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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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ten einzugehen, und vertrauliche Correspondenzen zu profantstren, von
denen man beim ersten Anblick voraussetzen kann, daß sie mit dem
angegebenen Zweck nichts gemein haben. Wahrlich! der Stempel des
Unerlaubtem dürfte sich hier wohl eher beim Inquirenten als beim
Jnquirirten finden lassen.

Obwohl nun das Wiener Handelspublicmn die aus solchen
mannichfachen Umständen hervorgehende depressive Stellung seiner In¬
teressen irgendwie verschuldet haben mag?! --

Wir wüßten durchaus keinen Anhaltpunkt zu einer solchen Hy¬
pothese. Vielmehr ist uns zur Gnüge bekannt, wie das Gremium
der Wiener Großhändler und die sich anschließenden bürgerlichen und
unbürgerlichen inmitten der schwierigsten Zeitläufte sich durch gro߬
herzigen Patriotismus ausgezeichnet haben.

In der direkten Besteuerung mindestens nichr leichter belastet als
irgendwo, steht das Handelspublicum Wiens dennoch obenan, überall
wo es gilt, aus freiem Alltrieb eine gemeinnützige Einrichtung in's
Leben zu rufen oder zu erhalten, oder einer öffentlichen Calamität zu
steuern, ja in dieser Hinsicht scheuen sich die Koryphäen derselben nicht,
durch reiche und großartige Spenden selbst mit den Mitgliedern des
Hofes in edlen Wetteifer zu treten.

Wir wollen nicht in Abrede stellen, daß an solchen großartigen
Wvhlthätigkeitssinn des Wiener Handelspublicums sich auch die Lust
an einem eigenen behaglichen und selbst glänzenden Leben knüpft;
allein eine nähere Beleuchtung dieses sogenannten Lurus läßt den¬
selben vielleicht minder ungünstig beurtheilen.

Man frage einmal bei den verschiedenen Gewerbsleuten an, wo
sie ihre besten Kunden bis zu diesen Tagen zählten, und gewiß wer¬
den die meisten antworten: unter dem handelnden Publicum. Man
frage aber auch einmal, wo Künstler ihre Mäcene vorzugsweise suchen,
und man wird erfahren, daß ein einziger Industrieller hierin Größeres
leistet, als z. B. der gesammte pommersche und hannoversche Adel.
Und Oesterreich hat auch sein Pommern! Und endlich die Gelehrten
und Poeten -- so s-no^e sie im Allgemeinen in Oesterreich sich ge¬
berden, -- kehren doch noch eher unter den gastfreien Porticus des
Kaufmannes, als in irgend andere Hallen ein. Es erhellt Wohl dar¬
aus, daß der Wohlstand unter dem handelnden Publicum Wien's
das Erworbene auf eine Weise unter die Leute zu bringen wußte,
die ebenso seiner Gesinnung wie seiner Bildung zur Ehre gereicht.
Von welcher Seite man daher auch den Handelsstand Wien's betrach-


ten einzugehen, und vertrauliche Correspondenzen zu profantstren, von
denen man beim ersten Anblick voraussetzen kann, daß sie mit dem
angegebenen Zweck nichts gemein haben. Wahrlich! der Stempel des
Unerlaubtem dürfte sich hier wohl eher beim Inquirenten als beim
Jnquirirten finden lassen.

Obwohl nun das Wiener Handelspublicmn die aus solchen
mannichfachen Umständen hervorgehende depressive Stellung seiner In¬
teressen irgendwie verschuldet haben mag?! —

Wir wüßten durchaus keinen Anhaltpunkt zu einer solchen Hy¬
pothese. Vielmehr ist uns zur Gnüge bekannt, wie das Gremium
der Wiener Großhändler und die sich anschließenden bürgerlichen und
unbürgerlichen inmitten der schwierigsten Zeitläufte sich durch gro߬
herzigen Patriotismus ausgezeichnet haben.

In der direkten Besteuerung mindestens nichr leichter belastet als
irgendwo, steht das Handelspublicum Wiens dennoch obenan, überall
wo es gilt, aus freiem Alltrieb eine gemeinnützige Einrichtung in's
Leben zu rufen oder zu erhalten, oder einer öffentlichen Calamität zu
steuern, ja in dieser Hinsicht scheuen sich die Koryphäen derselben nicht,
durch reiche und großartige Spenden selbst mit den Mitgliedern des
Hofes in edlen Wetteifer zu treten.

Wir wollen nicht in Abrede stellen, daß an solchen großartigen
Wvhlthätigkeitssinn des Wiener Handelspublicums sich auch die Lust
an einem eigenen behaglichen und selbst glänzenden Leben knüpft;
allein eine nähere Beleuchtung dieses sogenannten Lurus läßt den¬
selben vielleicht minder ungünstig beurtheilen.

Man frage einmal bei den verschiedenen Gewerbsleuten an, wo
sie ihre besten Kunden bis zu diesen Tagen zählten, und gewiß wer¬
den die meisten antworten: unter dem handelnden Publicum. Man
frage aber auch einmal, wo Künstler ihre Mäcene vorzugsweise suchen,
und man wird erfahren, daß ein einziger Industrieller hierin Größeres
leistet, als z. B. der gesammte pommersche und hannoversche Adel.
Und Oesterreich hat auch sein Pommern! Und endlich die Gelehrten
und Poeten — so s-no^e sie im Allgemeinen in Oesterreich sich ge¬
berden, — kehren doch noch eher unter den gastfreien Porticus des
Kaufmannes, als in irgend andere Hallen ein. Es erhellt Wohl dar¬
aus, daß der Wohlstand unter dem handelnden Publicum Wien's
das Erworbene auf eine Weise unter die Leute zu bringen wußte,
die ebenso seiner Gesinnung wie seiner Bildung zur Ehre gereicht.
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[0395] ten einzugehen, und vertrauliche Correspondenzen zu profantstren, von denen man beim ersten Anblick voraussetzen kann, daß sie mit dem angegebenen Zweck nichts gemein haben. Wahrlich! der Stempel des Unerlaubtem dürfte sich hier wohl eher beim Inquirenten als beim Jnquirirten finden lassen. Obwohl nun das Wiener Handelspublicmn die aus solchen mannichfachen Umständen hervorgehende depressive Stellung seiner In¬ teressen irgendwie verschuldet haben mag?! — Wir wüßten durchaus keinen Anhaltpunkt zu einer solchen Hy¬ pothese. Vielmehr ist uns zur Gnüge bekannt, wie das Gremium der Wiener Großhändler und die sich anschließenden bürgerlichen und unbürgerlichen inmitten der schwierigsten Zeitläufte sich durch gro߬ herzigen Patriotismus ausgezeichnet haben. In der direkten Besteuerung mindestens nichr leichter belastet als irgendwo, steht das Handelspublicum Wiens dennoch obenan, überall wo es gilt, aus freiem Alltrieb eine gemeinnützige Einrichtung in's Leben zu rufen oder zu erhalten, oder einer öffentlichen Calamität zu steuern, ja in dieser Hinsicht scheuen sich die Koryphäen derselben nicht, durch reiche und großartige Spenden selbst mit den Mitgliedern des Hofes in edlen Wetteifer zu treten. Wir wollen nicht in Abrede stellen, daß an solchen großartigen Wvhlthätigkeitssinn des Wiener Handelspublicums sich auch die Lust an einem eigenen behaglichen und selbst glänzenden Leben knüpft; allein eine nähere Beleuchtung dieses sogenannten Lurus läßt den¬ selben vielleicht minder ungünstig beurtheilen. Man frage einmal bei den verschiedenen Gewerbsleuten an, wo sie ihre besten Kunden bis zu diesen Tagen zählten, und gewiß wer¬ den die meisten antworten: unter dem handelnden Publicum. Man frage aber auch einmal, wo Künstler ihre Mäcene vorzugsweise suchen, und man wird erfahren, daß ein einziger Industrieller hierin Größeres leistet, als z. B. der gesammte pommersche und hannoversche Adel. Und Oesterreich hat auch sein Pommern! Und endlich die Gelehrten und Poeten — so s-no^e sie im Allgemeinen in Oesterreich sich ge¬ berden, — kehren doch noch eher unter den gastfreien Porticus des Kaufmannes, als in irgend andere Hallen ein. Es erhellt Wohl dar¬ aus, daß der Wohlstand unter dem handelnden Publicum Wien's das Erworbene auf eine Weise unter die Leute zu bringen wußte, die ebenso seiner Gesinnung wie seiner Bildung zur Ehre gereicht. Von welcher Seite man daher auch den Handelsstand Wien's betrach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/395>, abgerufen am 23.06.2024.