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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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zeugt, daß dieselbe Gesinnung auch alle seine Standesgenossen be¬
seele".

Fürwahr, Preußens Alleinherrscher mag sich in Acht nehmen vor
unserm westfälischen Adel. Die schlesischen Weberunruhen und die
finanziellen Kriselt, die Aufstände in Posen und die Kirchmessen in
Cöln dürfen ihm nicht so viele Besorgnis; einstoßen, als die Ritterbank
des westfälischen Landtages!!

Doch hören wir den Mirabeau Westfalens weiter: "Er versetze
sich im Geiste zurück in die Zeiten des Mittelalters und der Vehme,
wo Recht und Gerechtigkeit nicht zu finden gewesen im heiligen römi^
sehen Reiche, es sei denn bei der westfälischen Ritterschaft und dem
Kurfürsten von Cöln. Er gehe über auf die Gegenwart und schlage
die Gesetzsammlung auf. Er finde da eine Urkunde, worin der Adel
eine Matter um den Thron genannt werde. Allerdings müsse der
Adel eine solche Mauer bilden, aber eine Mauer, sowohl nach Rechts,
wie nach Links, eine Mauer, nicht blos gegen revolutionaire Angriffe
auf den Thron, sondern auch eine Mauer, um alle Klaffen des Volkes
zu schirmen gegen Eingriffe, sie mochten auch kommen, woher sie
wollten." --

Was will man mehr verlangen? Wie kann man anstehen,
Deutschland und speciell Westfalen das glücklichste und sicherste Land
unter der Sonne zu nennen? Warum wendet sich denn noch das
Auge so manches Patrioten nur mit Thränen auf sein Vaterland, das
ja der Landrath von Hagen mit seinen adligen Vettern und Muhmen
"gegen alle Angriffe, woher sie auch kommen mögen", zu schützen und
zu schirmen bereit ist? Warum irrt so mancher edle Deutsche tu der
Fremde umher, gleich dem Odysseus der Fabel, und sucht jenseits des
Oceans Freiheit und Vaterland, das er daheim nicht finden konnte?
Ihr politischen Flüchtlinge aus der Wartburger, Hambacher, Frank-
furter und Göttinger Periode, ihr kühnen Sänger Herwegh und Frei-
ltgrath, ihr wackern Badenser, von Itzstein und Hecker, warum haltet
ihr euch so fern von Preußen? Ihr gehört ja dem Volke an, um
welches sich der westfälische Adel als schützende Mauer erhebt; ihr
habt von keinem heimlichen Gerichte, von keiner polizeilichen Brutalität
etwas zu fürchten. Schade, daß Börne eher gestorben war, als der
Freiherr von Vincke Landrath wurde, sonst wäre er nicht gezwungen
gewesen, einsam und freudlos in der Fremde zu sterben; er brauchte
sich nur in den Schutz des tapfern Barons zu begeben, um keinen
Druck der Polizei und Censur zu fühlen.


zeugt, daß dieselbe Gesinnung auch alle seine Standesgenossen be¬
seele".

Fürwahr, Preußens Alleinherrscher mag sich in Acht nehmen vor
unserm westfälischen Adel. Die schlesischen Weberunruhen und die
finanziellen Kriselt, die Aufstände in Posen und die Kirchmessen in
Cöln dürfen ihm nicht so viele Besorgnis; einstoßen, als die Ritterbank
des westfälischen Landtages!!

Doch hören wir den Mirabeau Westfalens weiter: „Er versetze
sich im Geiste zurück in die Zeiten des Mittelalters und der Vehme,
wo Recht und Gerechtigkeit nicht zu finden gewesen im heiligen römi^
sehen Reiche, es sei denn bei der westfälischen Ritterschaft und dem
Kurfürsten von Cöln. Er gehe über auf die Gegenwart und schlage
die Gesetzsammlung auf. Er finde da eine Urkunde, worin der Adel
eine Matter um den Thron genannt werde. Allerdings müsse der
Adel eine solche Mauer bilden, aber eine Mauer, sowohl nach Rechts,
wie nach Links, eine Mauer, nicht blos gegen revolutionaire Angriffe
auf den Thron, sondern auch eine Mauer, um alle Klaffen des Volkes
zu schirmen gegen Eingriffe, sie mochten auch kommen, woher sie
wollten." —

Was will man mehr verlangen? Wie kann man anstehen,
Deutschland und speciell Westfalen das glücklichste und sicherste Land
unter der Sonne zu nennen? Warum wendet sich denn noch das
Auge so manches Patrioten nur mit Thränen auf sein Vaterland, das
ja der Landrath von Hagen mit seinen adligen Vettern und Muhmen
„gegen alle Angriffe, woher sie auch kommen mögen", zu schützen und
zu schirmen bereit ist? Warum irrt so mancher edle Deutsche tu der
Fremde umher, gleich dem Odysseus der Fabel, und sucht jenseits des
Oceans Freiheit und Vaterland, das er daheim nicht finden konnte?
Ihr politischen Flüchtlinge aus der Wartburger, Hambacher, Frank-
furter und Göttinger Periode, ihr kühnen Sänger Herwegh und Frei-
ltgrath, ihr wackern Badenser, von Itzstein und Hecker, warum haltet
ihr euch so fern von Preußen? Ihr gehört ja dem Volke an, um
welches sich der westfälische Adel als schützende Mauer erhebt; ihr
habt von keinem heimlichen Gerichte, von keiner polizeilichen Brutalität
etwas zu fürchten. Schade, daß Börne eher gestorben war, als der
Freiherr von Vincke Landrath wurde, sonst wäre er nicht gezwungen
gewesen, einsam und freudlos in der Fremde zu sterben; er brauchte
sich nur in den Schutz des tapfern Barons zu begeben, um keinen
Druck der Polizei und Censur zu fühlen.


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[0371] zeugt, daß dieselbe Gesinnung auch alle seine Standesgenossen be¬ seele". Fürwahr, Preußens Alleinherrscher mag sich in Acht nehmen vor unserm westfälischen Adel. Die schlesischen Weberunruhen und die finanziellen Kriselt, die Aufstände in Posen und die Kirchmessen in Cöln dürfen ihm nicht so viele Besorgnis; einstoßen, als die Ritterbank des westfälischen Landtages!! Doch hören wir den Mirabeau Westfalens weiter: „Er versetze sich im Geiste zurück in die Zeiten des Mittelalters und der Vehme, wo Recht und Gerechtigkeit nicht zu finden gewesen im heiligen römi^ sehen Reiche, es sei denn bei der westfälischen Ritterschaft und dem Kurfürsten von Cöln. Er gehe über auf die Gegenwart und schlage die Gesetzsammlung auf. Er finde da eine Urkunde, worin der Adel eine Matter um den Thron genannt werde. Allerdings müsse der Adel eine solche Mauer bilden, aber eine Mauer, sowohl nach Rechts, wie nach Links, eine Mauer, nicht blos gegen revolutionaire Angriffe auf den Thron, sondern auch eine Mauer, um alle Klaffen des Volkes zu schirmen gegen Eingriffe, sie mochten auch kommen, woher sie wollten." — Was will man mehr verlangen? Wie kann man anstehen, Deutschland und speciell Westfalen das glücklichste und sicherste Land unter der Sonne zu nennen? Warum wendet sich denn noch das Auge so manches Patrioten nur mit Thränen auf sein Vaterland, das ja der Landrath von Hagen mit seinen adligen Vettern und Muhmen „gegen alle Angriffe, woher sie auch kommen mögen", zu schützen und zu schirmen bereit ist? Warum irrt so mancher edle Deutsche tu der Fremde umher, gleich dem Odysseus der Fabel, und sucht jenseits des Oceans Freiheit und Vaterland, das er daheim nicht finden konnte? Ihr politischen Flüchtlinge aus der Wartburger, Hambacher, Frank- furter und Göttinger Periode, ihr kühnen Sänger Herwegh und Frei- ltgrath, ihr wackern Badenser, von Itzstein und Hecker, warum haltet ihr euch so fern von Preußen? Ihr gehört ja dem Volke an, um welches sich der westfälische Adel als schützende Mauer erhebt; ihr habt von keinem heimlichen Gerichte, von keiner polizeilichen Brutalität etwas zu fürchten. Schade, daß Börne eher gestorben war, als der Freiherr von Vincke Landrath wurde, sonst wäre er nicht gezwungen gewesen, einsam und freudlos in der Fremde zu sterben; er brauchte sich nur in den Schutz des tapfern Barons zu begeben, um keinen Druck der Polizei und Censur zu fühlen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/371>, abgerufen am 24.07.2024.