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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Herzlichkeit behandelt, ist gewiß glücklich gewählt, oder -- wie man
nach einer Anmerkung des Verfassers wohl sagen darf -- zweckmäßig
erlebt. Da aber die Situation damit abschließt, daß die Italienerin
in dem Deutschen einen Freund findet, mit dem sie sich am Abende
gern ihres verstorbenen Gatten erinnern mag, so bietet dieselbe keines¬
wegs jene Fülle von poetischen Beziehungen dar, welche man erwar¬
tet, da die Erinnerung an Goethe's römische Elegien zu nahe liegt.

Bernhard von Lepel muß überdies der Vorwurf gemacht werden,
daß er, anstatt den entsprechenden Stoff einfach und sinnig mit dem
ersten Gedichte auch äußerlich abzuschließen, den Leser während einer
ganzen Reihe von Fortsetzungen in der Erwartung eines eigentlichen
Liebesverhältnisses erhält. Gewiß hat er es sich selbst zuzuschreiben,
wenn seine Wittwe von Capri den Leser in eine frivole Stimmung
versetzen sollte, die selbst Goethe in seinen Elegien trotz der Freiheiten,
die er sich gestattet, vermieden hat. Im Ganzen ist jedoch Bernhard
von Lepel eine erfreuliche Erscheinung in unserer poetischen Literatur
und verdient seinen Platz in den Gedichtsammlungen, die wir so eben
durchflogen haben, sogleich nach Gottfried Keller. >


Heinrich Pröhle.


Herzlichkeit behandelt, ist gewiß glücklich gewählt, oder — wie man
nach einer Anmerkung des Verfassers wohl sagen darf — zweckmäßig
erlebt. Da aber die Situation damit abschließt, daß die Italienerin
in dem Deutschen einen Freund findet, mit dem sie sich am Abende
gern ihres verstorbenen Gatten erinnern mag, so bietet dieselbe keines¬
wegs jene Fülle von poetischen Beziehungen dar, welche man erwar¬
tet, da die Erinnerung an Goethe's römische Elegien zu nahe liegt.

Bernhard von Lepel muß überdies der Vorwurf gemacht werden,
daß er, anstatt den entsprechenden Stoff einfach und sinnig mit dem
ersten Gedichte auch äußerlich abzuschließen, den Leser während einer
ganzen Reihe von Fortsetzungen in der Erwartung eines eigentlichen
Liebesverhältnisses erhält. Gewiß hat er es sich selbst zuzuschreiben,
wenn seine Wittwe von Capri den Leser in eine frivole Stimmung
versetzen sollte, die selbst Goethe in seinen Elegien trotz der Freiheiten,
die er sich gestattet, vermieden hat. Im Ganzen ist jedoch Bernhard
von Lepel eine erfreuliche Erscheinung in unserer poetischen Literatur
und verdient seinen Platz in den Gedichtsammlungen, die wir so eben
durchflogen haben, sogleich nach Gottfried Keller. >


Heinrich Pröhle.


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[0250] Herzlichkeit behandelt, ist gewiß glücklich gewählt, oder — wie man nach einer Anmerkung des Verfassers wohl sagen darf — zweckmäßig erlebt. Da aber die Situation damit abschließt, daß die Italienerin in dem Deutschen einen Freund findet, mit dem sie sich am Abende gern ihres verstorbenen Gatten erinnern mag, so bietet dieselbe keines¬ wegs jene Fülle von poetischen Beziehungen dar, welche man erwar¬ tet, da die Erinnerung an Goethe's römische Elegien zu nahe liegt. Bernhard von Lepel muß überdies der Vorwurf gemacht werden, daß er, anstatt den entsprechenden Stoff einfach und sinnig mit dem ersten Gedichte auch äußerlich abzuschließen, den Leser während einer ganzen Reihe von Fortsetzungen in der Erwartung eines eigentlichen Liebesverhältnisses erhält. Gewiß hat er es sich selbst zuzuschreiben, wenn seine Wittwe von Capri den Leser in eine frivole Stimmung versetzen sollte, die selbst Goethe in seinen Elegien trotz der Freiheiten, die er sich gestattet, vermieden hat. Im Ganzen ist jedoch Bernhard von Lepel eine erfreuliche Erscheinung in unserer poetischen Literatur und verdient seinen Platz in den Gedichtsammlungen, die wir so eben durchflogen haben, sogleich nach Gottfried Keller. > Heinrich Pröhle.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/250>, abgerufen am 24.07.2024.