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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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ten; auf das Nochzeichen, welches vom hiesigen Bahnhofe aus bemerkt
werden konnte, schwang sich unser wackerer Bahnhofverwalter, Herr K.,
alsbald selbst auf die Locomotive und gelangte so rasch zu den Warten¬
den, daß der im Uebrigen unversehrte Aug ohne weitern Aufenthalt in
den Bahnhof geschafft werden konnte. So gab es Viele, die den Un¬
fall selbst erst zu Hause erfuhren. Nicht so glücklich waren diejenigen,
die sich in den der Locomotive zunächst befestigten Wagen befanden; mit
steigender Angst sahen sie den Zug dem Abgrunde zueilen, und nur die
Schnelligkeit, mit welcher Alles endete, verhinderte Manchen an dem ver¬
zweifelten Entschlüsse, aus dem Wagen zu springen. Kaum aber hielt
der Aug an, so verlangten sie mit Heftigkeit, aus dem Wagen gelassen
zu werden; der Damm ist übrigens hier nicht breit und es war nicht
möglich, unter den durcheinander eilenden, um ihre Sicherheit besorgten
Menschen, jedes weitere Unglück zu vermeiden; Einer stürzte von dem
Damme herunter und brach ein Bein. Die Uebrigen stiegen wieder ein
und gelangten unversehrt nach Frankfurt.

Vernachlässigte Vorsichtsmaßregeln und übel angebrachte Sparsam¬
keit müssen gerügt werden. Was die Erstem bettifft, so braucht man
nur zu wissen, daß jetzt, nach gemachter Erfahrung, das Ende des ge¬
fährlichen Dammes durch eine Mauer und davor angebrachten Sandlauf
und Erdhügel geschützt werden soll, um den Tadel der mangelhaften An¬
stalten gerechtfertigt zu sehen; in Beziehung auf den zweiten ist zu be¬
merken, daß man den Vorschlag geübter Techniker zur Zugführung un¬
beachtet ließ und sich damit begnügte, jüngere Mechaniker auf der badi¬
schen Eisenbahn während einiger Monate vorbilden zu lassen, um ihnen
dann die Führung eines bald größern, bald kleinern Auges und damit
das Leben vieler Personen unbedingt anzuvertrauen. Auch an zweckmä¬
ßiger Beleuchtung soll es notorisch gefehlt haben. Möchte dies Ereigniß
nur auch eine Veranlassung sein, vielen Reisenden die Angst bei dem
Uebergange über den Neckar in der Nähe von Friedrichsfeld zu erspa¬
ren. Ich setze gern voraus, daß die dortige Brücke solid construirt ist,
und eine wirkliche Gefahr sich nicht vorfindet. Die Meisten sehen
nichtsdestoweniger ängstlich jenen stillen Vorbereitungen in dem langsa¬
men Hinüberschieben des Auges über das krachende und knarrende Ge¬
rüst zu, Manchem kommt dabei der Gedanke, daß durch ein unberechen¬
bares Versehen, durch Austreten des Neckars oder durch das stille Arbeiten
dieses Flusses allein einige Pfähle schadhaft geworden sind und wanken
können, wobei ein Sturz in eine Tiefe von 5V Fuß bevorsteht! Daher
finden sich denn beim Uebergange Viele, die die Brücke zu Fuße passiren
möchten, aber unerbittlich halten die Eonducteure die Wagen verschlossen.


III.
Aus Innsbruck.

Ligorianer und Jesuiten. -- Vermehrung der Klöster. - Gefahren für den Staat.

So dankbar der Schutz und die Beförderung der katholischen Reli¬
gion in Tyrol anerkannt wird, gewinnt doch allmälig die Meinung Be-


ten; auf das Nochzeichen, welches vom hiesigen Bahnhofe aus bemerkt
werden konnte, schwang sich unser wackerer Bahnhofverwalter, Herr K.,
alsbald selbst auf die Locomotive und gelangte so rasch zu den Warten¬
den, daß der im Uebrigen unversehrte Aug ohne weitern Aufenthalt in
den Bahnhof geschafft werden konnte. So gab es Viele, die den Un¬
fall selbst erst zu Hause erfuhren. Nicht so glücklich waren diejenigen,
die sich in den der Locomotive zunächst befestigten Wagen befanden; mit
steigender Angst sahen sie den Zug dem Abgrunde zueilen, und nur die
Schnelligkeit, mit welcher Alles endete, verhinderte Manchen an dem ver¬
zweifelten Entschlüsse, aus dem Wagen zu springen. Kaum aber hielt
der Aug an, so verlangten sie mit Heftigkeit, aus dem Wagen gelassen
zu werden; der Damm ist übrigens hier nicht breit und es war nicht
möglich, unter den durcheinander eilenden, um ihre Sicherheit besorgten
Menschen, jedes weitere Unglück zu vermeiden; Einer stürzte von dem
Damme herunter und brach ein Bein. Die Uebrigen stiegen wieder ein
und gelangten unversehrt nach Frankfurt.

Vernachlässigte Vorsichtsmaßregeln und übel angebrachte Sparsam¬
keit müssen gerügt werden. Was die Erstem bettifft, so braucht man
nur zu wissen, daß jetzt, nach gemachter Erfahrung, das Ende des ge¬
fährlichen Dammes durch eine Mauer und davor angebrachten Sandlauf
und Erdhügel geschützt werden soll, um den Tadel der mangelhaften An¬
stalten gerechtfertigt zu sehen; in Beziehung auf den zweiten ist zu be¬
merken, daß man den Vorschlag geübter Techniker zur Zugführung un¬
beachtet ließ und sich damit begnügte, jüngere Mechaniker auf der badi¬
schen Eisenbahn während einiger Monate vorbilden zu lassen, um ihnen
dann die Führung eines bald größern, bald kleinern Auges und damit
das Leben vieler Personen unbedingt anzuvertrauen. Auch an zweckmä¬
ßiger Beleuchtung soll es notorisch gefehlt haben. Möchte dies Ereigniß
nur auch eine Veranlassung sein, vielen Reisenden die Angst bei dem
Uebergange über den Neckar in der Nähe von Friedrichsfeld zu erspa¬
ren. Ich setze gern voraus, daß die dortige Brücke solid construirt ist,
und eine wirkliche Gefahr sich nicht vorfindet. Die Meisten sehen
nichtsdestoweniger ängstlich jenen stillen Vorbereitungen in dem langsa¬
men Hinüberschieben des Auges über das krachende und knarrende Ge¬
rüst zu, Manchem kommt dabei der Gedanke, daß durch ein unberechen¬
bares Versehen, durch Austreten des Neckars oder durch das stille Arbeiten
dieses Flusses allein einige Pfähle schadhaft geworden sind und wanken
können, wobei ein Sturz in eine Tiefe von 5V Fuß bevorsteht! Daher
finden sich denn beim Uebergange Viele, die die Brücke zu Fuße passiren
möchten, aber unerbittlich halten die Eonducteure die Wagen verschlossen.


III.
Aus Innsbruck.

Ligorianer und Jesuiten. — Vermehrung der Klöster. - Gefahren für den Staat.

So dankbar der Schutz und die Beförderung der katholischen Reli¬
gion in Tyrol anerkannt wird, gewinnt doch allmälig die Meinung Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/404>, abgerufen am 04.07.2024.