sie aus Folgendem ersehen, Erzherzog Johann
wollte mit seiner Familie eine Strecke weit in Steiermark auf der Ei¬
senbahn reisen, und schickte zur nächsten Station, wo er für sich und
seine Familie ein eigenes Eoupu bestellte, und auch natürlich gleich be¬
zahlte. Zur bestimmten Stunde kommt der Erzherzog zur Station, da
ist aber weder für ein Coup6 gesorgt (?), noch war ein Wagen erster
Klasse da, der Erzherzog mußte also, wollte er nicht zurückreisen, in einen


Fürst Metternich ist wieder hier angekommen, die tiefe Stille in
unserem öffentlichen Leben dauert aber noch fort, es scheint als wenn
unsere inneren Angelegenheiten für einen Augenblick denen des Auslandes
nachstehen sollten. Die Wiener interessiren sich vorläufig für die Er¬
richtung einer Leihbank, aber so oft dieser für die Mittelklassen vorzüg¬
lich wichtige Gegenstand bereits angeregt wurde, so viel sich der Bür¬
germeister von Czapka auch dafür Mühe gab, so ist man jetzt doch erst
dahin gelangt, die Errichtung zu beschließen, ungewiß ist es aber noch,
ob diese Leihbank vom Staate datirt wird, oder ob man sie unter
Controlle des Staates an Private überlassen wird; — interessant ist
der Umstand, daß, während man eine Leihbank in's Leben rufen will,
der Staat selbst nur die baldige Ankunft Rothschilds aus Paris abwar¬
tet, um eine Anleihe von 40 Millionen zu negociren. Bedenkt man,
daß bereits mehrere Jahre ohne eine neue Anleihe vorübergegangen sind,
welche Eisenbahnbauten in dieser Zeit ausgeführt wurden, daß ferner die
Galizischen Unruhen ebenfalls einige Millionen verschlingen, so muß man
in dieser Hinsicht dem Haushalte des Hofkammerprasidenten volle Ge¬
rechtigkeit widerfahren lassen, so sehr man in manchen anderen Dingen
mit dem Verfahren der Hofkammer nicht immer einverstanden sein
kann. Zudem soll auch die neue Anleihe ganz zu Eisenbahnbauten ver¬
wendet werden, und nach Abschluß der Anleihe soll sogleich im nächsten
Frühling die Bahn nach Vaiern in Angriff genommen werden. Be¬
reits ist von Baiern aus ein Ingenieur hier, um mit den hiesigen Be¬
hörden über den Gang und den Anschluß der Bahn zu berathen. —
Gerade vor einigen Tagen wurde wieder eine neue Bahnstrecke von hier
aus eröffnet, die Bahn nach Brück an der Leitha. Es ist dieses die
erste Bahn, welche direcc nach Ungarn führt, denn der Bahnhof in Brück
ist schon auf ungarischen Boden. Zur Erössnungsfahrt waren über
5U0 Gaste geladen, und Baron Sina hatte für das Dejeuner nicht
weniger als L000 si. C. M. bestimmt.

Die Anwesenheit des Großfürsten Michael sammt Familie gibt hier
dem Hofe vielfache Gelegenheit zu Festlichkeiten, man weiß es, daß unser
Hof, so patriarchalisch und bürgerlich er in seinem Kreise lebt, doch seine
Gaste mit wahrhaft kaiserlicher Pracht zu empfangen weiß.

Ueber den letzten Unfall auf der Gloggnitzer Bahn bei Gumpolds-
kirchen hat sich in den hiesigen Journalen eine Polemik entsponnen,
und die meisten waren, ich will nicht untersuchen aus welchen Grün¬
den, auf Seiten der Direktion. Von welcher Art aber die Verwaltung
dieser Bahn ist, mögen Sie aus Folgendem ersehen, Erzherzog Johann
wollte mit seiner Familie eine Strecke weit in Steiermark auf der Ei¬
senbahn reisen, und schickte zur nächsten Station, wo er für sich und
seine Familie ein eigenes Eoupu bestellte, und auch natürlich gleich be¬
zahlte. Zur bestimmten Stunde kommt der Erzherzog zur Station, da
ist aber weder für ein Coup6 gesorgt (?), noch war ein Wagen erster
Klasse da, der Erzherzog mußte also, wollte er nicht zurückreisen, in einen


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[0509] Fürst Metternich ist wieder hier angekommen, die tiefe Stille in unserem öffentlichen Leben dauert aber noch fort, es scheint als wenn unsere inneren Angelegenheiten für einen Augenblick denen des Auslandes nachstehen sollten. Die Wiener interessiren sich vorläufig für die Er¬ richtung einer Leihbank, aber so oft dieser für die Mittelklassen vorzüg¬ lich wichtige Gegenstand bereits angeregt wurde, so viel sich der Bür¬ germeister von Czapka auch dafür Mühe gab, so ist man jetzt doch erst dahin gelangt, die Errichtung zu beschließen, ungewiß ist es aber noch, ob diese Leihbank vom Staate datirt wird, oder ob man sie unter Controlle des Staates an Private überlassen wird; — interessant ist der Umstand, daß, während man eine Leihbank in's Leben rufen will, der Staat selbst nur die baldige Ankunft Rothschilds aus Paris abwar¬ tet, um eine Anleihe von 40 Millionen zu negociren. Bedenkt man, daß bereits mehrere Jahre ohne eine neue Anleihe vorübergegangen sind, welche Eisenbahnbauten in dieser Zeit ausgeführt wurden, daß ferner die Galizischen Unruhen ebenfalls einige Millionen verschlingen, so muß man in dieser Hinsicht dem Haushalte des Hofkammerprasidenten volle Ge¬ rechtigkeit widerfahren lassen, so sehr man in manchen anderen Dingen mit dem Verfahren der Hofkammer nicht immer einverstanden sein kann. Zudem soll auch die neue Anleihe ganz zu Eisenbahnbauten ver¬ wendet werden, und nach Abschluß der Anleihe soll sogleich im nächsten Frühling die Bahn nach Vaiern in Angriff genommen werden. Be¬ reits ist von Baiern aus ein Ingenieur hier, um mit den hiesigen Be¬ hörden über den Gang und den Anschluß der Bahn zu berathen. — Gerade vor einigen Tagen wurde wieder eine neue Bahnstrecke von hier aus eröffnet, die Bahn nach Brück an der Leitha. Es ist dieses die erste Bahn, welche direcc nach Ungarn führt, denn der Bahnhof in Brück ist schon auf ungarischen Boden. Zur Erössnungsfahrt waren über 5U0 Gaste geladen, und Baron Sina hatte für das Dejeuner nicht weniger als L000 si. C. M. bestimmt. Die Anwesenheit des Großfürsten Michael sammt Familie gibt hier dem Hofe vielfache Gelegenheit zu Festlichkeiten, man weiß es, daß unser Hof, so patriarchalisch und bürgerlich er in seinem Kreise lebt, doch seine Gaste mit wahrhaft kaiserlicher Pracht zu empfangen weiß. Ueber den letzten Unfall auf der Gloggnitzer Bahn bei Gumpolds- kirchen hat sich in den hiesigen Journalen eine Polemik entsponnen, und die meisten waren, ich will nicht untersuchen aus welchen Grün¬ den, auf Seiten der Direktion. Von welcher Art aber die Verwaltung dieser Bahn ist, mögen Sie aus Folgendem ersehen, Erzherzog Johann wollte mit seiner Familie eine Strecke weit in Steiermark auf der Ei¬ senbahn reisen, und schickte zur nächsten Station, wo er für sich und seine Familie ein eigenes Eoupu bestellte, und auch natürlich gleich be¬ zahlte. Zur bestimmten Stunde kommt der Erzherzog zur Station, da ist aber weder für ein Coup6 gesorgt (?), noch war ein Wagen erster Klasse da, der Erzherzog mußte also, wollte er nicht zurückreisen, in einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/509>, abgerufen am 25.07.2024.