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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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bei uns umgesehen, und nicht nach Art der Schwaben in der Fremde
auch immer nur wieder einzig und allein nach Schwaben gesucht hat.

Ich bin mit bestem Muthe und guter Zuversicht hierher gegangen,
denn wenn ich auf der Karte die Lage von Berlin und Tübingen ver¬
glich, so durfte ich wenigstens auf einen klareren Himmel und glückliches
Klima hoffen, aber dieser Unterschied ist weniger bedeutend, als man
glauben mag und gerade Tübingen hat, der Alp so nahe, in dieser Be¬
ziehung nicht die glücklichste Läge. Das Volksleben Süddeutschlands
dachte ich mir lustig, lebhast, fast gleich bedeutend mit dem am Rhein,
was auch sehr fehlerhaft war, und so versprach ich mir einen schönen
Aufenthalt in diesem Zauberhaus der Romantik. Nürnberg, die liebe,
freundliche, deutsche Stadt mit seinen Giebeln und Erkern, seinen Kir¬
chen und kunstreichen Brunnen, seinem Schloß und seinen Erinnerun¬
gen schien mir die lockende Thür in dies Schwabenland und ich war
wundersam berührt, als ich von dem Dcunpfwagen stieg, der mich so schnell
hierher versetzt. Als ich mit der langsamen Turm und Taxis'schen Post
wieder ausfuhr, dünkte es mir, als klinge das kleine runde Horn viel
weicher und melodischer, als das laute, schreiende preußische; das that
mir schon sehr wohl. Nun dacht' ich gehst du in den Süden hinein,
wie aus Schleiz nach Grciz, nicht viel anders, als es mancher Tourist
beschreibt, bei dem man eben noch im Norden über einen großen Ge¬
dankenstrich hinwegsetzt und somit urplötzlich im Süden ist, wo der leb¬
hafte Mann dann mit seinen muntern Schilderungen von noch lebhaf¬
ter" Farben, üppigen Gräsern, kräftigen Baumwuchs, reinem Himmel,
milden Lüften:c. ganz lustig beginnt. Aber so gut wurde es mir nicht,
ich habe es mir saurer werden lassen, eh' ich wußte und erfuhr, daß ich
mich im romantischen Schwaben befinde. -- Ich erreichte Stuttgart;
es liegt reizend da, in einem Thal von grünen Weinbergen eingeschlossen.
Die schwäbische Sprache selbst in den höchsten Kreisen und vornehmlich
sie aus schönem Munde zu hören, überraschte mich eigen. Der würten-
bergische Adel ist gegen den Fremden von großer Artigkeit, seine Zirkel
wie der sogenannte Elubb sind erregt und angenehm. Man findet dort
häufig die Prinzen des königl. Hauses und bewegt sich frei und ohne alle
Etiquette. Der Kronprinz ist außerdem noch der Protector einer literari-
schen Gesellfchaft "die Glocke", und ich glaube, daß man an ihm manches
Gute und Fördernde für Wissenschaft und Kunst zu erwarten hat.

Das neue Theater wird am 26. dieses Monats mit der schon öfter
besprochenen Oper "Lichtenstein", Text von Dingelstedt, Musik von Lind-
paintner, eröffnet/) Moritz setzt sie mit ebenso viel Fleiß als Geschick in
Scene. Der Intendant war grade abwesend, wie man sagte auf der
Suche von jungen Talenten; die guten Wünsche der Stuttgarter beglei¬
teten ihn. Jedenfalls muß man seinem Streben Anerkennung zu Theil
werden lassen und darf dem Theater eine günstige Zukunft versprechen.
Moritz, als Schauspieler ausgezeichnet, als Schlaukopf gefürchtet, bleibt



Ist bereits geschehen.
GrenMt". Hi. 1840.53

bei uns umgesehen, und nicht nach Art der Schwaben in der Fremde
auch immer nur wieder einzig und allein nach Schwaben gesucht hat.

Ich bin mit bestem Muthe und guter Zuversicht hierher gegangen,
denn wenn ich auf der Karte die Lage von Berlin und Tübingen ver¬
glich, so durfte ich wenigstens auf einen klareren Himmel und glückliches
Klima hoffen, aber dieser Unterschied ist weniger bedeutend, als man
glauben mag und gerade Tübingen hat, der Alp so nahe, in dieser Be¬
ziehung nicht die glücklichste Läge. Das Volksleben Süddeutschlands
dachte ich mir lustig, lebhast, fast gleich bedeutend mit dem am Rhein,
was auch sehr fehlerhaft war, und so versprach ich mir einen schönen
Aufenthalt in diesem Zauberhaus der Romantik. Nürnberg, die liebe,
freundliche, deutsche Stadt mit seinen Giebeln und Erkern, seinen Kir¬
chen und kunstreichen Brunnen, seinem Schloß und seinen Erinnerun¬
gen schien mir die lockende Thür in dies Schwabenland und ich war
wundersam berührt, als ich von dem Dcunpfwagen stieg, der mich so schnell
hierher versetzt. Als ich mit der langsamen Turm und Taxis'schen Post
wieder ausfuhr, dünkte es mir, als klinge das kleine runde Horn viel
weicher und melodischer, als das laute, schreiende preußische; das that
mir schon sehr wohl. Nun dacht' ich gehst du in den Süden hinein,
wie aus Schleiz nach Grciz, nicht viel anders, als es mancher Tourist
beschreibt, bei dem man eben noch im Norden über einen großen Ge¬
dankenstrich hinwegsetzt und somit urplötzlich im Süden ist, wo der leb¬
hafte Mann dann mit seinen muntern Schilderungen von noch lebhaf¬
ter» Farben, üppigen Gräsern, kräftigen Baumwuchs, reinem Himmel,
milden Lüften:c. ganz lustig beginnt. Aber so gut wurde es mir nicht,
ich habe es mir saurer werden lassen, eh' ich wußte und erfuhr, daß ich
mich im romantischen Schwaben befinde. — Ich erreichte Stuttgart;
es liegt reizend da, in einem Thal von grünen Weinbergen eingeschlossen.
Die schwäbische Sprache selbst in den höchsten Kreisen und vornehmlich
sie aus schönem Munde zu hören, überraschte mich eigen. Der würten-
bergische Adel ist gegen den Fremden von großer Artigkeit, seine Zirkel
wie der sogenannte Elubb sind erregt und angenehm. Man findet dort
häufig die Prinzen des königl. Hauses und bewegt sich frei und ohne alle
Etiquette. Der Kronprinz ist außerdem noch der Protector einer literari-
schen Gesellfchaft „die Glocke", und ich glaube, daß man an ihm manches
Gute und Fördernde für Wissenschaft und Kunst zu erwarten hat.

Das neue Theater wird am 26. dieses Monats mit der schon öfter
besprochenen Oper „Lichtenstein", Text von Dingelstedt, Musik von Lind-
paintner, eröffnet/) Moritz setzt sie mit ebenso viel Fleiß als Geschick in
Scene. Der Intendant war grade abwesend, wie man sagte auf der
Suche von jungen Talenten; die guten Wünsche der Stuttgarter beglei¬
teten ihn. Jedenfalls muß man seinem Streben Anerkennung zu Theil
werden lassen und darf dem Theater eine günstige Zukunft versprechen.
Moritz, als Schauspieler ausgezeichnet, als Schlaukopf gefürchtet, bleibt



Ist bereits geschehen.
GrenMt». Hi. 1840.53
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/399>, abgerufen am 24.07.2024.