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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Was in Oesterreich noch von Licht und Leben ist, das verdanken wir Jo¬
seph und dem verdankt Oesterreich seine Erhaltung und Dauer. Die blind
wüthende Opposition gegen die kaiserlichen Reformen war weit weniger
eine Wirkung dieser Reformen, als vielmehr eine Folge der langen Knech¬
tung und Verdammung derVölker. Das Schicksal Joseph's hatte also von
dem alten Systeme abschrecken, nicht aber zu demselben zurückführen sol¬
len. Heutzutage ist im Geiste und Gemüth der Völker lebendig, was
damals der edle Kaiser einsam und allein gedacht und gewollt. Seine
damaligen Wünsche sind jetzt die heißeste Sehnsucht der Völker. Alles
was die jetzige Opposition in Oesterreich tadelt, was sie verwirft und
verlangt, das tadelt, verwirft und wünscht sie im Geiste Joseph's. --

-- Die Zeitungen haben es auf Heinrich Heine abgesehen. Kaum
wurde die Lügennachricht von seiner Erkrankung in einem Pariser Irren¬
haus auf ihren Werth zurückgeführt, so tischt man wieder die Nachricht
von seinem Tode in der Schweiz auf. Das Komischste bei der Sache
war, daß >in demselben Tage, wo die Deutsche Allgem. Ztg. die Todes¬
anzeige aus der Schweiz (vom I. August datirt) brachte, die Augsbg.
Allgem. Zeit, eine Correspondenz aus Bareges datirt vom 26. Juli aus
Heine's Feder selbst und mit seinem wohlbekannten IHe Zeichen
enthielt, worin er sich über das aufgesprengte Mährchen von seiner Jr-
renhauswohnung lustig macht. Wenn Heine sogleich, nachdem er die Feder
ausgespritzt, mit der diese Correspondenz für die Augsburger Allgem. Ztg.
geschrieben, rasch Postpferde genommen hätte, um in der Schweiz nach
dem Willen der Deutschen Allgem. Zeit, zu sterben, so hätte er dem Po¬
stillon für jede Station mehr Trinkgeld geben müssen als die Deutsche
Allgemeine für eine Correspondenz Honorar bezahlt. Mit gewöhnlichen
Trinkgeldern wäre er nicht zur rechten Zeit angekommen. Daß die Deut¬
sche Allgem. Zeitung die allarmirende Lügenpost brachte, würden wir ihr
nicht verargen; irren ist -- zeitunglich! Aber nachdem sie erst 14 Tage
früher eine falsche Nachricht über dieselbe Person gebracht hat, durfte
man bei der neuen Ente wenigstens ein eingeschobenes Fragezeichen von
der Redaction erwarten. Herr Prof. Butan scheint aber auf Leben und
Tod eines unserer größten Dichter so wenig Werth zu legen, daß er es
nicht einmal der Mühe werth hielt, vorn im Jnhaltsverzeichniß der be¬
treffenden Nummer des Heinischen Todes Erwähnung zu thun. Heine
ist allerdings ein großer Sünder; indessen hat sogar die Preußische All¬
gemeine, welche jene Todes-Nachricht nachdruckte, es angemessen gefunden,
in ihrem Jnhaltsverzeichniß ihm ein Kreuz zu spenden: Heine -j-.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

Was in Oesterreich noch von Licht und Leben ist, das verdanken wir Jo¬
seph und dem verdankt Oesterreich seine Erhaltung und Dauer. Die blind
wüthende Opposition gegen die kaiserlichen Reformen war weit weniger
eine Wirkung dieser Reformen, als vielmehr eine Folge der langen Knech¬
tung und Verdammung derVölker. Das Schicksal Joseph's hatte also von
dem alten Systeme abschrecken, nicht aber zu demselben zurückführen sol¬
len. Heutzutage ist im Geiste und Gemüth der Völker lebendig, was
damals der edle Kaiser einsam und allein gedacht und gewollt. Seine
damaligen Wünsche sind jetzt die heißeste Sehnsucht der Völker. Alles
was die jetzige Opposition in Oesterreich tadelt, was sie verwirft und
verlangt, das tadelt, verwirft und wünscht sie im Geiste Joseph's. —

— Die Zeitungen haben es auf Heinrich Heine abgesehen. Kaum
wurde die Lügennachricht von seiner Erkrankung in einem Pariser Irren¬
haus auf ihren Werth zurückgeführt, so tischt man wieder die Nachricht
von seinem Tode in der Schweiz auf. Das Komischste bei der Sache
war, daß >in demselben Tage, wo die Deutsche Allgem. Ztg. die Todes¬
anzeige aus der Schweiz (vom I. August datirt) brachte, die Augsbg.
Allgem. Zeit, eine Correspondenz aus Bareges datirt vom 26. Juli aus
Heine's Feder selbst und mit seinem wohlbekannten IHe Zeichen
enthielt, worin er sich über das aufgesprengte Mährchen von seiner Jr-
renhauswohnung lustig macht. Wenn Heine sogleich, nachdem er die Feder
ausgespritzt, mit der diese Correspondenz für die Augsburger Allgem. Ztg.
geschrieben, rasch Postpferde genommen hätte, um in der Schweiz nach
dem Willen der Deutschen Allgem. Zeit, zu sterben, so hätte er dem Po¬
stillon für jede Station mehr Trinkgeld geben müssen als die Deutsche
Allgemeine für eine Correspondenz Honorar bezahlt. Mit gewöhnlichen
Trinkgeldern wäre er nicht zur rechten Zeit angekommen. Daß die Deut¬
sche Allgem. Zeitung die allarmirende Lügenpost brachte, würden wir ihr
nicht verargen; irren ist — zeitunglich! Aber nachdem sie erst 14 Tage
früher eine falsche Nachricht über dieselbe Person gebracht hat, durfte
man bei der neuen Ente wenigstens ein eingeschobenes Fragezeichen von
der Redaction erwarten. Herr Prof. Butan scheint aber auf Leben und
Tod eines unserer größten Dichter so wenig Werth zu legen, daß er es
nicht einmal der Mühe werth hielt, vorn im Jnhaltsverzeichniß der be¬
treffenden Nummer des Heinischen Todes Erwähnung zu thun. Heine
ist allerdings ein großer Sünder; indessen hat sogar die Preußische All¬
gemeine, welche jene Todes-Nachricht nachdruckte, es angemessen gefunden,
in ihrem Jnhaltsverzeichniß ihm ein Kreuz zu spenden: Heine -j-.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0280] Was in Oesterreich noch von Licht und Leben ist, das verdanken wir Jo¬ seph und dem verdankt Oesterreich seine Erhaltung und Dauer. Die blind wüthende Opposition gegen die kaiserlichen Reformen war weit weniger eine Wirkung dieser Reformen, als vielmehr eine Folge der langen Knech¬ tung und Verdammung derVölker. Das Schicksal Joseph's hatte also von dem alten Systeme abschrecken, nicht aber zu demselben zurückführen sol¬ len. Heutzutage ist im Geiste und Gemüth der Völker lebendig, was damals der edle Kaiser einsam und allein gedacht und gewollt. Seine damaligen Wünsche sind jetzt die heißeste Sehnsucht der Völker. Alles was die jetzige Opposition in Oesterreich tadelt, was sie verwirft und verlangt, das tadelt, verwirft und wünscht sie im Geiste Joseph's. — — Die Zeitungen haben es auf Heinrich Heine abgesehen. Kaum wurde die Lügennachricht von seiner Erkrankung in einem Pariser Irren¬ haus auf ihren Werth zurückgeführt, so tischt man wieder die Nachricht von seinem Tode in der Schweiz auf. Das Komischste bei der Sache war, daß >in demselben Tage, wo die Deutsche Allgem. Ztg. die Todes¬ anzeige aus der Schweiz (vom I. August datirt) brachte, die Augsbg. Allgem. Zeit, eine Correspondenz aus Bareges datirt vom 26. Juli aus Heine's Feder selbst und mit seinem wohlbekannten IHe Zeichen enthielt, worin er sich über das aufgesprengte Mährchen von seiner Jr- renhauswohnung lustig macht. Wenn Heine sogleich, nachdem er die Feder ausgespritzt, mit der diese Correspondenz für die Augsburger Allgem. Ztg. geschrieben, rasch Postpferde genommen hätte, um in der Schweiz nach dem Willen der Deutschen Allgem. Zeit, zu sterben, so hätte er dem Po¬ stillon für jede Station mehr Trinkgeld geben müssen als die Deutsche Allgemeine für eine Correspondenz Honorar bezahlt. Mit gewöhnlichen Trinkgeldern wäre er nicht zur rechten Zeit angekommen. Daß die Deut¬ sche Allgem. Zeitung die allarmirende Lügenpost brachte, würden wir ihr nicht verargen; irren ist — zeitunglich! Aber nachdem sie erst 14 Tage früher eine falsche Nachricht über dieselbe Person gebracht hat, durfte man bei der neuen Ente wenigstens ein eingeschobenes Fragezeichen von der Redaction erwarten. Herr Prof. Butan scheint aber auf Leben und Tod eines unserer größten Dichter so wenig Werth zu legen, daß er es nicht einmal der Mühe werth hielt, vorn im Jnhaltsverzeichniß der be¬ treffenden Nummer des Heinischen Todes Erwähnung zu thun. Heine ist allerdings ein großer Sünder; indessen hat sogar die Preußische All¬ gemeine, welche jene Todes-Nachricht nachdruckte, es angemessen gefunden, in ihrem Jnhaltsverzeichniß ihm ein Kreuz zu spenden: Heine -j-. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/280>, abgerufen am 24.07.2024.