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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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heuer Vertheilung auch für den Staat einträglicher bezahlen, als grade
diese Auflage, welche lähmend meist nur das Innere der kleinen Haus¬
haltungen trifft. Dann tragen auch die bei diesen Acciscämtern An¬
gestellten nicht wenig dazu bei, um diese Steuer so verhaßt als möglich
zu machen. Meist den unteren, ja manchmal den untersten Klassen an¬
gehörend, wird er, sobald er eintritt und seine Uniform anzieht, ein kai¬
serlicher Beamter, und man muß diese Leute kennen, um zu wissen, was
dieses Wort bei ihnen ausmacht. Sie werden dann sogleich, wie alle
kleinen Beamten, bis auf das Ekelhafteste unterthänig gegen ihre Vor¬
gesetzten, und bis auf das Aeußerste grob gegen Alle, mit denen sie in
Amtshandlung treten müssen, das arme Volk, meist die Weiber, läßt sich
Alles von ihnen gefallen,, weil es fast noch größere Chikanen fürchten
muß, gegen welche es für den Armen keine Beschwerde, keine Appellation
gibt, denn er weiß nicht, an wen sich wenden, und dann gibt ihm sein
furchtsamer, aber praktischer Verstand schon die Lehre ein: es nützt ja
ohnehin nichts, denn ein Beamter thut dem andern nichts!

Um die Mitte des Septembers beginnt der siebenbürgische Landtag,
immer so ein Vorspiel und Vorläufer des ungarischen, und im November
ist das große Jubiläumsfest der funfzigjährigen Amtswürde des Pala¬
tins, da träumt man in gewissen Kreisen immer noch davon, der Palatin
werde sein Amt niederlegen, es werde zur neuen Palatinwahl geschrit¬
ten werden, und nach dem Rechte der Stände würden sie diesmal keinen
Sa-iiserlichen Prinzen, sondern einen bereits auch als Gelehrten vielgenann¬
ten hohen Cavalier wählen! Aber man thut sehr Unrecht viel auf sol¬
ches Gerede, solche Gerüchte zu horchen, es ist in der Hauptsache so we¬
nig Wahres daran, als an dem Gerede, welches bereits einige Tage hier
circulirt, als würde der Erzherzog Ludwig seine Stellung -- als Stell¬
vertreter des Kaisers -- niederlegen.

Das vielbesprochene holländische Schiff "^n>8leid"in en Weono" ist
nun seit Sonntag Vormittag auch in unseren Leopoldstädter Donau-Ca-
nal eingelaufen, und sah bei seiner Ankunft Tausende von Menschen aus
den Kais versammelt. Die Franzensbrücke war mit Wappen, Guir¬
landen und Fahnen in den Farben Holland's, Baiern's und Oesterreich'S
geschmückt, von der Brücke aus glänzte ein großes Willkommen entge¬
gen, und am Quai vor dem Zollhause war ein Zelt für die erwarteten
und anwesenden Autoritäten aufgeschlagen. Es waren jedoch außer dem
Niederländischen Gesandten und Consul sehr wenig Beamte zugegen, von
hiesigen Hochwürdenträgern Niemand -- man hatte davon gesprochen,
daß ein Prinz und Baron Kübel das Schiff empfangen würden! Das
Schiff ist in seinen Dimensionen sehr klein, aber zierlich gebaut, die
Fracht wird bereits hier gelöscht. Viel Gewinn kann bei dieser Reise
nicht heraussehen, denn das Schiff hat eine ziemlich starke Bemannung,
nicht mehr als etwas über 900 Car. Ladung und ist bereits 5t Tage
auf der Reise. Wenn der Donau-Main-Canal nicht größere Lasten tra¬
gen kann, so wird er nur innerhalb seines Kreises mit Vortheil befahren
werden können; bei größeren Tonnen brauchen Schisse so viel, als die


heuer Vertheilung auch für den Staat einträglicher bezahlen, als grade
diese Auflage, welche lähmend meist nur das Innere der kleinen Haus¬
haltungen trifft. Dann tragen auch die bei diesen Acciscämtern An¬
gestellten nicht wenig dazu bei, um diese Steuer so verhaßt als möglich
zu machen. Meist den unteren, ja manchmal den untersten Klassen an¬
gehörend, wird er, sobald er eintritt und seine Uniform anzieht, ein kai¬
serlicher Beamter, und man muß diese Leute kennen, um zu wissen, was
dieses Wort bei ihnen ausmacht. Sie werden dann sogleich, wie alle
kleinen Beamten, bis auf das Ekelhafteste unterthänig gegen ihre Vor¬
gesetzten, und bis auf das Aeußerste grob gegen Alle, mit denen sie in
Amtshandlung treten müssen, das arme Volk, meist die Weiber, läßt sich
Alles von ihnen gefallen,, weil es fast noch größere Chikanen fürchten
muß, gegen welche es für den Armen keine Beschwerde, keine Appellation
gibt, denn er weiß nicht, an wen sich wenden, und dann gibt ihm sein
furchtsamer, aber praktischer Verstand schon die Lehre ein: es nützt ja
ohnehin nichts, denn ein Beamter thut dem andern nichts!

Um die Mitte des Septembers beginnt der siebenbürgische Landtag,
immer so ein Vorspiel und Vorläufer des ungarischen, und im November
ist das große Jubiläumsfest der funfzigjährigen Amtswürde des Pala¬
tins, da träumt man in gewissen Kreisen immer noch davon, der Palatin
werde sein Amt niederlegen, es werde zur neuen Palatinwahl geschrit¬
ten werden, und nach dem Rechte der Stände würden sie diesmal keinen
Sa-iiserlichen Prinzen, sondern einen bereits auch als Gelehrten vielgenann¬
ten hohen Cavalier wählen! Aber man thut sehr Unrecht viel auf sol¬
ches Gerede, solche Gerüchte zu horchen, es ist in der Hauptsache so we¬
nig Wahres daran, als an dem Gerede, welches bereits einige Tage hier
circulirt, als würde der Erzherzog Ludwig seine Stellung — als Stell¬
vertreter des Kaisers — niederlegen.

Das vielbesprochene holländische Schiff „^n>8leid»in en Weono" ist
nun seit Sonntag Vormittag auch in unseren Leopoldstädter Donau-Ca-
nal eingelaufen, und sah bei seiner Ankunft Tausende von Menschen aus
den Kais versammelt. Die Franzensbrücke war mit Wappen, Guir¬
landen und Fahnen in den Farben Holland's, Baiern's und Oesterreich'S
geschmückt, von der Brücke aus glänzte ein großes Willkommen entge¬
gen, und am Quai vor dem Zollhause war ein Zelt für die erwarteten
und anwesenden Autoritäten aufgeschlagen. Es waren jedoch außer dem
Niederländischen Gesandten und Consul sehr wenig Beamte zugegen, von
hiesigen Hochwürdenträgern Niemand — man hatte davon gesprochen,
daß ein Prinz und Baron Kübel das Schiff empfangen würden! Das
Schiff ist in seinen Dimensionen sehr klein, aber zierlich gebaut, die
Fracht wird bereits hier gelöscht. Viel Gewinn kann bei dieser Reise
nicht heraussehen, denn das Schiff hat eine ziemlich starke Bemannung,
nicht mehr als etwas über 900 Car. Ladung und ist bereits 5t Tage
auf der Reise. Wenn der Donau-Main-Canal nicht größere Lasten tra¬
gen kann, so wird er nur innerhalb seines Kreises mit Vortheil befahren
werden können; bei größeren Tonnen brauchen Schisse so viel, als die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/319>, abgerufen am 04.07.2024.