Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ist, obgleich dieselben schon als Consumenten nicht so ganz über die
Achsel anzusehen wären.

Indem aber durch solchen Vorgang das Geld an der Börse
selten gemacht wird, eröffnet sich ganz natürlich auch dem Geldwucher
Thür und Thor, während sich in demselben Maße die Cassen der Ka¬
pitalisten den solidesten Bedürfnissen des Handels und der Industrie
verschließen. Der Rentier, der gegen sichere Deckung in Eisenbahn-
actien einen Zins von 6 -- 8 pr. Ce. erreichen kann, wird sich wohl
kaum entschließen, dem Kaufmann und Fabrikanten zweiten und dritten
Ranges auf bloße Wechsel Geld zu borgen und am mindesten zu
leichten Bedingungen.

"Aber die Wiener Börse ist der tonangebende Geldmarkt für die
ganze Monarchie, und es kann daher für die Gesammtinteressen,
derselben, namentlich für die so gewichtigen commerciellen und in¬
dustriellen nicht gleichgültig sein, ob der Preis des Geldes sich dort
theuer oder billig erhält?"

Allerdings ! In diesem Aufsahe sollen ja aber nur zunächst die Inter¬
essen der Wiener Handelswelt zur Sprache kommen, und der Ein¬
fluß deö Systems auf die Handelszustände der österreichischen Haupt¬
stadt beleuchtet werden, und wir glauben, Wien ist wichtig genug, um
neben anderen Berücksichtigungen auch für sich eine Berücksichtigung
in Anspruch zu nehmen.

Eine Vermehrung des Bankporiefeuille auf 50 Millionen gegen,
einen Baarvorrath von toll könnte kaum von irgend einem Standpunkt
aus Mißbilligung erfahren und den gesammten Platzinteressen nur
höchst förderlich sei", während daS gegenwärtige stattfindende Verfahren
nur den Geldw unserem und denjenigen, die aufDepreciation aller Va¬
luten ein unerhört freches Spiel treiben, unter dem Namen Contre-
mineurs oder BaissrerS sattsam bekannt, zu Statten kommt. Das Ge¬
spenst der Agiotage wird nie und nirgends so bald zu bannen sein,
lind es wird sich daher nur fragen, welche vorzugsweise niederzuschlagen
komme: diejenige, welche ein Zurückhalten selbst der vorhandenen
Circulationsmittel mit sich führt und dem schändlichen Wucher Vor¬
schub leistet, diejenige, welche aufBeängstigung aller Gemüther gerichtet
ist, und es auch nicht verschmäht, die lügenhaftesten Gerüchte auszu¬
streuen, um ihre Zwecke auszubeuten, oder diejenige, welche sich an
Erhaltung und Befestigung des Friedens und der Nut,e knüpft, lind
in deren Vortheil es liegt, einen mäßigen Zinsfuß aufrecht zu erhal¬
ten. Gehen wir von den Zuständen auf die Personen über, so wird


ist, obgleich dieselben schon als Consumenten nicht so ganz über die
Achsel anzusehen wären.

Indem aber durch solchen Vorgang das Geld an der Börse
selten gemacht wird, eröffnet sich ganz natürlich auch dem Geldwucher
Thür und Thor, während sich in demselben Maße die Cassen der Ka¬
pitalisten den solidesten Bedürfnissen des Handels und der Industrie
verschließen. Der Rentier, der gegen sichere Deckung in Eisenbahn-
actien einen Zins von 6 — 8 pr. Ce. erreichen kann, wird sich wohl
kaum entschließen, dem Kaufmann und Fabrikanten zweiten und dritten
Ranges auf bloße Wechsel Geld zu borgen und am mindesten zu
leichten Bedingungen.

„Aber die Wiener Börse ist der tonangebende Geldmarkt für die
ganze Monarchie, und es kann daher für die Gesammtinteressen,
derselben, namentlich für die so gewichtigen commerciellen und in¬
dustriellen nicht gleichgültig sein, ob der Preis des Geldes sich dort
theuer oder billig erhält?"

Allerdings ! In diesem Aufsahe sollen ja aber nur zunächst die Inter¬
essen der Wiener Handelswelt zur Sprache kommen, und der Ein¬
fluß deö Systems auf die Handelszustände der österreichischen Haupt¬
stadt beleuchtet werden, und wir glauben, Wien ist wichtig genug, um
neben anderen Berücksichtigungen auch für sich eine Berücksichtigung
in Anspruch zu nehmen.

Eine Vermehrung des Bankporiefeuille auf 50 Millionen gegen,
einen Baarvorrath von toll könnte kaum von irgend einem Standpunkt
aus Mißbilligung erfahren und den gesammten Platzinteressen nur
höchst förderlich sei», während daS gegenwärtige stattfindende Verfahren
nur den Geldw unserem und denjenigen, die aufDepreciation aller Va¬
luten ein unerhört freches Spiel treiben, unter dem Namen Contre-
mineurs oder BaissrerS sattsam bekannt, zu Statten kommt. Das Ge¬
spenst der Agiotage wird nie und nirgends so bald zu bannen sein,
lind es wird sich daher nur fragen, welche vorzugsweise niederzuschlagen
komme: diejenige, welche ein Zurückhalten selbst der vorhandenen
Circulationsmittel mit sich führt und dem schändlichen Wucher Vor¬
schub leistet, diejenige, welche aufBeängstigung aller Gemüther gerichtet
ist, und es auch nicht verschmäht, die lügenhaftesten Gerüchte auszu¬
streuen, um ihre Zwecke auszubeuten, oder diejenige, welche sich an
Erhaltung und Befestigung des Friedens und der Nut,e knüpft, lind
in deren Vortheil es liegt, einen mäßigen Zinsfuß aufrecht zu erhal¬
ten. Gehen wir von den Zuständen auf die Personen über, so wird


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183409"/>
            <p xml:id="ID_1145" prev="#ID_1144"> ist, obgleich dieselben schon als Consumenten nicht so ganz über die<lb/>
Achsel anzusehen wären.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1146"> Indem aber durch solchen Vorgang das Geld an der Börse<lb/>
selten gemacht wird, eröffnet sich ganz natürlich auch dem Geldwucher<lb/>
Thür und Thor, während sich in demselben Maße die Cassen der Ka¬<lb/>
pitalisten den solidesten Bedürfnissen des Handels und der Industrie<lb/>
verschließen. Der Rentier, der gegen sichere Deckung in Eisenbahn-<lb/>
actien einen Zins von 6 &#x2014; 8 pr. Ce. erreichen kann, wird sich wohl<lb/>
kaum entschließen, dem Kaufmann und Fabrikanten zweiten und dritten<lb/>
Ranges auf bloße Wechsel Geld zu borgen und am mindesten zu<lb/>
leichten Bedingungen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1147"> &#x201E;Aber die Wiener Börse ist der tonangebende Geldmarkt für die<lb/>
ganze Monarchie, und es kann daher für die Gesammtinteressen,<lb/>
derselben, namentlich für die so gewichtigen commerciellen und in¬<lb/>
dustriellen nicht gleichgültig sein, ob der Preis des Geldes sich dort<lb/>
theuer oder billig erhält?"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1148"> Allerdings ! In diesem Aufsahe sollen ja aber nur zunächst die Inter¬<lb/>
essen der Wiener Handelswelt zur Sprache kommen, und der Ein¬<lb/>
fluß deö Systems auf die Handelszustände der österreichischen Haupt¬<lb/>
stadt beleuchtet werden, und wir glauben, Wien ist wichtig genug, um<lb/>
neben anderen Berücksichtigungen auch für sich eine Berücksichtigung<lb/>
in Anspruch zu nehmen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1149" next="#ID_1150"> Eine Vermehrung des Bankporiefeuille auf 50 Millionen gegen,<lb/>
einen Baarvorrath von toll könnte kaum von irgend einem Standpunkt<lb/>
aus Mißbilligung erfahren und den gesammten Platzinteressen nur<lb/>
höchst förderlich sei», während daS gegenwärtige stattfindende Verfahren<lb/>
nur den Geldw unserem und denjenigen, die aufDepreciation aller Va¬<lb/>
luten ein unerhört freches Spiel treiben, unter dem Namen Contre-<lb/>
mineurs oder BaissrerS sattsam bekannt, zu Statten kommt. Das Ge¬<lb/>
spenst der Agiotage wird nie und nirgends so bald zu bannen sein,<lb/>
lind es wird sich daher nur fragen, welche vorzugsweise niederzuschlagen<lb/>
komme: diejenige, welche ein Zurückhalten selbst der vorhandenen<lb/>
Circulationsmittel mit sich führt und dem schändlichen Wucher Vor¬<lb/>
schub leistet, diejenige, welche aufBeängstigung aller Gemüther gerichtet<lb/>
ist, und es auch nicht verschmäht, die lügenhaftesten Gerüchte auszu¬<lb/>
streuen, um ihre Zwecke auszubeuten, oder diejenige, welche sich an<lb/>
Erhaltung und Befestigung des Friedens und der Nut,e knüpft, lind<lb/>
in deren Vortheil es liegt, einen mäßigen Zinsfuß aufrecht zu erhal¬<lb/>
ten.  Gehen wir von den Zuständen auf die Personen über, so wird</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0388] ist, obgleich dieselben schon als Consumenten nicht so ganz über die Achsel anzusehen wären. Indem aber durch solchen Vorgang das Geld an der Börse selten gemacht wird, eröffnet sich ganz natürlich auch dem Geldwucher Thür und Thor, während sich in demselben Maße die Cassen der Ka¬ pitalisten den solidesten Bedürfnissen des Handels und der Industrie verschließen. Der Rentier, der gegen sichere Deckung in Eisenbahn- actien einen Zins von 6 — 8 pr. Ce. erreichen kann, wird sich wohl kaum entschließen, dem Kaufmann und Fabrikanten zweiten und dritten Ranges auf bloße Wechsel Geld zu borgen und am mindesten zu leichten Bedingungen. „Aber die Wiener Börse ist der tonangebende Geldmarkt für die ganze Monarchie, und es kann daher für die Gesammtinteressen, derselben, namentlich für die so gewichtigen commerciellen und in¬ dustriellen nicht gleichgültig sein, ob der Preis des Geldes sich dort theuer oder billig erhält?" Allerdings ! In diesem Aufsahe sollen ja aber nur zunächst die Inter¬ essen der Wiener Handelswelt zur Sprache kommen, und der Ein¬ fluß deö Systems auf die Handelszustände der österreichischen Haupt¬ stadt beleuchtet werden, und wir glauben, Wien ist wichtig genug, um neben anderen Berücksichtigungen auch für sich eine Berücksichtigung in Anspruch zu nehmen. Eine Vermehrung des Bankporiefeuille auf 50 Millionen gegen, einen Baarvorrath von toll könnte kaum von irgend einem Standpunkt aus Mißbilligung erfahren und den gesammten Platzinteressen nur höchst förderlich sei», während daS gegenwärtige stattfindende Verfahren nur den Geldw unserem und denjenigen, die aufDepreciation aller Va¬ luten ein unerhört freches Spiel treiben, unter dem Namen Contre- mineurs oder BaissrerS sattsam bekannt, zu Statten kommt. Das Ge¬ spenst der Agiotage wird nie und nirgends so bald zu bannen sein, lind es wird sich daher nur fragen, welche vorzugsweise niederzuschlagen komme: diejenige, welche ein Zurückhalten selbst der vorhandenen Circulationsmittel mit sich führt und dem schändlichen Wucher Vor¬ schub leistet, diejenige, welche aufBeängstigung aller Gemüther gerichtet ist, und es auch nicht verschmäht, die lügenhaftesten Gerüchte auszu¬ streuen, um ihre Zwecke auszubeuten, oder diejenige, welche sich an Erhaltung und Befestigung des Friedens und der Nut,e knüpft, lind in deren Vortheil es liegt, einen mäßigen Zinsfuß aufrecht zu erhal¬ ten. Gehen wir von den Zuständen auf die Personen über, so wird

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/388
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/388>, abgerufen am 24.07.2024.