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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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sich mit der Politik vereinigen läßt, zuerkennen muß, von guten Folgen.
Personen, welche den geheimen Staatsverhandlungen nahe stehen, schildern
die Ansicht des ehemaligen Ministers des Innern folgendermaßen. Als
die Reichsständefrage zum ersten Male wieder aus's Tapet kam, war Graf
Arnim entschieden dagegen. Entweder -- sagte er -- Preußen muß bei
Einführung einer Repräsentativrcgierung einen ganzen Schritt thun oder
gar keinen; entweder eine vollständige Eonstitution mit zwei Kammern
und Alles was daran sich knüpft nach englischem und französischen Mu¬
ster, oder beschränkte Provinzialstände in der bisherigen Form. Da nun
der Conservatismus überhaupt die Nothwendigkeit einer Abänderung des
absoluten Staatsprincips in ein repräsentatives für unnöthig und gefähr¬
lich erklärt, so versteht sich von selbst, daß das bisherige System als das
durchaus Beizubehaltende erklärt wurde. Mittlerweile aber hat die Ve"
fassungsfrage doch sich festgesetzt und nun soll Graf Arnim seiner Alter¬
native treu geblieben sein, indem er behauptet, daß wenn einmal die Ver¬
fassung doch geändert werden soll, der volle Schritt ganz allein Preu¬
ßens würdig sei. Diese Ansicht hat in den eingeweihten Kreisen mehr
Anhänger als man vermuthen sollte. Nichtsdestoweniger ist die Zahl,
die für die geringste Ausdehnung des Reprasentativrechts stimmen, wie
natürlich, die größte und überwiegendste. Und in dieser engzugeschnittencn
Form kreuzen sich nun die verschiedensten Entwürfe und Vorschlage. Da
man die ausgebildeten Formen der großen constitutionellen Länder nun
einmal nicht adoptiren mag, so bleibt der Phantasie und dem Erfin¬
dungsgeiste eines jeden einzelnen Rathgebers um so mehr Spielraum.
Wir könnten mehrere dieser einzelnen Pläne in ihren Umrissen hier an¬
deuten, wenn nicht einer dem andern widersprechen würde. Auch sind
derlei Einzelheiten bereits im Publicum bekannt geworden, da Jeder sei¬
nen Vertrauten natürlich seinen Plan als den wahrscheinlichsten mittheilte.
Hieraus lassen sich die vielen Widersprüche in dieser Angelegenheit erklä¬
ren. Ueber den definitiven Beschluß aber verlautet noch keine Sylbe.
Da der König erst seit acht Tagen von seiner Reise zurückgekehrt ist,
und der bekannte Besuch in Königswart zu der definitiven Entschließung
manches Element hinzugefügt, oder wichtiger weggenommen haben mag.
Mit Nachdruck aber wird behauptet, daß eine Manifestation vor dem
ersten Januar stattfinden und die Einberufung sämmtlicher Provinzialstände
nach Berlin (nach einer andern Behauptung nach einer kleinen Stadt)
decretirt werden soll.

An der Universität haben nun die meisten Professoren ihre Vorle¬
sungen geschlossen und die Studentenwelt hat sich bereits nach allen vier
Enden der Welt zerstreut. Für den Wintercursus stellt man eine große
Abnahme unter den Studirenden der Medicin in Aussicht, da viele
nach Wien und Prag sich wenden wo die medicinische Wissenschaft jetzt
in Deutschland die höchste Blüthe haben soll und wo außerdem noch die
großartigsten Spitäler den praktischen Studien am Krankenbette besondern
Vorschub leisten sollen. Die unverfänglichen positiven Wissenschen (s^len-
ees exactes) sollen wahrscheinlich in Oesterreich das wieder g"t machen,


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sich mit der Politik vereinigen läßt, zuerkennen muß, von guten Folgen.
Personen, welche den geheimen Staatsverhandlungen nahe stehen, schildern
die Ansicht des ehemaligen Ministers des Innern folgendermaßen. Als
die Reichsständefrage zum ersten Male wieder aus's Tapet kam, war Graf
Arnim entschieden dagegen. Entweder — sagte er — Preußen muß bei
Einführung einer Repräsentativrcgierung einen ganzen Schritt thun oder
gar keinen; entweder eine vollständige Eonstitution mit zwei Kammern
und Alles was daran sich knüpft nach englischem und französischen Mu¬
ster, oder beschränkte Provinzialstände in der bisherigen Form. Da nun
der Conservatismus überhaupt die Nothwendigkeit einer Abänderung des
absoluten Staatsprincips in ein repräsentatives für unnöthig und gefähr¬
lich erklärt, so versteht sich von selbst, daß das bisherige System als das
durchaus Beizubehaltende erklärt wurde. Mittlerweile aber hat die Ve»
fassungsfrage doch sich festgesetzt und nun soll Graf Arnim seiner Alter¬
native treu geblieben sein, indem er behauptet, daß wenn einmal die Ver¬
fassung doch geändert werden soll, der volle Schritt ganz allein Preu¬
ßens würdig sei. Diese Ansicht hat in den eingeweihten Kreisen mehr
Anhänger als man vermuthen sollte. Nichtsdestoweniger ist die Zahl,
die für die geringste Ausdehnung des Reprasentativrechts stimmen, wie
natürlich, die größte und überwiegendste. Und in dieser engzugeschnittencn
Form kreuzen sich nun die verschiedensten Entwürfe und Vorschlage. Da
man die ausgebildeten Formen der großen constitutionellen Länder nun
einmal nicht adoptiren mag, so bleibt der Phantasie und dem Erfin¬
dungsgeiste eines jeden einzelnen Rathgebers um so mehr Spielraum.
Wir könnten mehrere dieser einzelnen Pläne in ihren Umrissen hier an¬
deuten, wenn nicht einer dem andern widersprechen würde. Auch sind
derlei Einzelheiten bereits im Publicum bekannt geworden, da Jeder sei¬
nen Vertrauten natürlich seinen Plan als den wahrscheinlichsten mittheilte.
Hieraus lassen sich die vielen Widersprüche in dieser Angelegenheit erklä¬
ren. Ueber den definitiven Beschluß aber verlautet noch keine Sylbe.
Da der König erst seit acht Tagen von seiner Reise zurückgekehrt ist,
und der bekannte Besuch in Königswart zu der definitiven Entschließung
manches Element hinzugefügt, oder wichtiger weggenommen haben mag.
Mit Nachdruck aber wird behauptet, daß eine Manifestation vor dem
ersten Januar stattfinden und die Einberufung sämmtlicher Provinzialstände
nach Berlin (nach einer andern Behauptung nach einer kleinen Stadt)
decretirt werden soll.

An der Universität haben nun die meisten Professoren ihre Vorle¬
sungen geschlossen und die Studentenwelt hat sich bereits nach allen vier
Enden der Welt zerstreut. Für den Wintercursus stellt man eine große
Abnahme unter den Studirenden der Medicin in Aussicht, da viele
nach Wien und Prag sich wenden wo die medicinische Wissenschaft jetzt
in Deutschland die höchste Blüthe haben soll und wo außerdem noch die
großartigsten Spitäler den praktischen Studien am Krankenbette besondern
Vorschub leisten sollen. Die unverfänglichen positiven Wissenschen (s^len-
ees exactes) sollen wahrscheinlich in Oesterreich das wieder g»t machen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/271>, abgerufen am 04.07.2024.