Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn sie gleich noch bei Hellem Tage anlangen, nicht mehr an dem¬
selben, fondern erst am daraus folgenden ausgegeben, so daß eine Post-
Verspätung von etwa 4 Stunden sich für den Empfänger auf 24 Stun¬
den erstreckt; ja bei der nordischen Post, die mittelst der Eisenbahn
anlangt, ist schon die Verspätung von einigen Stunden hinreichend,
um die Ankunft eines Briefes um einen Tag hinauszuschieben.

Beinahe an das Komische aber streift das Verfahren hinsichtlich
der Packete mit Actien oder Obligationen, die der Handelsstand mit¬
telst Postwagen (Fahrpost) erhält. "Eine jede solche Sendung unter¬
liegt einer umständlichen mauthämtlichen Procedur, die von dem Em¬
pfänger oder seinem Delegaten kaum weniger als zwei Stunden
Zeit erheischt, indem sie ihm den traurigen Ersatz gewährt , an den
sogenannten A. B. C. Tischen abwechselnd zu machen, und
am Ende noch gar die, außer ihres Schuldinhaltes sehr unschuldigen
Actien oder Obligationen der Censurbehörde zur Einsicht vorzu¬
legen." Auch mit simplem Passagiergut kann man die Bekanntschaft
jenes mauthämtlichen A. B. C'S machen, und einem phlegmatischen
Engländer soll es unlängst begegnet sein, einen halben Tag in seinem
Wagen der Erpedition seiner Reiseeffecten entgegen zu harren, bis
endlich ein Anderer sie für ihn erwirkte. Darauf habe aber der Britte
sich bei seinem Gesandten beschwert, und dieser die Sache dem Für¬
sten M. vorgebracht, wodurch dann auch Abhilfe in diesem Un¬
wesen zu erhoffen sei. Bei dem bisherigen Verfahren geräth es
dem Kaufmann wohl noch überdies, nicht nur Stunden, sondern selbst
Tage auf sein bereits angelangtes Gut vergeblich warten zu können;
denn wenn eine derartige Ankunft grade mit einigen auf einander
folgenden Festtagen zusammentrifft, so wird ihm nicht nur das Erwar¬
tete an keinem der Festtage zugestellt, sondern selbst die Zustellung des
Aviso's, ohne welches er sich zu einer Erhebung gar nicht melden
kann, verspätet sich der Art, daß er selbst an dem darauf folgenden
Werktage nicht mehr im Stande ist, den beabsichtigten Gebrauch von
seinen Effecten zu machen.

Wohin werden nun endlich die mauthämtlichen Ueberfälle zu
zählen sein, welche nicht nur bei eingetretenem Verdacht von Defrau-
dation stattfinden, sondern auch den unbescholtensten Handelsmann
treffen? Dabei wäre aber noch hervorzuheben, wie man sich keines¬
wegs mit Controllirung desjenigen begnügt, welches sich auf den zu
clarificirenden Gegenstand bezieht, sondern sich die Befugniß zusteht,
in gar nicht dahin gehörende Verhältnisse, ja in Herzensangelegenhei-


wenn sie gleich noch bei Hellem Tage anlangen, nicht mehr an dem¬
selben, fondern erst am daraus folgenden ausgegeben, so daß eine Post-
Verspätung von etwa 4 Stunden sich für den Empfänger auf 24 Stun¬
den erstreckt; ja bei der nordischen Post, die mittelst der Eisenbahn
anlangt, ist schon die Verspätung von einigen Stunden hinreichend,
um die Ankunft eines Briefes um einen Tag hinauszuschieben.

Beinahe an das Komische aber streift das Verfahren hinsichtlich
der Packete mit Actien oder Obligationen, die der Handelsstand mit¬
telst Postwagen (Fahrpost) erhält. „Eine jede solche Sendung unter¬
liegt einer umständlichen mauthämtlichen Procedur, die von dem Em¬
pfänger oder seinem Delegaten kaum weniger als zwei Stunden
Zeit erheischt, indem sie ihm den traurigen Ersatz gewährt , an den
sogenannten A. B. C. Tischen abwechselnd zu machen, und
am Ende noch gar die, außer ihres Schuldinhaltes sehr unschuldigen
Actien oder Obligationen der Censurbehörde zur Einsicht vorzu¬
legen." Auch mit simplem Passagiergut kann man die Bekanntschaft
jenes mauthämtlichen A. B. C'S machen, und einem phlegmatischen
Engländer soll es unlängst begegnet sein, einen halben Tag in seinem
Wagen der Erpedition seiner Reiseeffecten entgegen zu harren, bis
endlich ein Anderer sie für ihn erwirkte. Darauf habe aber der Britte
sich bei seinem Gesandten beschwert, und dieser die Sache dem Für¬
sten M. vorgebracht, wodurch dann auch Abhilfe in diesem Un¬
wesen zu erhoffen sei. Bei dem bisherigen Verfahren geräth es
dem Kaufmann wohl noch überdies, nicht nur Stunden, sondern selbst
Tage auf sein bereits angelangtes Gut vergeblich warten zu können;
denn wenn eine derartige Ankunft grade mit einigen auf einander
folgenden Festtagen zusammentrifft, so wird ihm nicht nur das Erwar¬
tete an keinem der Festtage zugestellt, sondern selbst die Zustellung des
Aviso's, ohne welches er sich zu einer Erhebung gar nicht melden
kann, verspätet sich der Art, daß er selbst an dem darauf folgenden
Werktage nicht mehr im Stande ist, den beabsichtigten Gebrauch von
seinen Effecten zu machen.

Wohin werden nun endlich die mauthämtlichen Ueberfälle zu
zählen sein, welche nicht nur bei eingetretenem Verdacht von Defrau-
dation stattfinden, sondern auch den unbescholtensten Handelsmann
treffen? Dabei wäre aber noch hervorzuheben, wie man sich keines¬
wegs mit Controllirung desjenigen begnügt, welches sich auf den zu
clarificirenden Gegenstand bezieht, sondern sich die Befugniß zusteht,
in gar nicht dahin gehörende Verhältnisse, ja in Herzensangelegenhei-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183415"/>
            <p xml:id="ID_1167" prev="#ID_1166"> wenn sie gleich noch bei Hellem Tage anlangen, nicht mehr an dem¬<lb/>
selben, fondern erst am daraus folgenden ausgegeben, so daß eine Post-<lb/>
Verspätung von etwa 4 Stunden sich für den Empfänger auf 24 Stun¬<lb/>
den erstreckt; ja bei der nordischen Post, die mittelst der Eisenbahn<lb/>
anlangt, ist schon die Verspätung von einigen Stunden hinreichend,<lb/>
um die Ankunft eines Briefes um einen Tag hinauszuschieben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1168"> Beinahe an das Komische aber streift das Verfahren hinsichtlich<lb/>
der Packete mit Actien oder Obligationen, die der Handelsstand mit¬<lb/>
telst Postwagen (Fahrpost) erhält. &#x201E;Eine jede solche Sendung unter¬<lb/>
liegt einer umständlichen mauthämtlichen Procedur, die von dem Em¬<lb/>
pfänger oder seinem Delegaten kaum weniger als zwei Stunden<lb/>
Zeit erheischt, indem sie ihm den traurigen Ersatz gewährt , an den<lb/>
sogenannten A. B. C. Tischen abwechselnd zu machen, und<lb/>
am Ende noch gar die, außer ihres Schuldinhaltes sehr unschuldigen<lb/>
Actien oder Obligationen der Censurbehörde zur Einsicht vorzu¬<lb/>
legen." Auch mit simplem Passagiergut kann man die Bekanntschaft<lb/>
jenes mauthämtlichen A. B. C'S machen, und einem phlegmatischen<lb/>
Engländer soll es unlängst begegnet sein, einen halben Tag in seinem<lb/>
Wagen der Erpedition seiner Reiseeffecten entgegen zu harren, bis<lb/>
endlich ein Anderer sie für ihn erwirkte. Darauf habe aber der Britte<lb/>
sich bei seinem Gesandten beschwert, und dieser die Sache dem Für¬<lb/>
sten M. vorgebracht, wodurch dann auch Abhilfe in diesem Un¬<lb/>
wesen zu erhoffen sei. Bei dem bisherigen Verfahren geräth es<lb/>
dem Kaufmann wohl noch überdies, nicht nur Stunden, sondern selbst<lb/>
Tage auf sein bereits angelangtes Gut vergeblich warten zu können;<lb/>
denn wenn eine derartige Ankunft grade mit einigen auf einander<lb/>
folgenden Festtagen zusammentrifft, so wird ihm nicht nur das Erwar¬<lb/>
tete an keinem der Festtage zugestellt, sondern selbst die Zustellung des<lb/>
Aviso's, ohne welches er sich zu einer Erhebung gar nicht melden<lb/>
kann, verspätet sich der Art, daß er selbst an dem darauf folgenden<lb/>
Werktage nicht mehr im Stande ist, den beabsichtigten Gebrauch von<lb/>
seinen Effecten zu machen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1169" next="#ID_1170"> Wohin werden nun endlich die mauthämtlichen Ueberfälle zu<lb/>
zählen sein, welche nicht nur bei eingetretenem Verdacht von Defrau-<lb/>
dation stattfinden, sondern auch den unbescholtensten Handelsmann<lb/>
treffen? Dabei wäre aber noch hervorzuheben, wie man sich keines¬<lb/>
wegs mit Controllirung desjenigen begnügt, welches sich auf den zu<lb/>
clarificirenden Gegenstand bezieht, sondern sich die Befugniß zusteht,<lb/>
in gar nicht dahin gehörende Verhältnisse, ja in Herzensangelegenhei-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0394] wenn sie gleich noch bei Hellem Tage anlangen, nicht mehr an dem¬ selben, fondern erst am daraus folgenden ausgegeben, so daß eine Post- Verspätung von etwa 4 Stunden sich für den Empfänger auf 24 Stun¬ den erstreckt; ja bei der nordischen Post, die mittelst der Eisenbahn anlangt, ist schon die Verspätung von einigen Stunden hinreichend, um die Ankunft eines Briefes um einen Tag hinauszuschieben. Beinahe an das Komische aber streift das Verfahren hinsichtlich der Packete mit Actien oder Obligationen, die der Handelsstand mit¬ telst Postwagen (Fahrpost) erhält. „Eine jede solche Sendung unter¬ liegt einer umständlichen mauthämtlichen Procedur, die von dem Em¬ pfänger oder seinem Delegaten kaum weniger als zwei Stunden Zeit erheischt, indem sie ihm den traurigen Ersatz gewährt , an den sogenannten A. B. C. Tischen abwechselnd zu machen, und am Ende noch gar die, außer ihres Schuldinhaltes sehr unschuldigen Actien oder Obligationen der Censurbehörde zur Einsicht vorzu¬ legen." Auch mit simplem Passagiergut kann man die Bekanntschaft jenes mauthämtlichen A. B. C'S machen, und einem phlegmatischen Engländer soll es unlängst begegnet sein, einen halben Tag in seinem Wagen der Erpedition seiner Reiseeffecten entgegen zu harren, bis endlich ein Anderer sie für ihn erwirkte. Darauf habe aber der Britte sich bei seinem Gesandten beschwert, und dieser die Sache dem Für¬ sten M. vorgebracht, wodurch dann auch Abhilfe in diesem Un¬ wesen zu erhoffen sei. Bei dem bisherigen Verfahren geräth es dem Kaufmann wohl noch überdies, nicht nur Stunden, sondern selbst Tage auf sein bereits angelangtes Gut vergeblich warten zu können; denn wenn eine derartige Ankunft grade mit einigen auf einander folgenden Festtagen zusammentrifft, so wird ihm nicht nur das Erwar¬ tete an keinem der Festtage zugestellt, sondern selbst die Zustellung des Aviso's, ohne welches er sich zu einer Erhebung gar nicht melden kann, verspätet sich der Art, daß er selbst an dem darauf folgenden Werktage nicht mehr im Stande ist, den beabsichtigten Gebrauch von seinen Effecten zu machen. Wohin werden nun endlich die mauthämtlichen Ueberfälle zu zählen sein, welche nicht nur bei eingetretenem Verdacht von Defrau- dation stattfinden, sondern auch den unbescholtensten Handelsmann treffen? Dabei wäre aber noch hervorzuheben, wie man sich keines¬ wegs mit Controllirung desjenigen begnügt, welches sich auf den zu clarificirenden Gegenstand bezieht, sondern sich die Befugniß zusteht, in gar nicht dahin gehörende Verhältnisse, ja in Herzensangelegenhei-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/394
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/394>, abgerufen am 28.06.2024.