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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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seinen schönen Punkten,- Homburg, Königstein, Falkenstein u. s. w.,
wie nahe der Rhein durch die Taunuseisenbahn, so kann der Freund
der Natur schwerlich einen angenehmem Ort in Deutschland finden, als
Frankfurt a. M. Homburg ist freilich eine gefährliche Nachbarschaft,
ich habe aber glücklicherweise gleich das erste Mal so verloren, daß die
Versuchung schnell für mich aufgehört hat. Moritz von Haber hat sich
mit den Gebrüdern Blanc (M-me, zum Bau einer Eisenbahn von

hier nach Homburg verbunden, scheitert aber bis jetzt an der unbestech¬
lichen Abneigung eines bekannten Prinzen, der erklärt haben soll, er
wolle den Familienvätern die Gelegenheit nicht erleichtern, Geld zu ver¬
spielen, welches sie besser ihren Kindern zukommen ließen.

Die hiesigen Kunstschätze habe ich jetzt alle gesehen: die dem ältesten
Sohn des Banquiers von Bethmann gehörende Dannecker'sche Ariadne,
welche, wie vortrefflich sie auch gemeißelt ist, doch kalt läßt; den möglichst
schön hergestellten Kaisersaal mit den neuen Kaiserbildern; die Stadel'sche
Gemäldegallerie, das vortreffliche Thorwaldsen'sche Kunstwerk in der Beth¬
mann - Holweg'schen Familiengruft. Die Familie ist in einer schönen
Gruppe dargestellt, der ihr angehörige Jüngling, welcher den Knaben
aus den Fluthen des Arno zwar rettete, aber auch ein Opfer seiner
edlen That wurde, empfangt aus den Händen seines Bruders, des heu¬
tigen Curators der Universität Bonn, einen Lorbeerkranz und die weib¬
lichen Mitglieder der Familie sind in Schmerz versenkt; der Flußgott
hebt das Haupt aus den Fluthen und sieht der Scene zu, theilnahmlos
und unbewegt. Ueber dem Basrelief steht auf einem Absatz in der
Wand der Kopf einer verstorbenen Schwester der Bethmann-Holweg
vom Bildhauer Haunitz; der Kopf ist gut, der Hals blieb Stein.
'

Das Städelsche Institut besitzt treffliche Sachen, das große Publi¬
kum -- denn einzelne vorzügliche Kenner gibt es hier -- ist aber ohne
Urtheil und Geschmack, besonders finde ich die Weiber unter den Chri¬
sten und die Männer unter den Juden von einem Geist des Absprechens
beseelt, der mich anwidert. Doch vergesse ich zu bemerken, daß unreife
Würtembergische Professoren der Aesthetik in dieselbe Kategorie gehören
Wie hatten diese nicht gegen das Bild von Overbeck "Der Triumph der
Religion und der Künstler" geschrieen; und des Künstlers eigne Beschrei¬
bung hatte auch mich dagegen eingenommen. Seit ich das Bild aber
gesehen habe, urtheile ich anders und bedauere die Frankfurter, die darauf
schimpfen. Ich bekümmere mich gar nicht um die mystische Auslegung
des Künstlers, was geht's mich an, daß er den Springquell in der
Mitte des Bildes svmbolisire, für mich ist das ein Springquell in der
Gegend, wo die Künstler aus verschiedenen Zeiten als zusammen gegen¬
wärtig dargestellt werden. Das ganze Bild ist gewiß so schön gedacht,
als ausgeführt, seine Mangel liegen in seiner Gattung, und das Alter-
thümelnde, welches Manchen mißfällt, ist nun einmal der Overbeck'schen
Schule eigen, der man auch ungeachtet ihrer Eigenheiten ihre Verdienste
wird lassen müssen. Ein anderes Bild, welches sich des Beifalles aller
Derer nicht erfreut, die, wie"Plato sagt, "das Schöne nicht geschaut mit


seinen schönen Punkten,- Homburg, Königstein, Falkenstein u. s. w.,
wie nahe der Rhein durch die Taunuseisenbahn, so kann der Freund
der Natur schwerlich einen angenehmem Ort in Deutschland finden, als
Frankfurt a. M. Homburg ist freilich eine gefährliche Nachbarschaft,
ich habe aber glücklicherweise gleich das erste Mal so verloren, daß die
Versuchung schnell für mich aufgehört hat. Moritz von Haber hat sich
mit den Gebrüdern Blanc (M-me, zum Bau einer Eisenbahn von

hier nach Homburg verbunden, scheitert aber bis jetzt an der unbestech¬
lichen Abneigung eines bekannten Prinzen, der erklärt haben soll, er
wolle den Familienvätern die Gelegenheit nicht erleichtern, Geld zu ver¬
spielen, welches sie besser ihren Kindern zukommen ließen.

Die hiesigen Kunstschätze habe ich jetzt alle gesehen: die dem ältesten
Sohn des Banquiers von Bethmann gehörende Dannecker'sche Ariadne,
welche, wie vortrefflich sie auch gemeißelt ist, doch kalt läßt; den möglichst
schön hergestellten Kaisersaal mit den neuen Kaiserbildern; die Stadel'sche
Gemäldegallerie, das vortreffliche Thorwaldsen'sche Kunstwerk in der Beth¬
mann - Holweg'schen Familiengruft. Die Familie ist in einer schönen
Gruppe dargestellt, der ihr angehörige Jüngling, welcher den Knaben
aus den Fluthen des Arno zwar rettete, aber auch ein Opfer seiner
edlen That wurde, empfangt aus den Händen seines Bruders, des heu¬
tigen Curators der Universität Bonn, einen Lorbeerkranz und die weib¬
lichen Mitglieder der Familie sind in Schmerz versenkt; der Flußgott
hebt das Haupt aus den Fluthen und sieht der Scene zu, theilnahmlos
und unbewegt. Ueber dem Basrelief steht auf einem Absatz in der
Wand der Kopf einer verstorbenen Schwester der Bethmann-Holweg
vom Bildhauer Haunitz; der Kopf ist gut, der Hals blieb Stein.
'

Das Städelsche Institut besitzt treffliche Sachen, das große Publi¬
kum — denn einzelne vorzügliche Kenner gibt es hier — ist aber ohne
Urtheil und Geschmack, besonders finde ich die Weiber unter den Chri¬
sten und die Männer unter den Juden von einem Geist des Absprechens
beseelt, der mich anwidert. Doch vergesse ich zu bemerken, daß unreife
Würtembergische Professoren der Aesthetik in dieselbe Kategorie gehören
Wie hatten diese nicht gegen das Bild von Overbeck „Der Triumph der
Religion und der Künstler" geschrieen; und des Künstlers eigne Beschrei¬
bung hatte auch mich dagegen eingenommen. Seit ich das Bild aber
gesehen habe, urtheile ich anders und bedauere die Frankfurter, die darauf
schimpfen. Ich bekümmere mich gar nicht um die mystische Auslegung
des Künstlers, was geht's mich an, daß er den Springquell in der
Mitte des Bildes svmbolisire, für mich ist das ein Springquell in der
Gegend, wo die Künstler aus verschiedenen Zeiten als zusammen gegen¬
wärtig dargestellt werden. Das ganze Bild ist gewiß so schön gedacht,
als ausgeführt, seine Mangel liegen in seiner Gattung, und das Alter-
thümelnde, welches Manchen mißfällt, ist nun einmal der Overbeck'schen
Schule eigen, der man auch ungeachtet ihrer Eigenheiten ihre Verdienste
wird lassen müssen. Ein anderes Bild, welches sich des Beifalles aller
Derer nicht erfreut, die, wie„Plato sagt, „das Schöne nicht geschaut mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/445>, abgerufen am 24.07.2024.