Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.Nun, Johann! Nichts Neues? Mehrere Gefangene. Joh. Sobolewski' (traurig). -- Nichts Guts heut -- nach Sibirien -- zwanzig Kibitken Aegota. Wer? Sobolewski. Die Samogitier. Joh. Alle. Sibirien? Johann. Und im Aufzug vor den Leuten. Mehrere. Sie fort! Johann. Ich sahs. Du sahst's! Und meinen Bruder -- Jaeck. Johann. Alle, -- alle! Ich sah es selbst. -- Wir kehrten just zurück, ich bat Nun, Johann! Nichts Neues? Mehrere Gefangene. Joh. Sobolewski' (traurig). — Nichts Guts heut — nach Sibirien — zwanzig Kibitken Aegota. Wer? Sobolewski. Die Samogitier. Joh. Alle. Sibirien? Johann. Und im Aufzug vor den Leuten. Mehrere. Sie fort! Johann. Ich sahs. Du sahst's! Und meinen Bruder — Jaeck. Johann. Alle, — alle! Ich sah es selbst. — Wir kehrten just zurück, ich bat <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183277"/> <p xml:id="ID_755"> Nun, Johann! Nichts Neues?</p><lb/> <note type="speaker"> Mehrere Gefangene.</note><lb/> <note type="speaker"> Joh. Sobolewski'</note><lb/> <stage> (traurig).<lb/> —</stage><lb/> <p xml:id="ID_756"> Nichts Guts heut — nach Sibirien — zwanzig Kibitken<lb/> .Sind fortgefahren.</p><lb/> <note type="speaker"> Aegota.</note><lb/> <p xml:id="ID_757"> Wer?</p><lb/> <p xml:id="ID_758"> Sobolewski. Die Samogitier.</p><lb/> <note type="speaker"> Joh. </note><lb/> <note type="speaker"> Alle. </note><lb/> <p xml:id="ID_759"> Sibirien?</p><lb/> <note type="speaker"> Johann.</note><lb/> <p xml:id="ID_760"> Und im Aufzug vor den Leuten.</p><lb/> <note type="speaker"> Mehrere.</note><lb/> <p xml:id="ID_761"> Sie fort!<lb/> '</p><lb/> <note type="speaker"> Johann. </note><lb/> <p xml:id="ID_762"> Ich sahs.</p><lb/> <p xml:id="ID_763"> Du sahst's! Und meinen Bruder —<lb/> Fuhr man ihn fort? Sie alle?</p><lb/> <note type="speaker"> Jaeck. </note><lb/> <note type="speaker"> Johann. </note><lb/> <p xml:id="ID_764" next="#ID_765"> Alle, — alle!</p><lb/> <p xml:id="ID_765" prev="#ID_764" next="#ID_766"> Ich sah es selbst. — Wir kehrten just zurück, ich bat<lb/> Den Corxoral 'nen Augenblick zu zögern.<lb/> Und barg mich an der Kirche Säulen. Drinnen<lb/> War eben Messe und viel Volks versammelt.<lb/> Da strömten plötzlich all' heraus, gedrängt.<lb/> Nach dem Gefängniß. Ich stand in der Halle,<lb/> Leer war die Kirche, so daß in der Tief' ich sah<lb/> Den Priester mit dem Kelch, den Knaben mit der Klingel.<lb/> Das Volk umzog den Kerker, wie ein Wall,<lb/> Vom Thor bis auf den Platz, als gält's ein Fest;<lb/> Das Heer mit Waff' und Trommel stand in Reih'n,<lb/> Inmitten die Kibitken. Her vom Platze sprengt'<lb/> Der Polizmeister; an der, Miene hättest Du<lb/> Erkannt den Mann, den Führer des Triumphs.<lb/> Man rührt die Trommel, 's öffnet sich das Rathhaus,<lb/> Mit Bajonnetten holt man Jeden, bringt<lb/> Die Knaben, mager, alle wie Rekruten,<lb/> Den Kopf rasirt, — und Eisen an den Füßen.<lb/> Die armen Seelen! — Und zehn Jahr der Jüngste;<lb/> Er klagte, daß zu schwer ihm sei die Kette;<lb/> Und zeigt den blutbedeckten, nackten Fuß.<lb/> Der Polizmeister hört's, fragt, was er wünscht;<lb/> Gar menschlich hat er selbst beseh'n die Kette:<lb/> „Zehn Pfund, das ist der Vorschrift ganz gemäß." —<lb/> Janczewski kam; ich kannt' ihn, er ward häßlich,<lb/> Schwarz, mager, doch es sprach aus ihm was Edles.<lb/> Vor einem Jahr ein leichter schöner Knabe,<lb/> schaut er aus der Kibitke, wie aus düstrem Felsen,<lb/> Ein Kaiser! — stolz, mit rrocknem, heit'rem Auge.<lb/> Er schien zu trösten seines Bann's Genossen,<lb/> Dann grüßt er rings mit bitt'rem, mildem Lächeln;<lb/> Als sagt' er: es bekümmert mich nicht sehr.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0256]
Nun, Johann! Nichts Neues?
Mehrere Gefangene.
Joh. Sobolewski'
(traurig).
—
Nichts Guts heut — nach Sibirien — zwanzig Kibitken
.Sind fortgefahren.
Aegota.
Wer?
Sobolewski. Die Samogitier.
Joh.
Alle.
Sibirien?
Johann.
Und im Aufzug vor den Leuten.
Mehrere.
Sie fort!
'
Johann.
Ich sahs.
Du sahst's! Und meinen Bruder —
Fuhr man ihn fort? Sie alle?
Jaeck.
Johann.
Alle, — alle!
Ich sah es selbst. — Wir kehrten just zurück, ich bat
Den Corxoral 'nen Augenblick zu zögern.
Und barg mich an der Kirche Säulen. Drinnen
War eben Messe und viel Volks versammelt.
Da strömten plötzlich all' heraus, gedrängt.
Nach dem Gefängniß. Ich stand in der Halle,
Leer war die Kirche, so daß in der Tief' ich sah
Den Priester mit dem Kelch, den Knaben mit der Klingel.
Das Volk umzog den Kerker, wie ein Wall,
Vom Thor bis auf den Platz, als gält's ein Fest;
Das Heer mit Waff' und Trommel stand in Reih'n,
Inmitten die Kibitken. Her vom Platze sprengt'
Der Polizmeister; an der, Miene hättest Du
Erkannt den Mann, den Führer des Triumphs.
Man rührt die Trommel, 's öffnet sich das Rathhaus,
Mit Bajonnetten holt man Jeden, bringt
Die Knaben, mager, alle wie Rekruten,
Den Kopf rasirt, — und Eisen an den Füßen.
Die armen Seelen! — Und zehn Jahr der Jüngste;
Er klagte, daß zu schwer ihm sei die Kette;
Und zeigt den blutbedeckten, nackten Fuß.
Der Polizmeister hört's, fragt, was er wünscht;
Gar menschlich hat er selbst beseh'n die Kette:
„Zehn Pfund, das ist der Vorschrift ganz gemäß." —
Janczewski kam; ich kannt' ihn, er ward häßlich,
Schwarz, mager, doch es sprach aus ihm was Edles.
Vor einem Jahr ein leichter schöner Knabe,
schaut er aus der Kibitke, wie aus düstrem Felsen,
Ein Kaiser! — stolz, mit rrocknem, heit'rem Auge.
Er schien zu trösten seines Bann's Genossen,
Dann grüßt er rings mit bitt'rem, mildem Lächeln;
Als sagt' er: es bekümmert mich nicht sehr.
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