Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.läßt keine Hochverrätherische Gedanken, ja nicht einmal Zweifel über Auch die Geschichte hat dazu mitgewirkt, die Mark vor politi¬ läßt keine Hochverrätherische Gedanken, ja nicht einmal Zweifel über Auch die Geschichte hat dazu mitgewirkt, die Mark vor politi¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0468" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183489"/> <p xml:id="ID_1360" prev="#ID_1359"> läßt keine Hochverrätherische Gedanken, ja nicht einmal Zweifel über<lb/> die Majestät von „Gottes Gnaden" aufkommen. Die Pastore reden<lb/> in ihren Predigten zu viel von Vertrauen, von Unterwürfigkeit, von<lb/> Treue und Loyalität, als daß die Gemeindemitglieder sich um das<lb/> Geschwätz der liberalen Zeitungen kümmern konnten. Es wird als ein<lb/> Theil des evangelischen Glaubensbekenntnisses angesehen, dem König<lb/> und seinen Beamten unbedingt zu gehorchen; man betrachtet diese po¬<lb/> litische Unterwürfigkeit als Urtel scheidungsmitiel zwischen Katholiken<lb/> und Protestanten. Erstere nennt man schlechte Patrioten, während<lb/> man selbst mit Stolz und Vorliebe aus seine evangelische Regenten-<lb/> samilie hinblickt, zu welcher man in der Eigenschaft als Protestant in<lb/> einem innigeren Verhältniß zu stehen glaubt, wie in der Eigenschaft<lb/> als Bürger.</p><lb/> <p xml:id="ID_1361" next="#ID_1362"> Auch die Geschichte hat dazu mitgewirkt, die Mark vor politi¬<lb/> schen Aufregungen zu bewahren. Schon seit lange gehört bekanntlich<lb/> diese Grafschaft dem preußischen Negenienhause an; die Liebe zu dem<lb/> „angestammten Landesherrn," hat trotz der französischen Revolution sich<lb/> bis auf die neueste Zeit forterhalten. Das sah man sehr deutlich<lb/> während der sogenannten Freiheitskriege, wo die Mark Tausende ihrer<lb/> Söhne auf's Spiel setzte, um den (^uiv ^pale-on und die französischen<lb/> Freiheitsgedanken aus dem Lande zu jagen, um Adelsherrschaft und<lb/> Majorate, Censur und geheimes Gerichtsverfahren in der Heimath der<lb/> Vehme wieder zu restauriren. Auch jetzt erinnert man sich der Jahre<lb/> von 1813 —15 wohl in keiner Provinz Preußens mit so großem<lb/> Stolze'und Selbstgefühle, als hier; die Bürger und Beamten Pflegen<lb/> sich regelmäßig an den Schlachttagen von Leipzig und Bellealliance<lb/> zu betrinken, und halten Reden, die von Tapferkeit und Loyalität<lb/> überfließen. Die „Landwehrmagenschnappsbegeisterung", wie sie Prutz<lb/> nennt, ist die Hauptbegeisterung, welcher der Markauer fähig ist; durch<lb/> sie wird er sogar zum Dichter, was die zahllosen Verse beweisen, die<lb/> an den Jahrestagen der Schlachten und am Geburtsfeste des Königs<lb/> die Wochenblätter der verschiedenen Städtchen anfüllen. Die Begeisterung<lb/> wird oft tragisch; so kennt der Schreiber dieser Zeilen einen Apothe¬<lb/> ker, der jährlich regelmäßig am Todestage der Königin Louise pflicht¬<lb/> getreu den ganzen Vormittag zu weinen pflegt, und jede Frage nach<lb/> der Ursache dieses Kummers als eine Illoyalität ansieht, der es sich zur<lb/> Beschäftigung macht, jedes Jahr die Rang- und Quartierliste der preu¬<lb/> ßischen Armee auswendig zu lernen, obgleich er selbst nie Soldat ge-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0468]
läßt keine Hochverrätherische Gedanken, ja nicht einmal Zweifel über
die Majestät von „Gottes Gnaden" aufkommen. Die Pastore reden
in ihren Predigten zu viel von Vertrauen, von Unterwürfigkeit, von
Treue und Loyalität, als daß die Gemeindemitglieder sich um das
Geschwätz der liberalen Zeitungen kümmern konnten. Es wird als ein
Theil des evangelischen Glaubensbekenntnisses angesehen, dem König
und seinen Beamten unbedingt zu gehorchen; man betrachtet diese po¬
litische Unterwürfigkeit als Urtel scheidungsmitiel zwischen Katholiken
und Protestanten. Erstere nennt man schlechte Patrioten, während
man selbst mit Stolz und Vorliebe aus seine evangelische Regenten-
samilie hinblickt, zu welcher man in der Eigenschaft als Protestant in
einem innigeren Verhältniß zu stehen glaubt, wie in der Eigenschaft
als Bürger.
Auch die Geschichte hat dazu mitgewirkt, die Mark vor politi¬
schen Aufregungen zu bewahren. Schon seit lange gehört bekanntlich
diese Grafschaft dem preußischen Negenienhause an; die Liebe zu dem
„angestammten Landesherrn," hat trotz der französischen Revolution sich
bis auf die neueste Zeit forterhalten. Das sah man sehr deutlich
während der sogenannten Freiheitskriege, wo die Mark Tausende ihrer
Söhne auf's Spiel setzte, um den (^uiv ^pale-on und die französischen
Freiheitsgedanken aus dem Lande zu jagen, um Adelsherrschaft und
Majorate, Censur und geheimes Gerichtsverfahren in der Heimath der
Vehme wieder zu restauriren. Auch jetzt erinnert man sich der Jahre
von 1813 —15 wohl in keiner Provinz Preußens mit so großem
Stolze'und Selbstgefühle, als hier; die Bürger und Beamten Pflegen
sich regelmäßig an den Schlachttagen von Leipzig und Bellealliance
zu betrinken, und halten Reden, die von Tapferkeit und Loyalität
überfließen. Die „Landwehrmagenschnappsbegeisterung", wie sie Prutz
nennt, ist die Hauptbegeisterung, welcher der Markauer fähig ist; durch
sie wird er sogar zum Dichter, was die zahllosen Verse beweisen, die
an den Jahrestagen der Schlachten und am Geburtsfeste des Königs
die Wochenblätter der verschiedenen Städtchen anfüllen. Die Begeisterung
wird oft tragisch; so kennt der Schreiber dieser Zeilen einen Apothe¬
ker, der jährlich regelmäßig am Todestage der Königin Louise pflicht¬
getreu den ganzen Vormittag zu weinen pflegt, und jede Frage nach
der Ursache dieses Kummers als eine Illoyalität ansieht, der es sich zur
Beschäftigung macht, jedes Jahr die Rang- und Quartierliste der preu¬
ßischen Armee auswendig zu lernen, obgleich er selbst nie Soldat ge-
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