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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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des Ansehens der Triester Börse kennend, und überzeugt, daß nur durch
kräftige Mittel die ruhige Ordnung dieses jedem Kaufmanne so wichtigen
Ortes aufrecht erhalten werden könne, bestätigte nicht allein den früheren
Ausspruch des Börsen-Vorstandes hinsichtlich der Viertausend Gulden,
sondern verschärfte die Strafe auch noch durch Zuerkennung von Arrest.
Es mußte ein Beispiel gegeben werden, um sogleich für immer von ähn¬
lichen Vorfallen zurückzuschrecken. Nun blieb dem Verurtheilren noch der
Recurs an die oberste Hofstelle übrig; diesen ergriff er und die Entschei¬
dung lautete: Der Verurtheilte habe dreihundert Gulden zu zahlen, und
die Gefängnisistrafe wird annullirtü! Sie können denken, welches Auf¬
sehen dieser Entscheid der Hofstelle in Triest machte! Man gab dem,
welcher der Triester Börse den Schimpf angethan, sie zum Orte eines
thätlichen Angriffes zu machen, gewissermaßen Schutz gegen die Börsen-
Deputation, den Verein der ehrenwerthesten, einflußreichsten Kaufleute,
und selbst dem Triester Gubernium gegenüber. Graf Stadion, auf das
Höchste überrascht von diesem Entscheide, machte bei der Hofstelle auf
die Nachtheile aufmerksam, welche eine solche Compromittirung des Gu-
berniums bei den Einwohnern zur Folge haben müsse*), bat um Zurück¬
nahme dieses Befehls und um Bestätigung des früheren Urtheils. Da¬
rauf kam der Befehl, das Urtheil der Hofstelle habe in Kraft zu bleiben,
und Graf Stadion erklärte: er werde seine Stelle niederlegen, wenn man
ihn compromittire. Auf diese Eingabe erhielt er nun gar keine Antwort,
worauf er nach Wien kam, und in die Hände des Monarchen seine De¬
mission gab. Allerdings, nach der Stellung unserer Wiener Börse zu
urtheilen, war jenes Vergehen kein so bedeutendes, weil es hier nicht
zu den Seltenheiten gehört, was an anderen Börsen zu dem schmachvoll¬
sten Betragen gezählt und darnach behandelt würde, weil die Wiener
Börse, statt der geweihte Herd eines soliden, großartigen Geschäftes zu
sein, ein Tummelplatz schmuziger Agiotage geworden ist, wo vagirende
Eommis und Ladendiener einen großen Theil der Besucher bilden. Wenn
man nun an die großartige Triester Börse den Maßstab der hiesigen
legte, da konnte es freilich für keine so große Sache gelten, wenn ein
"Börsianer" dem andern eine Ohrfeige gibt, und es wäre nach hiesigen
Börsenbcgriffen allerdings zu hart bestraft gewesen, dafür eine so bedeu¬
tende Geldbuße und Gefängnisistrafe zu decretiren. Uebrigens ist es schwer
zu glauben, daß bei dem Grafen Stadion nicht noch ein anderer tiefer
liegende Grund viel gewirkt haben muß; denn sonst ist man bei uns



") Dies ist eine sonderbare Einwendung! Avr diesem Gesichtspunkte aus
wären alle Appellationebehbrden überflüssig, weil durch einen abweichenden A°u?-
Ipruch die untere Behörde "compvomitlirt^ würdr. Wie gesagt, es scheint in dein
Berichte unsere" geehrten Herrn Evrrcspvndenten ein Misiverständniß zu herrschen.
Uebrigens lesen wir so eben in einer Korrespondenz, daß Graf Stadion zum
Handelsminister bestimmt sei und dnsi der Rücktritt vo" seinem Gouvcrncui i,poster
und seine Reise nach London mit diesem in Verbindung stehe. Dis üd die
ewre
D.' R. übrigen Gerüchte allerdings widerlegen.

des Ansehens der Triester Börse kennend, und überzeugt, daß nur durch
kräftige Mittel die ruhige Ordnung dieses jedem Kaufmanne so wichtigen
Ortes aufrecht erhalten werden könne, bestätigte nicht allein den früheren
Ausspruch des Börsen-Vorstandes hinsichtlich der Viertausend Gulden,
sondern verschärfte die Strafe auch noch durch Zuerkennung von Arrest.
Es mußte ein Beispiel gegeben werden, um sogleich für immer von ähn¬
lichen Vorfallen zurückzuschrecken. Nun blieb dem Verurtheilren noch der
Recurs an die oberste Hofstelle übrig; diesen ergriff er und die Entschei¬
dung lautete: Der Verurtheilte habe dreihundert Gulden zu zahlen, und
die Gefängnisistrafe wird annullirtü! Sie können denken, welches Auf¬
sehen dieser Entscheid der Hofstelle in Triest machte! Man gab dem,
welcher der Triester Börse den Schimpf angethan, sie zum Orte eines
thätlichen Angriffes zu machen, gewissermaßen Schutz gegen die Börsen-
Deputation, den Verein der ehrenwerthesten, einflußreichsten Kaufleute,
und selbst dem Triester Gubernium gegenüber. Graf Stadion, auf das
Höchste überrascht von diesem Entscheide, machte bei der Hofstelle auf
die Nachtheile aufmerksam, welche eine solche Compromittirung des Gu-
berniums bei den Einwohnern zur Folge haben müsse*), bat um Zurück¬
nahme dieses Befehls und um Bestätigung des früheren Urtheils. Da¬
rauf kam der Befehl, das Urtheil der Hofstelle habe in Kraft zu bleiben,
und Graf Stadion erklärte: er werde seine Stelle niederlegen, wenn man
ihn compromittire. Auf diese Eingabe erhielt er nun gar keine Antwort,
worauf er nach Wien kam, und in die Hände des Monarchen seine De¬
mission gab. Allerdings, nach der Stellung unserer Wiener Börse zu
urtheilen, war jenes Vergehen kein so bedeutendes, weil es hier nicht
zu den Seltenheiten gehört, was an anderen Börsen zu dem schmachvoll¬
sten Betragen gezählt und darnach behandelt würde, weil die Wiener
Börse, statt der geweihte Herd eines soliden, großartigen Geschäftes zu
sein, ein Tummelplatz schmuziger Agiotage geworden ist, wo vagirende
Eommis und Ladendiener einen großen Theil der Besucher bilden. Wenn
man nun an die großartige Triester Börse den Maßstab der hiesigen
legte, da konnte es freilich für keine so große Sache gelten, wenn ein
„Börsianer" dem andern eine Ohrfeige gibt, und es wäre nach hiesigen
Börsenbcgriffen allerdings zu hart bestraft gewesen, dafür eine so bedeu¬
tende Geldbuße und Gefängnisistrafe zu decretiren. Uebrigens ist es schwer
zu glauben, daß bei dem Grafen Stadion nicht noch ein anderer tiefer
liegende Grund viel gewirkt haben muß; denn sonst ist man bei uns



») Dies ist eine sonderbare Einwendung! Avr diesem Gesichtspunkte aus
wären alle Appellationebehbrden überflüssig, weil durch einen abweichenden A°u?-
Ipruch die untere Behörde „compvomitlirt^ würdr. Wie gesagt, es scheint in dein
Berichte unsere« geehrten Herrn Evrrcspvndenten ein Misiverständniß zu herrschen.
Uebrigens lesen wir so eben in einer Korrespondenz, daß Graf Stadion zum
Handelsminister bestimmt sei und dnsi der Rücktritt vo» seinem Gouvcrncui i,poster
und seine Reise nach London mit diesem in Verbindung stehe. Dis üd die
ewre
D.' R. übrigen Gerüchte allerdings widerlegen.
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[0361] des Ansehens der Triester Börse kennend, und überzeugt, daß nur durch kräftige Mittel die ruhige Ordnung dieses jedem Kaufmanne so wichtigen Ortes aufrecht erhalten werden könne, bestätigte nicht allein den früheren Ausspruch des Börsen-Vorstandes hinsichtlich der Viertausend Gulden, sondern verschärfte die Strafe auch noch durch Zuerkennung von Arrest. Es mußte ein Beispiel gegeben werden, um sogleich für immer von ähn¬ lichen Vorfallen zurückzuschrecken. Nun blieb dem Verurtheilren noch der Recurs an die oberste Hofstelle übrig; diesen ergriff er und die Entschei¬ dung lautete: Der Verurtheilte habe dreihundert Gulden zu zahlen, und die Gefängnisistrafe wird annullirtü! Sie können denken, welches Auf¬ sehen dieser Entscheid der Hofstelle in Triest machte! Man gab dem, welcher der Triester Börse den Schimpf angethan, sie zum Orte eines thätlichen Angriffes zu machen, gewissermaßen Schutz gegen die Börsen- Deputation, den Verein der ehrenwerthesten, einflußreichsten Kaufleute, und selbst dem Triester Gubernium gegenüber. Graf Stadion, auf das Höchste überrascht von diesem Entscheide, machte bei der Hofstelle auf die Nachtheile aufmerksam, welche eine solche Compromittirung des Gu- berniums bei den Einwohnern zur Folge haben müsse*), bat um Zurück¬ nahme dieses Befehls und um Bestätigung des früheren Urtheils. Da¬ rauf kam der Befehl, das Urtheil der Hofstelle habe in Kraft zu bleiben, und Graf Stadion erklärte: er werde seine Stelle niederlegen, wenn man ihn compromittire. Auf diese Eingabe erhielt er nun gar keine Antwort, worauf er nach Wien kam, und in die Hände des Monarchen seine De¬ mission gab. Allerdings, nach der Stellung unserer Wiener Börse zu urtheilen, war jenes Vergehen kein so bedeutendes, weil es hier nicht zu den Seltenheiten gehört, was an anderen Börsen zu dem schmachvoll¬ sten Betragen gezählt und darnach behandelt würde, weil die Wiener Börse, statt der geweihte Herd eines soliden, großartigen Geschäftes zu sein, ein Tummelplatz schmuziger Agiotage geworden ist, wo vagirende Eommis und Ladendiener einen großen Theil der Besucher bilden. Wenn man nun an die großartige Triester Börse den Maßstab der hiesigen legte, da konnte es freilich für keine so große Sache gelten, wenn ein „Börsianer" dem andern eine Ohrfeige gibt, und es wäre nach hiesigen Börsenbcgriffen allerdings zu hart bestraft gewesen, dafür eine so bedeu¬ tende Geldbuße und Gefängnisistrafe zu decretiren. Uebrigens ist es schwer zu glauben, daß bei dem Grafen Stadion nicht noch ein anderer tiefer liegende Grund viel gewirkt haben muß; denn sonst ist man bei uns ») Dies ist eine sonderbare Einwendung! Avr diesem Gesichtspunkte aus wären alle Appellationebehbrden überflüssig, weil durch einen abweichenden A°u?- Ipruch die untere Behörde „compvomitlirt^ würdr. Wie gesagt, es scheint in dein Berichte unsere« geehrten Herrn Evrrcspvndenten ein Misiverständniß zu herrschen. Uebrigens lesen wir so eben in einer Korrespondenz, daß Graf Stadion zum Handelsminister bestimmt sei und dnsi der Rücktritt vo» seinem Gouvcrncui i,poster und seine Reise nach London mit diesem in Verbindung stehe. Dis üd die ewre D.' R. übrigen Gerüchte allerdings widerlegen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/361>, abgerufen am 24.07.2024.