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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Stempelabgabe vorzüglich die gemeinen Klassen und gewöhnlichen Ge¬
schäfte beschwert. Durch die Masse der Zahlenden wird das Gefall
erhöht und nnter dem Scheine der Gleichheit ist die Geld- und Standes¬
aristokratie geschont. Der Bürger und Bauer bleibt ungeachtet der
ihm Hierlands eigenen Bereitwilligkeit, dem Kaiser zu geben was des
Kaisers ist, nicht selten der unangenehmen Stempelstraf-Behandlung
und Nachzahlung ausgesetzt, da er selbst am wenigsten die Stempel¬
klasse zu bezeichnen vermag, welche zu den verschiedenen Geschäften
erfordert wird und sich hierin ganz dem Ermessen des Gerichtsbeamten
überläßt, der hinwieder oft mit aller Aufmerksamkeit die Vorschrift
unrichtig anwendet, weil viele der nachgekommenen Verordnungen den
Behörden nicht mitgetheilt werden. Dies fällt dem Mangel einer
zureichenden Anstalt für Bekanntmachung der Gesetze zur Last. Die
Angeberei über Stempelgebrechen, zu welcher die Beamten, in deren
Bearbeitung die Verhandlungen kommen, genöthigt sind, ist unwürdig
und die Geldstrafe auf Uebersehen solcher Gebrechen zu hoch. Wer
möchte die Art loben, in welcher gegen die einer Stempelübertretung
Angezeigten verfahren wird. Noch weniger läßt sich der Vorgang
vertheidigen, welcher bei der zeitweilige!! Nachschau in den Amts-
papieren der Gerichte und politischen Verwaltungsstellen des Stempels
halber beobachtet wird. Der Abgeordnete der Gefällsbehörde sieht da
nur auf die Fälle, wo kein oder ein zu geringer Stempel verwendet
wurde^ die nicht seltenen Irrungen, wodurch mehr, als das Gesetz
will, an Stempelabgabe einkam, werden unberücksichtigt übergangen.
Wie sehr liegt eS im Geiste unserer gerechten Staatsverwaltung, daß
auch der zu viel behobene Kreuzer zurückerstattet werde!

Trägt eurerseits die politische Verwaltung lobenswerthe Vorsorge,
daß Landwirthschaft, Gewerbe und Verkehr blühen, ermittelt und sichert
sie die Bedingungen zur Nahrungs- und Abgabefähigkeit aller Klassen,
bessert und vervollkommt sie jährlich in dem Gemeindehauöhalt, schützt
sie durch gute Polizei dk Sicherheit, durch freigebigen Aufwand den
Gesundheitszustand, baut sie mit großen Geldopfern Straßen, Brücken
und Flußleitungen -- so sollte nicht geduldet werden, daß dieses
heilsame Walten durch Eingriffe und Durchkreuzungen der Finanz ge¬
hemmt und die wohlthätigen Früchte im Wachsthum und Reifen
zurückgehalten werden. Wir sehen aber leider die Finanzstellen ganz
selbstständig ohne Aufsicht und politische Oberleitung säen und galen,
ernten und einheimsen. Ihr Gebiet ist groß und gewinnt jährlich an
Ausdehnung; kaum gibt es ein Geschäft, das diesem Einflüsse entrückt


Stempelabgabe vorzüglich die gemeinen Klassen und gewöhnlichen Ge¬
schäfte beschwert. Durch die Masse der Zahlenden wird das Gefall
erhöht und nnter dem Scheine der Gleichheit ist die Geld- und Standes¬
aristokratie geschont. Der Bürger und Bauer bleibt ungeachtet der
ihm Hierlands eigenen Bereitwilligkeit, dem Kaiser zu geben was des
Kaisers ist, nicht selten der unangenehmen Stempelstraf-Behandlung
und Nachzahlung ausgesetzt, da er selbst am wenigsten die Stempel¬
klasse zu bezeichnen vermag, welche zu den verschiedenen Geschäften
erfordert wird und sich hierin ganz dem Ermessen des Gerichtsbeamten
überläßt, der hinwieder oft mit aller Aufmerksamkeit die Vorschrift
unrichtig anwendet, weil viele der nachgekommenen Verordnungen den
Behörden nicht mitgetheilt werden. Dies fällt dem Mangel einer
zureichenden Anstalt für Bekanntmachung der Gesetze zur Last. Die
Angeberei über Stempelgebrechen, zu welcher die Beamten, in deren
Bearbeitung die Verhandlungen kommen, genöthigt sind, ist unwürdig
und die Geldstrafe auf Uebersehen solcher Gebrechen zu hoch. Wer
möchte die Art loben, in welcher gegen die einer Stempelübertretung
Angezeigten verfahren wird. Noch weniger läßt sich der Vorgang
vertheidigen, welcher bei der zeitweilige!! Nachschau in den Amts-
papieren der Gerichte und politischen Verwaltungsstellen des Stempels
halber beobachtet wird. Der Abgeordnete der Gefällsbehörde sieht da
nur auf die Fälle, wo kein oder ein zu geringer Stempel verwendet
wurde^ die nicht seltenen Irrungen, wodurch mehr, als das Gesetz
will, an Stempelabgabe einkam, werden unberücksichtigt übergangen.
Wie sehr liegt eS im Geiste unserer gerechten Staatsverwaltung, daß
auch der zu viel behobene Kreuzer zurückerstattet werde!

Trägt eurerseits die politische Verwaltung lobenswerthe Vorsorge,
daß Landwirthschaft, Gewerbe und Verkehr blühen, ermittelt und sichert
sie die Bedingungen zur Nahrungs- und Abgabefähigkeit aller Klassen,
bessert und vervollkommt sie jährlich in dem Gemeindehauöhalt, schützt
sie durch gute Polizei dk Sicherheit, durch freigebigen Aufwand den
Gesundheitszustand, baut sie mit großen Geldopfern Straßen, Brücken
und Flußleitungen — so sollte nicht geduldet werden, daß dieses
heilsame Walten durch Eingriffe und Durchkreuzungen der Finanz ge¬
hemmt und die wohlthätigen Früchte im Wachsthum und Reifen
zurückgehalten werden. Wir sehen aber leider die Finanzstellen ganz
selbstständig ohne Aufsicht und politische Oberleitung säen und galen,
ernten und einheimsen. Ihr Gebiet ist groß und gewinnt jährlich an
Ausdehnung; kaum gibt es ein Geschäft, das diesem Einflüsse entrückt


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[0416] Stempelabgabe vorzüglich die gemeinen Klassen und gewöhnlichen Ge¬ schäfte beschwert. Durch die Masse der Zahlenden wird das Gefall erhöht und nnter dem Scheine der Gleichheit ist die Geld- und Standes¬ aristokratie geschont. Der Bürger und Bauer bleibt ungeachtet der ihm Hierlands eigenen Bereitwilligkeit, dem Kaiser zu geben was des Kaisers ist, nicht selten der unangenehmen Stempelstraf-Behandlung und Nachzahlung ausgesetzt, da er selbst am wenigsten die Stempel¬ klasse zu bezeichnen vermag, welche zu den verschiedenen Geschäften erfordert wird und sich hierin ganz dem Ermessen des Gerichtsbeamten überläßt, der hinwieder oft mit aller Aufmerksamkeit die Vorschrift unrichtig anwendet, weil viele der nachgekommenen Verordnungen den Behörden nicht mitgetheilt werden. Dies fällt dem Mangel einer zureichenden Anstalt für Bekanntmachung der Gesetze zur Last. Die Angeberei über Stempelgebrechen, zu welcher die Beamten, in deren Bearbeitung die Verhandlungen kommen, genöthigt sind, ist unwürdig und die Geldstrafe auf Uebersehen solcher Gebrechen zu hoch. Wer möchte die Art loben, in welcher gegen die einer Stempelübertretung Angezeigten verfahren wird. Noch weniger läßt sich der Vorgang vertheidigen, welcher bei der zeitweilige!! Nachschau in den Amts- papieren der Gerichte und politischen Verwaltungsstellen des Stempels halber beobachtet wird. Der Abgeordnete der Gefällsbehörde sieht da nur auf die Fälle, wo kein oder ein zu geringer Stempel verwendet wurde^ die nicht seltenen Irrungen, wodurch mehr, als das Gesetz will, an Stempelabgabe einkam, werden unberücksichtigt übergangen. Wie sehr liegt eS im Geiste unserer gerechten Staatsverwaltung, daß auch der zu viel behobene Kreuzer zurückerstattet werde! Trägt eurerseits die politische Verwaltung lobenswerthe Vorsorge, daß Landwirthschaft, Gewerbe und Verkehr blühen, ermittelt und sichert sie die Bedingungen zur Nahrungs- und Abgabefähigkeit aller Klassen, bessert und vervollkommt sie jährlich in dem Gemeindehauöhalt, schützt sie durch gute Polizei dk Sicherheit, durch freigebigen Aufwand den Gesundheitszustand, baut sie mit großen Geldopfern Straßen, Brücken und Flußleitungen — so sollte nicht geduldet werden, daß dieses heilsame Walten durch Eingriffe und Durchkreuzungen der Finanz ge¬ hemmt und die wohlthätigen Früchte im Wachsthum und Reifen zurückgehalten werden. Wir sehen aber leider die Finanzstellen ganz selbstständig ohne Aufsicht und politische Oberleitung säen und galen, ernten und einheimsen. Ihr Gebiet ist groß und gewinnt jährlich an Ausdehnung; kaum gibt es ein Geschäft, das diesem Einflüsse entrückt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/416>, abgerufen am 24.07.2024.