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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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findet, und weil sie somit geringer geschätzt werden, als der einzelne, sein
Private Interesse verfolgende Staatsbürger.

Unter diesen Verhältnissen ist nicht allein jeder Fortschritt zur Ver¬
wirklichung der ständischen Institution und zur nothwendigen Erfüllung
ihrer guten Zwecke unerreichbar, sondern es gewinnt auch die öffentliche
Meinung ein immer weiteres Feld, um ihre Angriffe gegen die Brauch¬
barkeit der österreichischen Standeverfassung und die Tendenz der nieder-
österreichischen Stände siegreich durchzuführen; denn es ist Ew. Majestät
treugehorsamsten Ständen die Gelegenheit benommen, ihre wahren Ge¬
sinnungen durch die That zu bekräftigen, -- es ist ihnen versagt den
Beweis zu führen, daß nicht ihre Particular-Interessen, sondern die all¬
gemeine Wohlfahrt des Landes, die ruhige, geordnete, allgemeine Ent¬
wickelung der geistigen und materiellen Interessen, das Ziel ihrer Wünsche
und Bestrebungen ist, -- daß sie keine Opposition, sondern eine klare
innige Verständigung mit den leitenden und verwaltenden Organen der
Regierung beabsichtigen, und daß sie auf keiner Sonderung der Interessen
und ihrer Theilnehmer, auf keiner einseitigen Vertretung des Landes be¬
stehen, sondern daß sie das dringende Bedürfniß der vereinigt-wechsel¬
seitig - unterstützenden Thätigkeit aller Stände anerkennen und zu einer
dem Aufschwünge der Gewerbe, der Industrie, des Handels und der
Wissenschaft entsprechenden Ausbildung des ständischen Institutes, insbe¬
sondere aber zur zweckmäßig erneuerten Berechtigung des vierten Stan¬
des freudig die Hand bieten.

Diese schmerzliche Lähmung ständischer Mitwirkung verhindert nicht
allein die Anregung dringender Bedürfnisse im Lande und die lebendige
Theilnahme zur Befriedigung derselben, wie überhaupt zur Förderung
des Guten und Nützlichen -- sondern sie hat bereits in altbestehcnde
Verhältnisse störend eingewirkt, und namentlich in die, mit den Besitz¬
verhältnissen des Landes eng-verwebte Dominical - Verfassung den nach-
theiligsten Einfluß ausgeübt.

Der alte natürliche Verband zwischen Obrigkeit und Unterthan wird
immer mehr gelockert und er wird bald ganz gelöset sein, wenn die ein¬
seitige Meinung keine Widerlegung findet, daß die niederösterreichische
Dominical - Verfassung nur dem Grundherrn Vortheil gewähre, daher
das Vertrauen des Volkes und der Staatsverwaltung entbehre, und
durch eine den Zeitbedürfnissen angemessene Administration zu ersetzen sei.

Was die gerühmten Vortheile anbelangt, so wäre es vor Allem
billig, die Lage der Dominien in früherer Zeit mit ihrer gegenwärtigen
zu vergleichen und zu berücksichtigen, daß einst das Landgericht und das
Justizamt eine bedeutende Ertragsquelle war -- daß das Weiderecht
und der Bannschank - Nutzen die Auslagen der Polizei - Verwaltung reich¬
lich vergüteten, daß die sogenannten Waisendienste einen Entgelt für die
obervormundschaftlichen Geschäfte lieferten, daß die Dominien das Ab-
scchrtsgcld, das Zahlgeld und anderweitige für die damaligen Geldver¬
hältnisse namhafte Taxen bezogen, und daß sie endlich anfangs ganz


findet, und weil sie somit geringer geschätzt werden, als der einzelne, sein
Private Interesse verfolgende Staatsbürger.

Unter diesen Verhältnissen ist nicht allein jeder Fortschritt zur Ver¬
wirklichung der ständischen Institution und zur nothwendigen Erfüllung
ihrer guten Zwecke unerreichbar, sondern es gewinnt auch die öffentliche
Meinung ein immer weiteres Feld, um ihre Angriffe gegen die Brauch¬
barkeit der österreichischen Standeverfassung und die Tendenz der nieder-
österreichischen Stände siegreich durchzuführen; denn es ist Ew. Majestät
treugehorsamsten Ständen die Gelegenheit benommen, ihre wahren Ge¬
sinnungen durch die That zu bekräftigen, — es ist ihnen versagt den
Beweis zu führen, daß nicht ihre Particular-Interessen, sondern die all¬
gemeine Wohlfahrt des Landes, die ruhige, geordnete, allgemeine Ent¬
wickelung der geistigen und materiellen Interessen, das Ziel ihrer Wünsche
und Bestrebungen ist, — daß sie keine Opposition, sondern eine klare
innige Verständigung mit den leitenden und verwaltenden Organen der
Regierung beabsichtigen, und daß sie auf keiner Sonderung der Interessen
und ihrer Theilnehmer, auf keiner einseitigen Vertretung des Landes be¬
stehen, sondern daß sie das dringende Bedürfniß der vereinigt-wechsel¬
seitig - unterstützenden Thätigkeit aller Stände anerkennen und zu einer
dem Aufschwünge der Gewerbe, der Industrie, des Handels und der
Wissenschaft entsprechenden Ausbildung des ständischen Institutes, insbe¬
sondere aber zur zweckmäßig erneuerten Berechtigung des vierten Stan¬
des freudig die Hand bieten.

Diese schmerzliche Lähmung ständischer Mitwirkung verhindert nicht
allein die Anregung dringender Bedürfnisse im Lande und die lebendige
Theilnahme zur Befriedigung derselben, wie überhaupt zur Förderung
des Guten und Nützlichen — sondern sie hat bereits in altbestehcnde
Verhältnisse störend eingewirkt, und namentlich in die, mit den Besitz¬
verhältnissen des Landes eng-verwebte Dominical - Verfassung den nach-
theiligsten Einfluß ausgeübt.

Der alte natürliche Verband zwischen Obrigkeit und Unterthan wird
immer mehr gelockert und er wird bald ganz gelöset sein, wenn die ein¬
seitige Meinung keine Widerlegung findet, daß die niederösterreichische
Dominical - Verfassung nur dem Grundherrn Vortheil gewähre, daher
das Vertrauen des Volkes und der Staatsverwaltung entbehre, und
durch eine den Zeitbedürfnissen angemessene Administration zu ersetzen sei.

Was die gerühmten Vortheile anbelangt, so wäre es vor Allem
billig, die Lage der Dominien in früherer Zeit mit ihrer gegenwärtigen
zu vergleichen und zu berücksichtigen, daß einst das Landgericht und das
Justizamt eine bedeutende Ertragsquelle war — daß das Weiderecht
und der Bannschank - Nutzen die Auslagen der Polizei - Verwaltung reich¬
lich vergüteten, daß die sogenannten Waisendienste einen Entgelt für die
obervormundschaftlichen Geschäfte lieferten, daß die Dominien das Ab-
scchrtsgcld, das Zahlgeld und anderweitige für die damaligen Geldver¬
hältnisse namhafte Taxen bezogen, und daß sie endlich anfangs ganz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/494>, abgerufen am 04.07.2024.