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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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seiner Arbeit nicht verkennt. Das Bewußtsein, Eigenthum zu haben,
und wäre es auch ein kleines Stück Land, daß man sich kaum mit
Anstand daraufbegraben lassen könnte, hat für den gemeinen Mann etwas
ungemein Erhebendes; wenn der Arbeiter auch 14 Stunden täglich
in der Fabrik sich abzumühen hat, er wird doch noch Zeit finden,
seinen Garten zu bebauen und Reparaturen an seinem Hause vorzu¬
nehmen. Es ist für Jeden, der immer gewohnt ist, für Andere zu
arbeiten, ein wollüstiges Gefühl, auch einmal in eigenem Interesse zu
wirken und zu schaffen; diese Thatsache steht fest, ob sie auch gleich
gewissen socialen Theorien zu widersprechen scheint. So Hort man
auch nicht, daß auf der Enneper Straße communistische Bestrebungen
ähnlichen Beifall gefunden hätten, wie in Elberfeld oder im Ravcns-
bergischen; das rührt nur aus der innigen Verschmelzung der Industrie
mit dem Ackerbau oder wenigstens Garten- und Wiesenbau her. Da
auf den Ackerbau vorzugsweise unsere Provinz angewiesen ist, so hat
auch der Grundbesitz mehr Geltung und Einfluß, als Handel, Industrie
und Intelligenz; letztere drei Mächte kommen bei uns eigentlich nur dann
zur Geltung, wenn Rittergüter, Wälder und Wiesen ihnen zur Seite
stehen. Der Aufenthalt in Westphalen verleitete ja einen Stein zu
dem Ausspruch: "Wer keinen Grundbesitz hat, ist ein Lump"; -- wie
sollten denn die Fabrikarbeiter sich nicht darnach sehnen, einen eigenen
Garten, ein eigenes Feld zu besitzen? warum sollte man es den Fa¬
brikherren verargen, wenn sie die Früchte ihrer Maschine auf den An¬
kauf von Rittergütern und Bauerhöfen verwenden? In der Nähe
der Enneper Straße, Iserlohn'ö und Altena's sieht man herrliche
Villen, in neuestem Geschmack aufgeführt, oder alte, schwerfällige
Schlösser, die man mit vieler Mühe wieder zusammengeflickt und
wohnbar gemacht hat, im Besitze von Fabrikherren, so daß der Adel
täglich ärmer an Grundbesitz und unwilliger und gereizter gegen seine
bürgerlichen Collegen wird. Der Reichthum der Fabrikbesitzer in den
genannten Städten ist auch in der That ungewöhnlich groß; man
findet dort und in der Umgegend Eigenthümer von ganz gewöhnlichen
Eisenhämmern, welche über eine halbe Million besitzen, der größern
Fabrikanten gar nicht zu gedenken. Jetzt wird hier freilich nicht mehr
so viel verdient als früher, als z. B. in der französischen Zeit, wo ein
einziger Schleifkotten seinen Besitzer reich machen konnte, wo es unter
den Schleifern ein Sprüchwort gab: "der ist kein ordentlicher Schlei¬
fer, der Sonntags sein halb Pfund Gold nicht in der Tasche hat".


seiner Arbeit nicht verkennt. Das Bewußtsein, Eigenthum zu haben,
und wäre es auch ein kleines Stück Land, daß man sich kaum mit
Anstand daraufbegraben lassen könnte, hat für den gemeinen Mann etwas
ungemein Erhebendes; wenn der Arbeiter auch 14 Stunden täglich
in der Fabrik sich abzumühen hat, er wird doch noch Zeit finden,
seinen Garten zu bebauen und Reparaturen an seinem Hause vorzu¬
nehmen. Es ist für Jeden, der immer gewohnt ist, für Andere zu
arbeiten, ein wollüstiges Gefühl, auch einmal in eigenem Interesse zu
wirken und zu schaffen; diese Thatsache steht fest, ob sie auch gleich
gewissen socialen Theorien zu widersprechen scheint. So Hort man
auch nicht, daß auf der Enneper Straße communistische Bestrebungen
ähnlichen Beifall gefunden hätten, wie in Elberfeld oder im Ravcns-
bergischen; das rührt nur aus der innigen Verschmelzung der Industrie
mit dem Ackerbau oder wenigstens Garten- und Wiesenbau her. Da
auf den Ackerbau vorzugsweise unsere Provinz angewiesen ist, so hat
auch der Grundbesitz mehr Geltung und Einfluß, als Handel, Industrie
und Intelligenz; letztere drei Mächte kommen bei uns eigentlich nur dann
zur Geltung, wenn Rittergüter, Wälder und Wiesen ihnen zur Seite
stehen. Der Aufenthalt in Westphalen verleitete ja einen Stein zu
dem Ausspruch: „Wer keinen Grundbesitz hat, ist ein Lump"; — wie
sollten denn die Fabrikarbeiter sich nicht darnach sehnen, einen eigenen
Garten, ein eigenes Feld zu besitzen? warum sollte man es den Fa¬
brikherren verargen, wenn sie die Früchte ihrer Maschine auf den An¬
kauf von Rittergütern und Bauerhöfen verwenden? In der Nähe
der Enneper Straße, Iserlohn'ö und Altena's sieht man herrliche
Villen, in neuestem Geschmack aufgeführt, oder alte, schwerfällige
Schlösser, die man mit vieler Mühe wieder zusammengeflickt und
wohnbar gemacht hat, im Besitze von Fabrikherren, so daß der Adel
täglich ärmer an Grundbesitz und unwilliger und gereizter gegen seine
bürgerlichen Collegen wird. Der Reichthum der Fabrikbesitzer in den
genannten Städten ist auch in der That ungewöhnlich groß; man
findet dort und in der Umgegend Eigenthümer von ganz gewöhnlichen
Eisenhämmern, welche über eine halbe Million besitzen, der größern
Fabrikanten gar nicht zu gedenken. Jetzt wird hier freilich nicht mehr
so viel verdient als früher, als z. B. in der französischen Zeit, wo ein
einziger Schleifkotten seinen Besitzer reich machen konnte, wo es unter
den Schleifern ein Sprüchwort gab: „der ist kein ordentlicher Schlei¬
fer, der Sonntags sein halb Pfund Gold nicht in der Tasche hat".


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[0464] seiner Arbeit nicht verkennt. Das Bewußtsein, Eigenthum zu haben, und wäre es auch ein kleines Stück Land, daß man sich kaum mit Anstand daraufbegraben lassen könnte, hat für den gemeinen Mann etwas ungemein Erhebendes; wenn der Arbeiter auch 14 Stunden täglich in der Fabrik sich abzumühen hat, er wird doch noch Zeit finden, seinen Garten zu bebauen und Reparaturen an seinem Hause vorzu¬ nehmen. Es ist für Jeden, der immer gewohnt ist, für Andere zu arbeiten, ein wollüstiges Gefühl, auch einmal in eigenem Interesse zu wirken und zu schaffen; diese Thatsache steht fest, ob sie auch gleich gewissen socialen Theorien zu widersprechen scheint. So Hort man auch nicht, daß auf der Enneper Straße communistische Bestrebungen ähnlichen Beifall gefunden hätten, wie in Elberfeld oder im Ravcns- bergischen; das rührt nur aus der innigen Verschmelzung der Industrie mit dem Ackerbau oder wenigstens Garten- und Wiesenbau her. Da auf den Ackerbau vorzugsweise unsere Provinz angewiesen ist, so hat auch der Grundbesitz mehr Geltung und Einfluß, als Handel, Industrie und Intelligenz; letztere drei Mächte kommen bei uns eigentlich nur dann zur Geltung, wenn Rittergüter, Wälder und Wiesen ihnen zur Seite stehen. Der Aufenthalt in Westphalen verleitete ja einen Stein zu dem Ausspruch: „Wer keinen Grundbesitz hat, ist ein Lump"; — wie sollten denn die Fabrikarbeiter sich nicht darnach sehnen, einen eigenen Garten, ein eigenes Feld zu besitzen? warum sollte man es den Fa¬ brikherren verargen, wenn sie die Früchte ihrer Maschine auf den An¬ kauf von Rittergütern und Bauerhöfen verwenden? In der Nähe der Enneper Straße, Iserlohn'ö und Altena's sieht man herrliche Villen, in neuestem Geschmack aufgeführt, oder alte, schwerfällige Schlösser, die man mit vieler Mühe wieder zusammengeflickt und wohnbar gemacht hat, im Besitze von Fabrikherren, so daß der Adel täglich ärmer an Grundbesitz und unwilliger und gereizter gegen seine bürgerlichen Collegen wird. Der Reichthum der Fabrikbesitzer in den genannten Städten ist auch in der That ungewöhnlich groß; man findet dort und in der Umgegend Eigenthümer von ganz gewöhnlichen Eisenhämmern, welche über eine halbe Million besitzen, der größern Fabrikanten gar nicht zu gedenken. Jetzt wird hier freilich nicht mehr so viel verdient als früher, als z. B. in der französischen Zeit, wo ein einziger Schleifkotten seinen Besitzer reich machen konnte, wo es unter den Schleifern ein Sprüchwort gab: „der ist kein ordentlicher Schlei¬ fer, der Sonntags sein halb Pfund Gold nicht in der Tasche hat".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/464>, abgerufen am 24.07.2024.