Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.er erhob sich gegen alle Gottheiten und machte das blos brutale "Ich" zu Es ist also die Auflösung der Philosophie vollkommen klar. Ber¬ Und unter diese gährenden, sich gegenseitig persistirenden und er erhob sich gegen alle Gottheiten und machte das blos brutale „Ich" zu Es ist also die Auflösung der Philosophie vollkommen klar. Ber¬ Und unter diese gährenden, sich gegenseitig persistirenden und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183316"/> <p xml:id="ID_884" prev="#ID_883"> er erhob sich gegen alle Gottheiten und machte das blos brutale „Ich" zu<lb/> seiner Gottheit. Er predigte den iveitesten Egoismlls. Aber sein „Ich",<lb/> welches er nicht coneret hinstellen konnte, ging ihm wieder zu einer<lb/> allgemeine» Abstraktion auseinander. Er kämpfte mit Geist gegen den<lb/> „Geist". So weit war es mit dem Auflösungsprozesse unserer Phi¬<lb/> losophie gekommen. Aber auch über Stirner ging in der neusten Zeit<lb/> noch wieder ein Anderer hinaus. In dem Buche „Verstandesthum<lb/> und Individuum" wird Stirner als Mystiker behandelt und von<lb/> Bruno Bauer wird gesagt, er habe durch seine Schriften nur zur<lb/> Verherrlichung der christlichen Religion beigetragen!!! Die Philosophie<lb/> war jetzt dahin gekommen, in die möglichst größte „Geistlostgleit"<lb/> einen besonderen Vorzug zu setzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_885"> Es ist also die Auflösung der Philosophie vollkommen klar. Ber¬<lb/> lin war der Boden, auf dein dieselbe gezeitigt wurde. Man ist auf<lb/> demselben Standpunkt angekommen, auf den die Sophisten des Alter¬<lb/> thums, auf dem die Scholastiker des MittelcilterS ankamen. Zu einem<lb/> Possenspiel, in dem nicht der Ernst der Wahrheit und der Ueberzeu¬<lb/> gung, sondern nur die größere Kunst der Dialektik Triumphe feiert.<lb/> Bruno Bauer hat noch seinen Ernst, seine Ueberzeugung, ja seinen<lb/> Fanatismus, er hat noch seine Gottheit, die „Kritik". Aber Alles,<lb/> was über ihn hinausgeht, ist kaum noch anders, als eine Komödie<lb/> zu betrachten lind will kaum auch noch anders betrachtet sein.<lb/> Daß diese Ertravaganzen, diese philosophischen Debatten und Heraus¬<lb/> forderungen für die Entwicklung des Lebens eben sowohl ohne Be-<lb/> deutung, wie ohne Interesse sind, braucht kaum uoch hinzugesetzt zu<lb/> werden. —</p><lb/> <p xml:id="ID_886" next="#ID_887"> Und unter diese gährenden, sich gegenseitig persistirenden und<lb/> veriiichtendeil Elemente setzte man einen alten Mann mit einem berühm¬<lb/> ten Namen und gab ihm den Auftrag, dieses Chaos zu beschwören,<lb/> dieses Meer zu besänftigen. Was war natürlicher, als daß seine<lb/> Mission scheitern mußte u>,6 daß er in Berlin durchaus nichts Anderes<lb/> erreichte, als eine ganz isolirte Stellung? Wie konnte Schelling<lb/> Glauben finden, wo Hegel schon Stück für Stück aufgelöset wurde?<lb/> Seine Anschauungen und seine Offenbarungen konnten da nicht anders<lb/> als vollkommen wirkungslos bleiben, wo der Anfang, von dem<lb/> die Auflösung der modernen Philosophie ausgegangen, wo Hegel sel¬<lb/> ber schon in dem direktesten Widerspruch zu denselben gestanden hatte.<lb/> So kann man denn sagen, daß Schelling's Stellung in Berlin eine</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0295]
er erhob sich gegen alle Gottheiten und machte das blos brutale „Ich" zu
seiner Gottheit. Er predigte den iveitesten Egoismlls. Aber sein „Ich",
welches er nicht coneret hinstellen konnte, ging ihm wieder zu einer
allgemeine» Abstraktion auseinander. Er kämpfte mit Geist gegen den
„Geist". So weit war es mit dem Auflösungsprozesse unserer Phi¬
losophie gekommen. Aber auch über Stirner ging in der neusten Zeit
noch wieder ein Anderer hinaus. In dem Buche „Verstandesthum
und Individuum" wird Stirner als Mystiker behandelt und von
Bruno Bauer wird gesagt, er habe durch seine Schriften nur zur
Verherrlichung der christlichen Religion beigetragen!!! Die Philosophie
war jetzt dahin gekommen, in die möglichst größte „Geistlostgleit"
einen besonderen Vorzug zu setzen.
Es ist also die Auflösung der Philosophie vollkommen klar. Ber¬
lin war der Boden, auf dein dieselbe gezeitigt wurde. Man ist auf
demselben Standpunkt angekommen, auf den die Sophisten des Alter¬
thums, auf dem die Scholastiker des MittelcilterS ankamen. Zu einem
Possenspiel, in dem nicht der Ernst der Wahrheit und der Ueberzeu¬
gung, sondern nur die größere Kunst der Dialektik Triumphe feiert.
Bruno Bauer hat noch seinen Ernst, seine Ueberzeugung, ja seinen
Fanatismus, er hat noch seine Gottheit, die „Kritik". Aber Alles,
was über ihn hinausgeht, ist kaum noch anders, als eine Komödie
zu betrachten lind will kaum auch noch anders betrachtet sein.
Daß diese Ertravaganzen, diese philosophischen Debatten und Heraus¬
forderungen für die Entwicklung des Lebens eben sowohl ohne Be-
deutung, wie ohne Interesse sind, braucht kaum uoch hinzugesetzt zu
werden. —
Und unter diese gährenden, sich gegenseitig persistirenden und
veriiichtendeil Elemente setzte man einen alten Mann mit einem berühm¬
ten Namen und gab ihm den Auftrag, dieses Chaos zu beschwören,
dieses Meer zu besänftigen. Was war natürlicher, als daß seine
Mission scheitern mußte u>,6 daß er in Berlin durchaus nichts Anderes
erreichte, als eine ganz isolirte Stellung? Wie konnte Schelling
Glauben finden, wo Hegel schon Stück für Stück aufgelöset wurde?
Seine Anschauungen und seine Offenbarungen konnten da nicht anders
als vollkommen wirkungslos bleiben, wo der Anfang, von dem
die Auflösung der modernen Philosophie ausgegangen, wo Hegel sel¬
ber schon in dem direktesten Widerspruch zu denselben gestanden hatte.
So kann man denn sagen, daß Schelling's Stellung in Berlin eine
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