Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.den Wiener meist umnebelt, ist die liebenswürdigste Individualität, der Diese mit der Scenerie der Promenade, als obligate Staffage den Wiener meist umnebelt, ist die liebenswürdigste Individualität, der Diese mit der Scenerie der Promenade, als obligate Staffage <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183247"/> <p xml:id="ID_609" prev="#ID_608"> den Wiener meist umnebelt, ist die liebenswürdigste Individualität, der<lb/> man im Bade begegnen kann, er ist mittheilsam, gemüthlich-scharf<lb/> verständig, und doch ohne Anmaßung, doch leider gar selten — ii>ii<lb/> «mit n-me«s in ordo — unangenehm häufig dagegen der österreichische<lb/> Mandarin, nach der Badeliste meistens im Kaffeebäume wohnhaft,<lb/> der seine Schreibtischleiden am Quell vertrinken möchte, doch sel¬<lb/> ten reufsirt, da er selber zum hölzernen Negicrungsutensil geworden<lb/> oder doch mit diesem verwachsen ist, daher ihn der Sprudel vollstän¬<lb/> dig zum Petrefact machte. Er vermag den Partialregenten auch im<lb/> Bade nicht abzustreifen, sein verknöcherter Ideengang ist keiner Ver¬<lb/> jüngung fähig, er bewegt sich wie ein Mühlrad still nach derselben<lb/> Seite hin, auch im Bade besteht seine Zerstreuung, sein Amüsement<lb/> nur darin, das Regierungshandwerk im Kleinen fortzusehen, sich den<lb/> Hof machen zu lassen von den kleinen Mandarin's I«>ol — vom fin¬<lb/> stern Knopfe — und in die Localregierung mitunter täppisch einzu¬<lb/> greifen; so kam es diesmal zu grossem Mißbehagen der Gesellschaft<lb/> vor, daß zwei musikalische Bettler, die ihren Obolus seit Jahren an<lb/> derselben Stelle der Promenade ermusicirten, und den Habitues von<lb/> Karlsbad, wie diese mich versicherten, beinahe zur angenehm gewohn¬<lb/> ten Erscheinung geworden waren, blos deshalb vertrieben werden<lb/> mußten, weil ein Großmandarine Wiens sich darüber mißliebig aus¬<lb/> gesprochen hatte, und des Ungemachs enthoben sein wollte, den ar¬<lb/> men Musikern den Pfennig geben, oder vor Zeugen verweigern-zu<lb/> müssen, ach könnte man den Mann doch auf -drei Monate zum<lb/> Violon verurtheilen!</p><lb/> <p xml:id="ID_610" next="#ID_611"> Diese mit der Scenerie der Promenade, als obligate Staffage<lb/> verwachsenen Armen, die still und anspruchslos, blos in Saitentönen<lb/> ihre Wünsche nach Mildthätigkeit kund gaben, hätten immerhin von<lb/> rauher Mandarinenhand verschont bleiben können, wird man doch auf<lb/> einsamen Promenaden von Bettlern aller Sorten zudringlich und di-<lb/> rect belästigt, und immerhin hätte die Vettelpolizei ihre Wirksamkeit<lb/> gegen diese zunächst bethätigen sollen, auch wäre dieser vorbeugenden<lb/> Rcgierungsbranche die Sorgfalt für möglichste Minderung des ängst¬<lb/> lichen Personals zu Karlsbad dringend zu empfehlen, denn ereignen<lb/> könnte sich's außerdem vielleicht in Kurzem, daß ein Aesculapsjünger<lb/> zur Geige oder Harfe griffe, und den Standort der vertriebenen Mu¬<lb/> sikanten in Anspruch nähme. Achtzehn Aerzte und sieben Wund¬<lb/> ärzte übten diesmal, wie die Badeliste nachwies, das äöculapische<lb/> Handwerk, mit mehr oder weniger Glück, mit mehr oder weniger In-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0226]
den Wiener meist umnebelt, ist die liebenswürdigste Individualität, der
man im Bade begegnen kann, er ist mittheilsam, gemüthlich-scharf
verständig, und doch ohne Anmaßung, doch leider gar selten — ii>ii
«mit n-me«s in ordo — unangenehm häufig dagegen der österreichische
Mandarin, nach der Badeliste meistens im Kaffeebäume wohnhaft,
der seine Schreibtischleiden am Quell vertrinken möchte, doch sel¬
ten reufsirt, da er selber zum hölzernen Negicrungsutensil geworden
oder doch mit diesem verwachsen ist, daher ihn der Sprudel vollstän¬
dig zum Petrefact machte. Er vermag den Partialregenten auch im
Bade nicht abzustreifen, sein verknöcherter Ideengang ist keiner Ver¬
jüngung fähig, er bewegt sich wie ein Mühlrad still nach derselben
Seite hin, auch im Bade besteht seine Zerstreuung, sein Amüsement
nur darin, das Regierungshandwerk im Kleinen fortzusehen, sich den
Hof machen zu lassen von den kleinen Mandarin's I«>ol — vom fin¬
stern Knopfe — und in die Localregierung mitunter täppisch einzu¬
greifen; so kam es diesmal zu grossem Mißbehagen der Gesellschaft
vor, daß zwei musikalische Bettler, die ihren Obolus seit Jahren an
derselben Stelle der Promenade ermusicirten, und den Habitues von
Karlsbad, wie diese mich versicherten, beinahe zur angenehm gewohn¬
ten Erscheinung geworden waren, blos deshalb vertrieben werden
mußten, weil ein Großmandarine Wiens sich darüber mißliebig aus¬
gesprochen hatte, und des Ungemachs enthoben sein wollte, den ar¬
men Musikern den Pfennig geben, oder vor Zeugen verweigern-zu
müssen, ach könnte man den Mann doch auf -drei Monate zum
Violon verurtheilen!
Diese mit der Scenerie der Promenade, als obligate Staffage
verwachsenen Armen, die still und anspruchslos, blos in Saitentönen
ihre Wünsche nach Mildthätigkeit kund gaben, hätten immerhin von
rauher Mandarinenhand verschont bleiben können, wird man doch auf
einsamen Promenaden von Bettlern aller Sorten zudringlich und di-
rect belästigt, und immerhin hätte die Vettelpolizei ihre Wirksamkeit
gegen diese zunächst bethätigen sollen, auch wäre dieser vorbeugenden
Rcgierungsbranche die Sorgfalt für möglichste Minderung des ängst¬
lichen Personals zu Karlsbad dringend zu empfehlen, denn ereignen
könnte sich's außerdem vielleicht in Kurzem, daß ein Aesculapsjünger
zur Geige oder Harfe griffe, und den Standort der vertriebenen Mu¬
sikanten in Anspruch nähme. Achtzehn Aerzte und sieben Wund¬
ärzte übten diesmal, wie die Badeliste nachwies, das äöculapische
Handwerk, mit mehr oder weniger Glück, mit mehr oder weniger In-
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