Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Augen", ist das von dem Institut aus der Gallerie des Cardinals Fesch
um einen so hohen, aber um keinen zu hohen, Preis erworbene, oft ge.
nannte Bild des Morello. Sie sollten nur einmal die kunstschwatzender'
Weiber (besonders wenn sie in Italien waren und dort nichts sahen)
sprechen hören, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, weil nämlich de-
obere Theil des Bildes, die Madonna mit dem Kinde, wirklich der Schoa -
chere ist. Lessing's Huß dagegen erfreut sich, und mit Recht, der allge¬
meinsten Anerkennung, Intention und Eomposition sind vortrefflich und
die Ausführung meisterhaft, aber die Farbe -- matt, matt. Lessing, der
nun dem Städel'schen Institut gewonnen ist, wird sich, davon sind wir
überzeugt, den Tadlern Morello's nicht anschließen, wir wünschten, dieser
bestimmte ihn, nach Italien, dem Lande der Malerei, zu gehen und dort
seiner Meisterschaft die letzte Spitze zu erwerben.

Die Malerei ist in Frankfurt im besten Schwunge und findet alle
mögliche Förderung. Veit, dessen schönes, einfaches und gesundes Frescb-
gemälde (Einführung des Christenthums in Deutschland) im Städel'schen
Institute nicht unerwähnt und ungcrichtet zu lassen ist, schafft mit
Seelilie und einer Anzahl Schüler im Deutschen Hause, die Schule im
Städel'schen Institut zählt Meister wie Jacob Becker und bald Lesstng
in ihrer Mitte, und die Liebhaber rühmen die Fortschritte in den aus¬
gestellten Bildern.

Zu den merkwürdigsten Mannern hier gehört der !>>'. Rüppell, der
berühmte Reisende und Naturforscher, den ich täglich sehe, da ich im
Schwan mit ihm esse. Seine Stellung zu den Frankfurtern ist -- was
den letztern nicht sehr zur Ehre gereicht -- eine, sehr unfreundliche und
ich war selbst zugegen, als ihn in einer öffentlichen Jahressitzung der na-
turforschenden Senkenbergischen Gesellschaft ein Arzt Mi^unbekcinntem Na¬
men heruntermachte, weil Rüppell mit einem verstorbenen "i. Kretschmar
in Streit gelebt, in diesem Streit aber, der eine Lebensfrage für das
durch ihn zu europäischer Bedeutung erhobene naturhistorische Museum
war Und in dem er Recht hatte und Recht bekam, Persönlichkeiten mit
Persönlichkeiten erwidert, vielleicht auch mit den Persönlichkeiten ange¬
fangen hatte, weil er ohne diese nicht zum Alet gekommen wäre. Man
darf nicht vergessen, daß Rüppell seine Zeit, Gesundheit und Vermöge"
einem großen Aweck und Werk gewidmet hat. Man nennt ihn einsei¬
tig, aber welche preifenswerthe Einseitigkeit, die große Wirkungen hervor¬
bringt; man nennt ihn eitel, aber welche unschuldige Eitelkeit, die den
Menschen zum Guten treibt. Es empörte mich, wie die Frankfurter bei
der berührten Gelegenheit eine Rede beklatschten, worin der Redner aus
Ungeschicklichkeit oder Parteilichkeit einen Verstorbenen, der neben Vor¬
zügen unleugbare Mängel hatte, nicht ohne Schonung eines Lebenden loben
konnte, dessen Verdienste unstreitig größer sind. Und oben drein war
Rüppell zugegen und hatte in einer vorausgegangenen Rede des Verstor¬
benen nach dem Grundsatz gedacht: um-das ni nisi den". Diese
sehr unterhaltende Rede wurde sogar in einem hiesigen Blatte begeifert.
Rüppell sprach darin mit einer großen Fischkenntniß von dem Leben und


Augen", ist das von dem Institut aus der Gallerie des Cardinals Fesch
um einen so hohen, aber um keinen zu hohen, Preis erworbene, oft ge.
nannte Bild des Morello. Sie sollten nur einmal die kunstschwatzender'
Weiber (besonders wenn sie in Italien waren und dort nichts sahen)
sprechen hören, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, weil nämlich de-
obere Theil des Bildes, die Madonna mit dem Kinde, wirklich der Schoa -
chere ist. Lessing's Huß dagegen erfreut sich, und mit Recht, der allge¬
meinsten Anerkennung, Intention und Eomposition sind vortrefflich und
die Ausführung meisterhaft, aber die Farbe — matt, matt. Lessing, der
nun dem Städel'schen Institut gewonnen ist, wird sich, davon sind wir
überzeugt, den Tadlern Morello's nicht anschließen, wir wünschten, dieser
bestimmte ihn, nach Italien, dem Lande der Malerei, zu gehen und dort
seiner Meisterschaft die letzte Spitze zu erwerben.

Die Malerei ist in Frankfurt im besten Schwunge und findet alle
mögliche Förderung. Veit, dessen schönes, einfaches und gesundes Frescb-
gemälde (Einführung des Christenthums in Deutschland) im Städel'schen
Institute nicht unerwähnt und ungcrichtet zu lassen ist, schafft mit
Seelilie und einer Anzahl Schüler im Deutschen Hause, die Schule im
Städel'schen Institut zählt Meister wie Jacob Becker und bald Lesstng
in ihrer Mitte, und die Liebhaber rühmen die Fortschritte in den aus¬
gestellten Bildern.

Zu den merkwürdigsten Mannern hier gehört der !>>'. Rüppell, der
berühmte Reisende und Naturforscher, den ich täglich sehe, da ich im
Schwan mit ihm esse. Seine Stellung zu den Frankfurtern ist — was
den letztern nicht sehr zur Ehre gereicht — eine, sehr unfreundliche und
ich war selbst zugegen, als ihn in einer öffentlichen Jahressitzung der na-
turforschenden Senkenbergischen Gesellschaft ein Arzt Mi^unbekcinntem Na¬
men heruntermachte, weil Rüppell mit einem verstorbenen »i. Kretschmar
in Streit gelebt, in diesem Streit aber, der eine Lebensfrage für das
durch ihn zu europäischer Bedeutung erhobene naturhistorische Museum
war Und in dem er Recht hatte und Recht bekam, Persönlichkeiten mit
Persönlichkeiten erwidert, vielleicht auch mit den Persönlichkeiten ange¬
fangen hatte, weil er ohne diese nicht zum Alet gekommen wäre. Man
darf nicht vergessen, daß Rüppell seine Zeit, Gesundheit und Vermöge»
einem großen Aweck und Werk gewidmet hat. Man nennt ihn einsei¬
tig, aber welche preifenswerthe Einseitigkeit, die große Wirkungen hervor¬
bringt; man nennt ihn eitel, aber welche unschuldige Eitelkeit, die den
Menschen zum Guten treibt. Es empörte mich, wie die Frankfurter bei
der berührten Gelegenheit eine Rede beklatschten, worin der Redner aus
Ungeschicklichkeit oder Parteilichkeit einen Verstorbenen, der neben Vor¬
zügen unleugbare Mängel hatte, nicht ohne Schonung eines Lebenden loben
konnte, dessen Verdienste unstreitig größer sind. Und oben drein war
Rüppell zugegen und hatte in einer vorausgegangenen Rede des Verstor¬
benen nach dem Grundsatz gedacht: um-das ni nisi den«. Diese
sehr unterhaltende Rede wurde sogar in einem hiesigen Blatte begeifert.
Rüppell sprach darin mit einer großen Fischkenntniß von dem Leben und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0446" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183467"/>
            <p xml:id="ID_1311" prev="#ID_1310"> Augen", ist das von dem Institut aus der Gallerie des Cardinals Fesch<lb/>
um einen so hohen, aber um keinen zu hohen, Preis erworbene, oft ge.<lb/>
nannte Bild des Morello. Sie sollten nur einmal die kunstschwatzender'<lb/>
Weiber (besonders wenn sie in Italien waren und dort nichts sahen)<lb/>
sprechen hören, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, weil nämlich de-<lb/>
obere Theil des Bildes, die Madonna mit dem Kinde, wirklich der Schoa -<lb/>
chere ist. Lessing's Huß dagegen erfreut sich, und mit Recht, der allge¬<lb/>
meinsten Anerkennung, Intention und Eomposition sind vortrefflich und<lb/>
die Ausführung meisterhaft, aber die Farbe &#x2014; matt, matt. Lessing, der<lb/>
nun dem Städel'schen Institut gewonnen ist, wird sich, davon sind wir<lb/>
überzeugt, den Tadlern Morello's nicht anschließen, wir wünschten, dieser<lb/>
bestimmte ihn, nach Italien, dem Lande der Malerei, zu gehen und dort<lb/>
seiner Meisterschaft die letzte Spitze zu erwerben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1312"> Die Malerei ist in Frankfurt im besten Schwunge und findet alle<lb/>
mögliche Förderung. Veit, dessen schönes, einfaches und gesundes Frescb-<lb/>
gemälde (Einführung des Christenthums in Deutschland) im Städel'schen<lb/>
Institute nicht unerwähnt und ungcrichtet zu lassen ist, schafft mit<lb/>
Seelilie und einer Anzahl Schüler im Deutschen Hause, die Schule im<lb/>
Städel'schen Institut zählt Meister wie Jacob Becker und bald Lesstng<lb/>
in ihrer Mitte, und die Liebhaber rühmen die Fortschritte in den aus¬<lb/>
gestellten Bildern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1313" next="#ID_1314"> Zu den merkwürdigsten Mannern hier gehört der !&gt;&gt;'. Rüppell, der<lb/>
berühmte Reisende und Naturforscher, den ich täglich sehe, da ich im<lb/>
Schwan mit ihm esse. Seine Stellung zu den Frankfurtern ist &#x2014; was<lb/>
den letztern nicht sehr zur Ehre gereicht &#x2014; eine, sehr unfreundliche und<lb/>
ich war selbst zugegen, als ihn in einer öffentlichen Jahressitzung der na-<lb/>
turforschenden Senkenbergischen Gesellschaft ein Arzt Mi^unbekcinntem Na¬<lb/>
men heruntermachte, weil Rüppell mit einem verstorbenen »i. Kretschmar<lb/>
in Streit gelebt, in diesem Streit aber, der eine Lebensfrage für das<lb/>
durch ihn zu europäischer Bedeutung erhobene naturhistorische Museum<lb/>
war Und in dem er Recht hatte und Recht bekam, Persönlichkeiten mit<lb/>
Persönlichkeiten erwidert, vielleicht auch mit den Persönlichkeiten ange¬<lb/>
fangen hatte, weil er ohne diese nicht zum Alet gekommen wäre. Man<lb/>
darf nicht vergessen, daß Rüppell seine Zeit, Gesundheit und Vermöge»<lb/>
einem großen Aweck und Werk gewidmet hat. Man nennt ihn einsei¬<lb/>
tig, aber welche preifenswerthe Einseitigkeit, die große Wirkungen hervor¬<lb/>
bringt; man nennt ihn eitel, aber welche unschuldige Eitelkeit, die den<lb/>
Menschen zum Guten treibt. Es empörte mich, wie die Frankfurter bei<lb/>
der berührten Gelegenheit eine Rede beklatschten, worin der Redner aus<lb/>
Ungeschicklichkeit oder Parteilichkeit einen Verstorbenen, der neben Vor¬<lb/>
zügen unleugbare Mängel hatte, nicht ohne Schonung eines Lebenden loben<lb/>
konnte, dessen Verdienste unstreitig größer sind. Und oben drein war<lb/>
Rüppell zugegen und hatte in einer vorausgegangenen Rede des Verstor¬<lb/>
benen nach dem Grundsatz gedacht: um-das ni nisi den«. Diese<lb/>
sehr unterhaltende Rede wurde sogar in einem hiesigen Blatte begeifert.<lb/>
Rüppell sprach darin mit einer großen Fischkenntniß von dem Leben und</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0446] Augen", ist das von dem Institut aus der Gallerie des Cardinals Fesch um einen so hohen, aber um keinen zu hohen, Preis erworbene, oft ge. nannte Bild des Morello. Sie sollten nur einmal die kunstschwatzender' Weiber (besonders wenn sie in Italien waren und dort nichts sahen) sprechen hören, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, weil nämlich de- obere Theil des Bildes, die Madonna mit dem Kinde, wirklich der Schoa - chere ist. Lessing's Huß dagegen erfreut sich, und mit Recht, der allge¬ meinsten Anerkennung, Intention und Eomposition sind vortrefflich und die Ausführung meisterhaft, aber die Farbe — matt, matt. Lessing, der nun dem Städel'schen Institut gewonnen ist, wird sich, davon sind wir überzeugt, den Tadlern Morello's nicht anschließen, wir wünschten, dieser bestimmte ihn, nach Italien, dem Lande der Malerei, zu gehen und dort seiner Meisterschaft die letzte Spitze zu erwerben. Die Malerei ist in Frankfurt im besten Schwunge und findet alle mögliche Förderung. Veit, dessen schönes, einfaches und gesundes Frescb- gemälde (Einführung des Christenthums in Deutschland) im Städel'schen Institute nicht unerwähnt und ungcrichtet zu lassen ist, schafft mit Seelilie und einer Anzahl Schüler im Deutschen Hause, die Schule im Städel'schen Institut zählt Meister wie Jacob Becker und bald Lesstng in ihrer Mitte, und die Liebhaber rühmen die Fortschritte in den aus¬ gestellten Bildern. Zu den merkwürdigsten Mannern hier gehört der !>>'. Rüppell, der berühmte Reisende und Naturforscher, den ich täglich sehe, da ich im Schwan mit ihm esse. Seine Stellung zu den Frankfurtern ist — was den letztern nicht sehr zur Ehre gereicht — eine, sehr unfreundliche und ich war selbst zugegen, als ihn in einer öffentlichen Jahressitzung der na- turforschenden Senkenbergischen Gesellschaft ein Arzt Mi^unbekcinntem Na¬ men heruntermachte, weil Rüppell mit einem verstorbenen »i. Kretschmar in Streit gelebt, in diesem Streit aber, der eine Lebensfrage für das durch ihn zu europäischer Bedeutung erhobene naturhistorische Museum war Und in dem er Recht hatte und Recht bekam, Persönlichkeiten mit Persönlichkeiten erwidert, vielleicht auch mit den Persönlichkeiten ange¬ fangen hatte, weil er ohne diese nicht zum Alet gekommen wäre. Man darf nicht vergessen, daß Rüppell seine Zeit, Gesundheit und Vermöge» einem großen Aweck und Werk gewidmet hat. Man nennt ihn einsei¬ tig, aber welche preifenswerthe Einseitigkeit, die große Wirkungen hervor¬ bringt; man nennt ihn eitel, aber welche unschuldige Eitelkeit, die den Menschen zum Guten treibt. Es empörte mich, wie die Frankfurter bei der berührten Gelegenheit eine Rede beklatschten, worin der Redner aus Ungeschicklichkeit oder Parteilichkeit einen Verstorbenen, der neben Vor¬ zügen unleugbare Mängel hatte, nicht ohne Schonung eines Lebenden loben konnte, dessen Verdienste unstreitig größer sind. Und oben drein war Rüppell zugegen und hatte in einer vorausgegangenen Rede des Verstor¬ benen nach dem Grundsatz gedacht: um-das ni nisi den«. Diese sehr unterhaltende Rede wurde sogar in einem hiesigen Blatte begeifert. Rüppell sprach darin mit einer großen Fischkenntniß von dem Leben und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/446
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/446>, abgerufen am 24.07.2024.