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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Particular-Entscheidungen zum Vorschein kommen, welche mit den ge¬
wohnten Grundsätzen in geradem Widerspruche stehen, um. in einiger
Zeit wieder solchen Entscheidungen im entgegengesetzten Sinne zu weichen.

Diese Particularentscheidungen werden, ungeachtet des in dem all¬
gemeinen bürgerlichen Gesetzbuche §. 12. aufgestellten Rechtsgrundsatzes
und ohne Rücksicht, wie wichtig die Eonsequenz der Grundsätze, die
Gleichartigkeit der Behandlung und die entschiedene gerade Richtung der
Behörden, "vorzugsweise in Unterthanensachen ist, als Normen betrachtet,
was zur Folge haben wird, daß Ew. Majestät Unterthanen in einem
wichtigen Zweige der Verwaltung nicht mehr nach Gesetzen, sondern
lediglich nach Particularentscheidungen werden regieret werden. Was die
in 2, aufgestellte Behauptung betrifft, daß die Dominicalrechte immer
schwankender werden, -- so liegt zwar schon in dem oben geschilderten
verworrenen Austande der Gesetzgebung ein hinreichender Grund der Zu¬
fälligkeit und Unsicherheit des Rechtes -- er muß aber noch greller her¬
vortreten, wenn das Verhältniß in Betrachtung gezogen wird, welches
zwischen den Dominien und den ihnen vorgesetzten entscheidenden Be¬
hörden gegenwärtig besteht.

Es ist vor Allem das Kreisamt, mit welchem das Dominium in
unmittelbarer fortwährender Berührung sich befindet.

,,Der hohe und schöne Beruf, Schutzwehre wider die Anmaßungen
der Obrigkeiten gegen die Unterthanen zu sein, wurde vorzüglich und
zunächst den Kreisämtern zu Theil;" so drückt sich das von der nieder-
österreichischen Landesstelle durch kreisämtliche Kundmachung allgemein
anempfohlene Handbuch der in Oesterreich unter der Ens für das Unter¬
thansfach bestehenden Gesetze aus.

Das Kreisamt ist allerdings nach den Patenten und Instruktionen
vom I. September 1781, vom 2l. Januar 1783 und 29. Januar 1800
als Schutzbehörde der Unterthanen gegen die Herrschaft -- es ist zugleich
aber auch als erste richterliche Instanz in allen Unterthansachen erklärt
und in einer wie in anderer Eigenschaft an das inquisitorische Verfahren
und die Aufstellung von Provisorien gewiesen.

Die Bestimmung des Kreisamtes als Schutzbehörde beschränkt sich
ferner nicht darauf, daß dasselbe alle Amtshandlungen der Obrigkeiten
strenge zu überwachen und sogleich von Amtswegen einzuschreiten habe,
wenn es von einem gefetz- oder ordnungswidrigen Verfahren Kunde er¬
hält, sondern sie erstreckt sich bis zur förmlichen Curatel in einer Aus¬
dehnung, daß die Unterthanen mit ihren Herrschaften ohne kreisämtliche
Zustimmung weder Ablöfungs-, noch Reluitions-, noch selbst Pachtver¬
trage abschließen können.

So wohlmeinend diese Einrichtung ist und so sehr auch Ew. Ma¬
jestät treugehorsamste Stände den Beruf des Kreisamrcs ehren, über
die pünktliche Befolgung der Gesetze von Seite der Dominien zu wachen,
unbillige oder ungerechte Forderungen hintanzusetzen, und überhaupt die
Rechte und Ansprüche der Bauern zu vertreten, so kann doch die Frage
nicht länger unerwogen bleiben, ob dieser mit Eifer und Liebe durchge-


Particular-Entscheidungen zum Vorschein kommen, welche mit den ge¬
wohnten Grundsätzen in geradem Widerspruche stehen, um. in einiger
Zeit wieder solchen Entscheidungen im entgegengesetzten Sinne zu weichen.

Diese Particularentscheidungen werden, ungeachtet des in dem all¬
gemeinen bürgerlichen Gesetzbuche §. 12. aufgestellten Rechtsgrundsatzes
und ohne Rücksicht, wie wichtig die Eonsequenz der Grundsätze, die
Gleichartigkeit der Behandlung und die entschiedene gerade Richtung der
Behörden, »vorzugsweise in Unterthanensachen ist, als Normen betrachtet,
was zur Folge haben wird, daß Ew. Majestät Unterthanen in einem
wichtigen Zweige der Verwaltung nicht mehr nach Gesetzen, sondern
lediglich nach Particularentscheidungen werden regieret werden. Was die
in 2, aufgestellte Behauptung betrifft, daß die Dominicalrechte immer
schwankender werden, — so liegt zwar schon in dem oben geschilderten
verworrenen Austande der Gesetzgebung ein hinreichender Grund der Zu¬
fälligkeit und Unsicherheit des Rechtes — er muß aber noch greller her¬
vortreten, wenn das Verhältniß in Betrachtung gezogen wird, welches
zwischen den Dominien und den ihnen vorgesetzten entscheidenden Be¬
hörden gegenwärtig besteht.

Es ist vor Allem das Kreisamt, mit welchem das Dominium in
unmittelbarer fortwährender Berührung sich befindet.

,,Der hohe und schöne Beruf, Schutzwehre wider die Anmaßungen
der Obrigkeiten gegen die Unterthanen zu sein, wurde vorzüglich und
zunächst den Kreisämtern zu Theil;" so drückt sich das von der nieder-
österreichischen Landesstelle durch kreisämtliche Kundmachung allgemein
anempfohlene Handbuch der in Oesterreich unter der Ens für das Unter¬
thansfach bestehenden Gesetze aus.

Das Kreisamt ist allerdings nach den Patenten und Instruktionen
vom I. September 1781, vom 2l. Januar 1783 und 29. Januar 1800
als Schutzbehörde der Unterthanen gegen die Herrschaft — es ist zugleich
aber auch als erste richterliche Instanz in allen Unterthansachen erklärt
und in einer wie in anderer Eigenschaft an das inquisitorische Verfahren
und die Aufstellung von Provisorien gewiesen.

Die Bestimmung des Kreisamtes als Schutzbehörde beschränkt sich
ferner nicht darauf, daß dasselbe alle Amtshandlungen der Obrigkeiten
strenge zu überwachen und sogleich von Amtswegen einzuschreiten habe,
wenn es von einem gefetz- oder ordnungswidrigen Verfahren Kunde er¬
hält, sondern sie erstreckt sich bis zur förmlichen Curatel in einer Aus¬
dehnung, daß die Unterthanen mit ihren Herrschaften ohne kreisämtliche
Zustimmung weder Ablöfungs-, noch Reluitions-, noch selbst Pachtver¬
trage abschließen können.

So wohlmeinend diese Einrichtung ist und so sehr auch Ew. Ma¬
jestät treugehorsamste Stände den Beruf des Kreisamrcs ehren, über
die pünktliche Befolgung der Gesetze von Seite der Dominien zu wachen,
unbillige oder ungerechte Forderungen hintanzusetzen, und überhaupt die
Rechte und Ansprüche der Bauern zu vertreten, so kann doch die Frage
nicht länger unerwogen bleiben, ob dieser mit Eifer und Liebe durchge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/498>, abgerufen am 24.07.2024.