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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Hübner, Sonderland ze. iir seinem Gefolge mit selten bekannten Bildern
der romantischen Periode, die vor 16 Jahren den Ruhm der Düssel¬
dorfer Schule begründeten. Durch die finstern Schluchten der Roman-
tik, mit all' ihren Räubern und Rittern bahnte Lessing seinen Weg
zur Historienmalerei, und mit ihm gingen die andern Düsseldorfer all-
mälig in dasjenige Gebiet über, dem sie noch heute angehören. Sein
Einfluß auf ihre Werke war stets indirect, insofern als er nicht zu
den Lehrern gehörte, aber dennoch so unverkennbar, daß man ihn noch
jetzt in einer chronologischen Uebersicht der Gesamtleistungen nachwei¬
sen kann. Unbewußt machte er den Führer, unbewußt folgten ihm die
Andern. Die stille Verehrung seiner Kunst wurde durch die Anhäng¬
lichkeit an seine Person fast noch übertroffen; sein grader und biedrer
Charakter hielt ihn stets fern von allen kleinlichen gegenseitigen An¬
feindungen, wie sie überall unter den Gliedern eines Standes vor¬
kommen. Sei," Urtheil mußte immer gefordert werden, er verdammte
keine Richtung und ließ dem Streben jedes Einzelnen Gerechtigkeit
widerfahren. Dadurch, daß er seinen Einfluß nie geltend gemacht,
gewann er einen um so größeren, und seine Ansichten über die Werke
der Andern wurden um so wichtiger, je seltener er sie ausgesprochen.

War er im Kreise seiner Kunstgenossen recht eigentlich das Haupt
so galt er auch außerhalb im weitesten Umkreise als solches. Vor
Allen war es die englische Nation, die für seine Werke das lebhafteste
Interesse zeigte, und es noch täglich steigert, je mehr die deutsche Kunst
in ihrem Lande Eingang findet. Die englische Königin gab ihren be¬
sondern Beifall feinem "Huhi vor dem Eoneil" zu erkennen und ließ
sich die Vervielfältigung dediciren. Leite man diese Vorliebe der Eng<
lauter für Lessing nicht- etwa von ihrem Protestantismus her; die
Werke Overbeck'S und Seelilie'ö, der katholischen Richtung angehörig,
finden bei Albion's Söhnen ebenfalls ihre Liebhaber. Wohl nur die
eigenthümliche tiefe Poesie Lessing'scher Werke klingt an bei der Nation
Shakespeare's, und wie ihre Dichter der neuern Zeit verherrlicht Les-
sing vor allen Künstlern du große, erhabene Natur. Daher kennen
alle Verehrer von Byron und Burns seine Landschaften mit ihren schlich¬
ten, aber bedeutungsvollen Staffagen, seine von einem tief-romantischen
Element durchdrungenen Genrebilder und die ernsten Dramen seiner
historischen Kunst.

Die auffallende Erscheinung, daß unser Künstler im Auslande
mehr Anerkennung gefunden als im engen Vaterlande Preußen, berech¬
tigt zu der Vermuthung, die ewigen Anfeindungen der Berliner gegen


Hübner, Sonderland ze. iir seinem Gefolge mit selten bekannten Bildern
der romantischen Periode, die vor 16 Jahren den Ruhm der Düssel¬
dorfer Schule begründeten. Durch die finstern Schluchten der Roman-
tik, mit all' ihren Räubern und Rittern bahnte Lessing seinen Weg
zur Historienmalerei, und mit ihm gingen die andern Düsseldorfer all-
mälig in dasjenige Gebiet über, dem sie noch heute angehören. Sein
Einfluß auf ihre Werke war stets indirect, insofern als er nicht zu
den Lehrern gehörte, aber dennoch so unverkennbar, daß man ihn noch
jetzt in einer chronologischen Uebersicht der Gesamtleistungen nachwei¬
sen kann. Unbewußt machte er den Führer, unbewußt folgten ihm die
Andern. Die stille Verehrung seiner Kunst wurde durch die Anhäng¬
lichkeit an seine Person fast noch übertroffen; sein grader und biedrer
Charakter hielt ihn stets fern von allen kleinlichen gegenseitigen An¬
feindungen, wie sie überall unter den Gliedern eines Standes vor¬
kommen. Sei,» Urtheil mußte immer gefordert werden, er verdammte
keine Richtung und ließ dem Streben jedes Einzelnen Gerechtigkeit
widerfahren. Dadurch, daß er seinen Einfluß nie geltend gemacht,
gewann er einen um so größeren, und seine Ansichten über die Werke
der Andern wurden um so wichtiger, je seltener er sie ausgesprochen.

War er im Kreise seiner Kunstgenossen recht eigentlich das Haupt
so galt er auch außerhalb im weitesten Umkreise als solches. Vor
Allen war es die englische Nation, die für seine Werke das lebhafteste
Interesse zeigte, und es noch täglich steigert, je mehr die deutsche Kunst
in ihrem Lande Eingang findet. Die englische Königin gab ihren be¬
sondern Beifall feinem „Huhi vor dem Eoneil" zu erkennen und ließ
sich die Vervielfältigung dediciren. Leite man diese Vorliebe der Eng<
lauter für Lessing nicht- etwa von ihrem Protestantismus her; die
Werke Overbeck'S und Seelilie'ö, der katholischen Richtung angehörig,
finden bei Albion's Söhnen ebenfalls ihre Liebhaber. Wohl nur die
eigenthümliche tiefe Poesie Lessing'scher Werke klingt an bei der Nation
Shakespeare's, und wie ihre Dichter der neuern Zeit verherrlicht Les-
sing vor allen Künstlern du große, erhabene Natur. Daher kennen
alle Verehrer von Byron und Burns seine Landschaften mit ihren schlich¬
ten, aber bedeutungsvollen Staffagen, seine von einem tief-romantischen
Element durchdrungenen Genrebilder und die ernsten Dramen seiner
historischen Kunst.

Die auffallende Erscheinung, daß unser Künstler im Auslande
mehr Anerkennung gefunden als im engen Vaterlande Preußen, berech¬
tigt zu der Vermuthung, die ewigen Anfeindungen der Berliner gegen


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[0422] Hübner, Sonderland ze. iir seinem Gefolge mit selten bekannten Bildern der romantischen Periode, die vor 16 Jahren den Ruhm der Düssel¬ dorfer Schule begründeten. Durch die finstern Schluchten der Roman- tik, mit all' ihren Räubern und Rittern bahnte Lessing seinen Weg zur Historienmalerei, und mit ihm gingen die andern Düsseldorfer all- mälig in dasjenige Gebiet über, dem sie noch heute angehören. Sein Einfluß auf ihre Werke war stets indirect, insofern als er nicht zu den Lehrern gehörte, aber dennoch so unverkennbar, daß man ihn noch jetzt in einer chronologischen Uebersicht der Gesamtleistungen nachwei¬ sen kann. Unbewußt machte er den Führer, unbewußt folgten ihm die Andern. Die stille Verehrung seiner Kunst wurde durch die Anhäng¬ lichkeit an seine Person fast noch übertroffen; sein grader und biedrer Charakter hielt ihn stets fern von allen kleinlichen gegenseitigen An¬ feindungen, wie sie überall unter den Gliedern eines Standes vor¬ kommen. Sei,» Urtheil mußte immer gefordert werden, er verdammte keine Richtung und ließ dem Streben jedes Einzelnen Gerechtigkeit widerfahren. Dadurch, daß er seinen Einfluß nie geltend gemacht, gewann er einen um so größeren, und seine Ansichten über die Werke der Andern wurden um so wichtiger, je seltener er sie ausgesprochen. War er im Kreise seiner Kunstgenossen recht eigentlich das Haupt so galt er auch außerhalb im weitesten Umkreise als solches. Vor Allen war es die englische Nation, die für seine Werke das lebhafteste Interesse zeigte, und es noch täglich steigert, je mehr die deutsche Kunst in ihrem Lande Eingang findet. Die englische Königin gab ihren be¬ sondern Beifall feinem „Huhi vor dem Eoneil" zu erkennen und ließ sich die Vervielfältigung dediciren. Leite man diese Vorliebe der Eng< lauter für Lessing nicht- etwa von ihrem Protestantismus her; die Werke Overbeck'S und Seelilie'ö, der katholischen Richtung angehörig, finden bei Albion's Söhnen ebenfalls ihre Liebhaber. Wohl nur die eigenthümliche tiefe Poesie Lessing'scher Werke klingt an bei der Nation Shakespeare's, und wie ihre Dichter der neuern Zeit verherrlicht Les- sing vor allen Künstlern du große, erhabene Natur. Daher kennen alle Verehrer von Byron und Burns seine Landschaften mit ihren schlich¬ ten, aber bedeutungsvollen Staffagen, seine von einem tief-romantischen Element durchdrungenen Genrebilder und die ernsten Dramen seiner historischen Kunst. Die auffallende Erscheinung, daß unser Künstler im Auslande mehr Anerkennung gefunden als im engen Vaterlande Preußen, berech¬ tigt zu der Vermuthung, die ewigen Anfeindungen der Berliner gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/422>, abgerufen am 24.07.2024.