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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Rührend ist das Gedicht vom König und Bettler. Der König
war finster und unglücklich, aber

Kurz, er war sehr glücklich und ich war es nicht minder als ich
das Buch zuschlug. --

Heute begegne ich einer Landsmännin, Louise Aston. Ich er¬
innere mich noch recht gut, wie wir Primaner oder sekundärer uns
von ihrer Hochzeit mit einem reichen Engländer erzählten, und bellte
-- tritt sie mir in ihren "Wilden Rosen" als eine Emancipirte ent¬
gegen.

Einigen von diesen zwölf Gedichten, welche zuweilen stark an
Karl Beck erinnern (s. z. V. S. 21.) kann man eine bedeutende Mei¬
sterschaft in der Form nicht absprechen. Dem Gedichte: letzter ^rose,
fehlt es nicht an Bilderpracht, und Wohllaut findet man z. B. auch
in folgende," Worten, mit denen sie die Liebe begrüßt:

Doch ich will bet der bloßen Form nicht stehen bleiben. Jeder
Vers des Liedes, dem diese Worte entnommen sind, schließt mit dem
Refrain:

Freiem Lieben, freiem Leben,
Hab' ich ewig mich ergeben.

Die Idee von der "freien Liebe", die sich allenfalls zur philoso¬
phischen Diskussion eignen mag, an eine Stelle zu setzen, wo man
sonst nur den Juvivallera'6 der deutschen Studenten und Worten von
einem gewissen musikalischen Klänge begegnet, zu denen man lieber
singen als denken und lieber pfeifen als singen soll; das Evangelium
von der Emancipation des Weibes zu einem Refrain zu verarbeiten,
wozu man sonst nur Gedanken benutzt, zu denen der große Haufen
Chorus macht, weil über dieselben Poeten und Philister einig sind wie
z. B.: das Kanapee ist mein Vergnügen, d. h. doch wahrlich die
Perlen vor die Säue werfen und zeigt ebenso wenig von einem poe¬
tischen als von weiblichem Zartgefühl.


Rührend ist das Gedicht vom König und Bettler. Der König
war finster und unglücklich, aber

Kurz, er war sehr glücklich und ich war es nicht minder als ich
das Buch zuschlug. —

Heute begegne ich einer Landsmännin, Louise Aston. Ich er¬
innere mich noch recht gut, wie wir Primaner oder sekundärer uns
von ihrer Hochzeit mit einem reichen Engländer erzählten, und bellte
— tritt sie mir in ihren „Wilden Rosen" als eine Emancipirte ent¬
gegen.

Einigen von diesen zwölf Gedichten, welche zuweilen stark an
Karl Beck erinnern (s. z. V. S. 21.) kann man eine bedeutende Mei¬
sterschaft in der Form nicht absprechen. Dem Gedichte: letzter ^rose,
fehlt es nicht an Bilderpracht, und Wohllaut findet man z. B. auch
in folgende,» Worten, mit denen sie die Liebe begrüßt:

Doch ich will bet der bloßen Form nicht stehen bleiben. Jeder
Vers des Liedes, dem diese Worte entnommen sind, schließt mit dem
Refrain:

Freiem Lieben, freiem Leben,
Hab' ich ewig mich ergeben.

Die Idee von der „freien Liebe", die sich allenfalls zur philoso¬
phischen Diskussion eignen mag, an eine Stelle zu setzen, wo man
sonst nur den Juvivallera'6 der deutschen Studenten und Worten von
einem gewissen musikalischen Klänge begegnet, zu denen man lieber
singen als denken und lieber pfeifen als singen soll; das Evangelium
von der Emancipation des Weibes zu einem Refrain zu verarbeiten,
wozu man sonst nur Gedanken benutzt, zu denen der große Haufen
Chorus macht, weil über dieselben Poeten und Philister einig sind wie
z. B.: das Kanapee ist mein Vergnügen, d. h. doch wahrlich die
Perlen vor die Säue werfen und zeigt ebenso wenig von einem poe¬
tischen als von weiblichem Zartgefühl.


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[0245] Rührend ist das Gedicht vom König und Bettler. Der König war finster und unglücklich, aber Kurz, er war sehr glücklich und ich war es nicht minder als ich das Buch zuschlug. — Heute begegne ich einer Landsmännin, Louise Aston. Ich er¬ innere mich noch recht gut, wie wir Primaner oder sekundärer uns von ihrer Hochzeit mit einem reichen Engländer erzählten, und bellte — tritt sie mir in ihren „Wilden Rosen" als eine Emancipirte ent¬ gegen. Einigen von diesen zwölf Gedichten, welche zuweilen stark an Karl Beck erinnern (s. z. V. S. 21.) kann man eine bedeutende Mei¬ sterschaft in der Form nicht absprechen. Dem Gedichte: letzter ^rose, fehlt es nicht an Bilderpracht, und Wohllaut findet man z. B. auch in folgende,» Worten, mit denen sie die Liebe begrüßt: Doch ich will bet der bloßen Form nicht stehen bleiben. Jeder Vers des Liedes, dem diese Worte entnommen sind, schließt mit dem Refrain: Freiem Lieben, freiem Leben, Hab' ich ewig mich ergeben. Die Idee von der „freien Liebe", die sich allenfalls zur philoso¬ phischen Diskussion eignen mag, an eine Stelle zu setzen, wo man sonst nur den Juvivallera'6 der deutschen Studenten und Worten von einem gewissen musikalischen Klänge begegnet, zu denen man lieber singen als denken und lieber pfeifen als singen soll; das Evangelium von der Emancipation des Weibes zu einem Refrain zu verarbeiten, wozu man sonst nur Gedanken benutzt, zu denen der große Haufen Chorus macht, weil über dieselben Poeten und Philister einig sind wie z. B.: das Kanapee ist mein Vergnügen, d. h. doch wahrlich die Perlen vor die Säue werfen und zeigt ebenso wenig von einem poe¬ tischen als von weiblichem Zartgefühl.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/245>, abgerufen am 24.07.2024.