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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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wähnt lassen, daß in allen verwickelteren Streitfällen die Kammerpro-
curatur und bei dieser nur der Unterthansadvocat um das Gutachten
angegangen wird, welcher nicht weniger als das Kreisamt zur Vertretung
der Unterthanen berufen, welcher unablässig mit der Geltendmachung
zweifelhafter Rechte und Ansprüche der Unterthanen beschäftigt, und daher
aus sehr erklärlichen, ja löblichen Gründen am allerwenigsten geeignet ist,
den rechtlichen Standpunkt des Streitgegenstandes zu erfassen.

In dem Maße aber, als die Dominicalrechte und Bezüge unter
diesen Verhältnissen den empfindlichsten Schmälerungen Preis gegeben
sind, vermehren sich, wie zu 3, bemerkt werden muß, die Anforderungen
der Behörden an die Dominien in Bezug auf die öffentliche Verwaltung
ohne Beachtung einer hierzu vorhandenen Verpflichtung oder Leistungskraft.

Es sind vorzüglich die polizeilichen Anforderungen, durch deren Trost¬
losigkeit die Dominien sich gedrückt fühlen. Der 1 rirctiM>8 6v iuridus
mein-poi-lüihlls legt in Tit. 3, 8. 4 , den Dorfobrigkeiten nur die Ob¬
liegenheit auf: "die Handhabung der Ortspolizei zu beobachten und in
gutem Wesen zu erhalten." Demgemäß war als Grundsatz angenom¬
men, daß die Dominien die Verwaltung der Polizei zu überwachen, die
Uebertreter zu untersuchen, aufzubewahren, abzuurtheilen, kurz vorzüglich
dasjenige zu leisten haben, wozu geistige Kräfte und Ansehen erforderlich
sind, wogegen die Anwendung physischer Kräfte zu polizeilichen Zwecken
stets vorzüglich nur den Gemeinden oblag. Gegenwärtig wollen Ew.
Majestät Behörden die Gemeinden von der Mitwirkung hierzu befreit
wissen, und fordern die Besorgung aller polizeilichen Obliegenheiten selbst
über den Bereich der Local-Polizei hinaus, auf alleinige Kosten der be¬
treffenden Dominien. Sie haben ihnen die früher nicht bestandenen
sogenannten Sicherheits - Eommissariate, die unentgeldliche Besorgung der
Vorspanns- und Einquartierungsangelegenheiten, für welche früher eigene k. k.
Commissäre aufgestellt waren, dann die an der Grenze früher von k. k. Be¬
amten besorgten Post-Vidirungen und Jnstradirungen nebst allen damit
verbundenen Untersuchungen und Schreibereien, ja selbst die unentgeld¬
liche Jurisdictionspslicht über ganze Staatsanstalten z. B. über die Fi¬
nanzwache und über Staatsfabriken übertragen. Sie haben den Grund¬
satz aufgestellt, daß, wenn von einem aufgegriffenen Individuo die Heimath
nicht zu ermitteln ist, die ausgreifende Herrschaft dasselbe für Lebens¬
dauer zu versorgen und unter Polizei-Aussicht zu stellen habe, und sie
haben in Beziehung auf Landesstcherheit und Straßenpolizei Leistungen
strengstens und pönfällig angefordert, die bei dem größten Aufwands
unerreichbar sind. Diese Vorgänge können weder wohlwollend noch zweck¬
mäßig erscheinen, da es doch gewiß ist, daß die höhere Polizei, deren
Besorgung dem Staate obliegt, um so leichter und wirksamer besorgt
werden kann, je besser die Local-Polizei überall bestellt ist, und daß daher
die gute Leitung der letzteren in allen Wegen erleichtert, nicht aber durch
ungebührliche Auslastung nutzloser Kosten und durch Entziehung der
nöthigen Organe erschwert werden soll.


wähnt lassen, daß in allen verwickelteren Streitfällen die Kammerpro-
curatur und bei dieser nur der Unterthansadvocat um das Gutachten
angegangen wird, welcher nicht weniger als das Kreisamt zur Vertretung
der Unterthanen berufen, welcher unablässig mit der Geltendmachung
zweifelhafter Rechte und Ansprüche der Unterthanen beschäftigt, und daher
aus sehr erklärlichen, ja löblichen Gründen am allerwenigsten geeignet ist,
den rechtlichen Standpunkt des Streitgegenstandes zu erfassen.

In dem Maße aber, als die Dominicalrechte und Bezüge unter
diesen Verhältnissen den empfindlichsten Schmälerungen Preis gegeben
sind, vermehren sich, wie zu 3, bemerkt werden muß, die Anforderungen
der Behörden an die Dominien in Bezug auf die öffentliche Verwaltung
ohne Beachtung einer hierzu vorhandenen Verpflichtung oder Leistungskraft.

Es sind vorzüglich die polizeilichen Anforderungen, durch deren Trost¬
losigkeit die Dominien sich gedrückt fühlen. Der 1 rirctiM>8 6v iuridus
mein-poi-lüihlls legt in Tit. 3, 8. 4 , den Dorfobrigkeiten nur die Ob¬
liegenheit auf: „die Handhabung der Ortspolizei zu beobachten und in
gutem Wesen zu erhalten." Demgemäß war als Grundsatz angenom¬
men, daß die Dominien die Verwaltung der Polizei zu überwachen, die
Uebertreter zu untersuchen, aufzubewahren, abzuurtheilen, kurz vorzüglich
dasjenige zu leisten haben, wozu geistige Kräfte und Ansehen erforderlich
sind, wogegen die Anwendung physischer Kräfte zu polizeilichen Zwecken
stets vorzüglich nur den Gemeinden oblag. Gegenwärtig wollen Ew.
Majestät Behörden die Gemeinden von der Mitwirkung hierzu befreit
wissen, und fordern die Besorgung aller polizeilichen Obliegenheiten selbst
über den Bereich der Local-Polizei hinaus, auf alleinige Kosten der be¬
treffenden Dominien. Sie haben ihnen die früher nicht bestandenen
sogenannten Sicherheits - Eommissariate, die unentgeldliche Besorgung der
Vorspanns- und Einquartierungsangelegenheiten, für welche früher eigene k. k.
Commissäre aufgestellt waren, dann die an der Grenze früher von k. k. Be¬
amten besorgten Post-Vidirungen und Jnstradirungen nebst allen damit
verbundenen Untersuchungen und Schreibereien, ja selbst die unentgeld¬
liche Jurisdictionspslicht über ganze Staatsanstalten z. B. über die Fi¬
nanzwache und über Staatsfabriken übertragen. Sie haben den Grund¬
satz aufgestellt, daß, wenn von einem aufgegriffenen Individuo die Heimath
nicht zu ermitteln ist, die ausgreifende Herrschaft dasselbe für Lebens¬
dauer zu versorgen und unter Polizei-Aussicht zu stellen habe, und sie
haben in Beziehung auf Landesstcherheit und Straßenpolizei Leistungen
strengstens und pönfällig angefordert, die bei dem größten Aufwands
unerreichbar sind. Diese Vorgänge können weder wohlwollend noch zweck¬
mäßig erscheinen, da es doch gewiß ist, daß die höhere Polizei, deren
Besorgung dem Staate obliegt, um so leichter und wirksamer besorgt
werden kann, je besser die Local-Polizei überall bestellt ist, und daß daher
die gute Leitung der letzteren in allen Wegen erleichtert, nicht aber durch
ungebührliche Auslastung nutzloser Kosten und durch Entziehung der
nöthigen Organe erschwert werden soll.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/500>, abgerufen am 24.07.2024.