Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

prüft er die Spitze des Pfeils, indem er sie gegen das Licht hält.
Der Kopf ist gehoben, im vollen Lichte. Das linke Bein liegt hart
auf dem Felsstücke an, das linke ruht frei, sich leicht auf den Boden
stützend. Ein Tigerfell ist untergebreitet, und ein braunrothes Gewand
liegt lose über den linken Oberschenkel hin, die Landschaft ist warm,
dunkel, in tiefen Abendschaiten gehüllt. Dieses Bild dünkt uns in
allen seinen Einzelheiten vortrefflich! Es ist ein schönes Gedicht, durch
und durch von künstlerischem Feuer und Lieblichkeit zeugend, im edel¬
sten Sinne der Antike angeeignet. Es ist erfreulich, daß ein solches
Bild überhaupt in unserer Zeit gemalt hat werden können, eS zeugt
von dem Dasein einer einsamen, dem Cultus des Schönen sich in
Demuth und Selbstverleugnung hingebenden Künstlerseele, denn das
Bild grbt keinen Gegenstand her, der auf dem Markte Glück machen
könnte; im Gegentheil der Sinn für die Antike ist noch bei unsern
Künstlern und dem Publicum ein fremder Gast, noch immer sitzt das
widerwärtige Mittelalter und das läppische Genre der italienischen
Banditenscenen und Mädchen am Brunnen recht breit auf den Bänken
unsrer heutige l Kunstausstellungen.




67"

prüft er die Spitze des Pfeils, indem er sie gegen das Licht hält.
Der Kopf ist gehoben, im vollen Lichte. Das linke Bein liegt hart
auf dem Felsstücke an, das linke ruht frei, sich leicht auf den Boden
stützend. Ein Tigerfell ist untergebreitet, und ein braunrothes Gewand
liegt lose über den linken Oberschenkel hin, die Landschaft ist warm,
dunkel, in tiefen Abendschaiten gehüllt. Dieses Bild dünkt uns in
allen seinen Einzelheiten vortrefflich! Es ist ein schönes Gedicht, durch
und durch von künstlerischem Feuer und Lieblichkeit zeugend, im edel¬
sten Sinne der Antike angeeignet. Es ist erfreulich, daß ein solches
Bild überhaupt in unserer Zeit gemalt hat werden können, eS zeugt
von dem Dasein einer einsamen, dem Cultus des Schönen sich in
Demuth und Selbstverleugnung hingebenden Künstlerseele, denn das
Bild grbt keinen Gegenstand her, der auf dem Markte Glück machen
könnte; im Gegentheil der Sinn für die Antike ist noch bei unsern
Künstlern und dem Publicum ein fremder Gast, noch immer sitzt das
widerwärtige Mittelalter und das läppische Genre der italienischen
Banditenscenen und Mädchen am Brunnen recht breit auf den Bänken
unsrer heutige l Kunstausstellungen.




67»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183528"/>
          <p xml:id="ID_1506" prev="#ID_1505"> prüft er die Spitze des Pfeils, indem er sie gegen das Licht hält.<lb/>
Der Kopf ist gehoben, im vollen Lichte. Das linke Bein liegt hart<lb/>
auf dem Felsstücke an, das linke ruht frei, sich leicht auf den Boden<lb/>
stützend. Ein Tigerfell ist untergebreitet, und ein braunrothes Gewand<lb/>
liegt lose über den linken Oberschenkel hin, die Landschaft ist warm,<lb/>
dunkel, in tiefen Abendschaiten gehüllt. Dieses Bild dünkt uns in<lb/>
allen seinen Einzelheiten vortrefflich! Es ist ein schönes Gedicht, durch<lb/>
und durch von künstlerischem Feuer und Lieblichkeit zeugend, im edel¬<lb/>
sten Sinne der Antike angeeignet. Es ist erfreulich, daß ein solches<lb/>
Bild überhaupt in unserer Zeit gemalt hat werden können, eS zeugt<lb/>
von dem Dasein einer einsamen, dem Cultus des Schönen sich in<lb/>
Demuth und Selbstverleugnung hingebenden Künstlerseele, denn das<lb/>
Bild grbt keinen Gegenstand her, der auf dem Markte Glück machen<lb/>
könnte; im Gegentheil der Sinn für die Antike ist noch bei unsern<lb/>
Künstlern und dem Publicum ein fremder Gast, noch immer sitzt das<lb/>
widerwärtige Mittelalter und das läppische Genre der italienischen<lb/>
Banditenscenen und Mädchen am Brunnen recht breit auf den Bänken<lb/>
unsrer heutige l Kunstausstellungen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 67»</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0507] prüft er die Spitze des Pfeils, indem er sie gegen das Licht hält. Der Kopf ist gehoben, im vollen Lichte. Das linke Bein liegt hart auf dem Felsstücke an, das linke ruht frei, sich leicht auf den Boden stützend. Ein Tigerfell ist untergebreitet, und ein braunrothes Gewand liegt lose über den linken Oberschenkel hin, die Landschaft ist warm, dunkel, in tiefen Abendschaiten gehüllt. Dieses Bild dünkt uns in allen seinen Einzelheiten vortrefflich! Es ist ein schönes Gedicht, durch und durch von künstlerischem Feuer und Lieblichkeit zeugend, im edel¬ sten Sinne der Antike angeeignet. Es ist erfreulich, daß ein solches Bild überhaupt in unserer Zeit gemalt hat werden können, eS zeugt von dem Dasein einer einsamen, dem Cultus des Schönen sich in Demuth und Selbstverleugnung hingebenden Künstlerseele, denn das Bild grbt keinen Gegenstand her, der auf dem Markte Glück machen könnte; im Gegentheil der Sinn für die Antike ist noch bei unsern Künstlern und dem Publicum ein fremder Gast, noch immer sitzt das widerwärtige Mittelalter und das läppische Genre der italienischen Banditenscenen und Mädchen am Brunnen recht breit auf den Bänken unsrer heutige l Kunstausstellungen. 67»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/507
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/507>, abgerufen am 24.07.2024.