Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.nickten Allgem. Zeitung) -- in mehreren scharfe!, Artikeln aus Prag Ich weiß nicht, wie weit diese Wahrheit die böhmischen Stände 44-i-
nickten Allgem. Zeitung) — in mehreren scharfe!, Artikeln aus Prag Ich weiß nicht, wie weit diese Wahrheit die böhmischen Stände 44-i-
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183356"/> <p xml:id="ID_994" prev="#ID_993"> nickten Allgem. Zeitung) — in mehreren scharfe!, Artikeln aus Prag<lb/> gegen die Thätigkeit der böhmischen Stände — freilich nicht in büreau-<lb/> kratischen Sinne — volemisirt. Und doch liegt grade in der Ausbil¬<lb/> dung und Stärkung der ständischen Macht der eigentliche Keim zur<lb/> Besserung unserer in so vielen Punkten faulen Zustände. Mag vor<lb/> der Hand das aristokratische Element bei den Ständen vorwalten, ist<lb/> d«r Srändeschaft erst ihr altes gutes Recht wieder gesichert, so wird<lb/> der vierte Stand von selbst darin Platz greifen und seine Wurzeln sind<lb/> zu mächtig im modernen Staat, seine Allianz zu entscheidend, als daß<lb/> die Aristokratie nicht selbst um seinen Beistand sich bewerben sollte.<lb/> Das Beispiel Englands, wo doch die aristokratische Gewalt eine viel<lb/> tiefere und ältere ist, beweist hinlänglich, wie ohnmächtig sie da ist,<lb/> wo sie sich egoistisch vereinzelt. In Oesterreich aber, wo das Stände-<lb/> thum eben erst in der neuesten Zeit seine Flügel zu heben sucht, muß<lb/> es sich eben durch alle Elemente der modernen Staatselemente zu er¬<lb/> gänzen suchen und der Tieröetat und der vierte Stand ist in solcher<lb/> Lage, daß Stände und Bureaukratie gleichzeitig um ihn sich bewerben<lb/> müssen, und jene sich selbst das Todesurtheil schreiben würden, wenn<lb/> sie ihre Interessen von den seinigen trennen wollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_995" next="#ID_996"> Ich weiß nicht, wie weit diese Wahrheit die böhmischen Stände<lb/> bereits durchdrungen hat. Bei den niederösterreichischen Ständen ist<lb/> sie vollständig anerkannt. Während in Böhmen bisher nur vier<lb/> Städte am Landtage ihre Deputirten haben, sitzen im Kreise der nie¬<lb/> derösterreichischen Landstände neunzehn bürgerliche Vertreter, wodurch<lb/> schon an und für sich eine größere Anerkennung seit alten Zeiten aus¬<lb/> gesprochen ist. Freilich herrschte bisher die lächerliche Form, daß diese<lb/> städtischen Repräsentanten bei den Berathungen über die Vorschläge<lb/> und Postulate des Landesfürsten nicht zugegen sein durften. Aber es<lb/> soll ja überhaupt nicht g'leugnet werden, daß der Landtag in man¬<lb/> chen Punkten hinter der Zeit zurückgeblieben ist. Hätten die Landstände<lb/> ihre ihnen zustehende Thätigkeit überhaupt nicht durch eine Reihe von<lb/> Jahren unverzeihlich verschlafen und erlahmen lassen, so hätte sich von<lb/> selbst eine zeitgemäße Reform eingestellt. Jetzt wo nach langem<lb/> Schlaft die Ständeschast sich wieder erhebt, versucht sie natürlich vor¬<lb/> erst die Rechte ihrer Eristenz zu reclamiren und den Umfang der ihr<lb/> zustehenden Thätigkeit zu beweisen. Hat sie erst diese wieder erobert<lb/> und gesichert, so wird eine Erweiterung der ständischen Berechtigung<lb/> ihre nächste Aufgabe sein müssen! Haben doch die Stände ihre neuere<lb/> Thätigkeit so vom A. B. C. an beginnen müssen, daß sie erst von der</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 44-i-</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0335]
nickten Allgem. Zeitung) — in mehreren scharfe!, Artikeln aus Prag
gegen die Thätigkeit der böhmischen Stände — freilich nicht in büreau-
kratischen Sinne — volemisirt. Und doch liegt grade in der Ausbil¬
dung und Stärkung der ständischen Macht der eigentliche Keim zur
Besserung unserer in so vielen Punkten faulen Zustände. Mag vor
der Hand das aristokratische Element bei den Ständen vorwalten, ist
d«r Srändeschaft erst ihr altes gutes Recht wieder gesichert, so wird
der vierte Stand von selbst darin Platz greifen und seine Wurzeln sind
zu mächtig im modernen Staat, seine Allianz zu entscheidend, als daß
die Aristokratie nicht selbst um seinen Beistand sich bewerben sollte.
Das Beispiel Englands, wo doch die aristokratische Gewalt eine viel
tiefere und ältere ist, beweist hinlänglich, wie ohnmächtig sie da ist,
wo sie sich egoistisch vereinzelt. In Oesterreich aber, wo das Stände-
thum eben erst in der neuesten Zeit seine Flügel zu heben sucht, muß
es sich eben durch alle Elemente der modernen Staatselemente zu er¬
gänzen suchen und der Tieröetat und der vierte Stand ist in solcher
Lage, daß Stände und Bureaukratie gleichzeitig um ihn sich bewerben
müssen, und jene sich selbst das Todesurtheil schreiben würden, wenn
sie ihre Interessen von den seinigen trennen wollten.
Ich weiß nicht, wie weit diese Wahrheit die böhmischen Stände
bereits durchdrungen hat. Bei den niederösterreichischen Ständen ist
sie vollständig anerkannt. Während in Böhmen bisher nur vier
Städte am Landtage ihre Deputirten haben, sitzen im Kreise der nie¬
derösterreichischen Landstände neunzehn bürgerliche Vertreter, wodurch
schon an und für sich eine größere Anerkennung seit alten Zeiten aus¬
gesprochen ist. Freilich herrschte bisher die lächerliche Form, daß diese
städtischen Repräsentanten bei den Berathungen über die Vorschläge
und Postulate des Landesfürsten nicht zugegen sein durften. Aber es
soll ja überhaupt nicht g'leugnet werden, daß der Landtag in man¬
chen Punkten hinter der Zeit zurückgeblieben ist. Hätten die Landstände
ihre ihnen zustehende Thätigkeit überhaupt nicht durch eine Reihe von
Jahren unverzeihlich verschlafen und erlahmen lassen, so hätte sich von
selbst eine zeitgemäße Reform eingestellt. Jetzt wo nach langem
Schlaft die Ständeschast sich wieder erhebt, versucht sie natürlich vor¬
erst die Rechte ihrer Eristenz zu reclamiren und den Umfang der ihr
zustehenden Thätigkeit zu beweisen. Hat sie erst diese wieder erobert
und gesichert, so wird eine Erweiterung der ständischen Berechtigung
ihre nächste Aufgabe sein müssen! Haben doch die Stände ihre neuere
Thätigkeit so vom A. B. C. an beginnen müssen, daß sie erst von der
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