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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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zielten Procentengesprächen, oft gar Gewichtiges bedeutungsvoll be¬
sprochen, der politische Arzt konnte den heutigen Herzschlag de^r an¬
strebenden Mittelklasse aller Länder beobachten -- konnte zu der Ue¬
berzeugung gelangen, wie schwer es allmälig werden wird diesem
Herzensdrange zu widerstehen, er konnte dagegen bei der Elephan¬
tengesellschaft die Ueberzeugung gewinnen, daß diese stationair geblie¬
ben, in Junkeransicht, in Junkerbildung.

Vor dreißig Jahren, ich wette, sind unter dem Elephantenrüssel
genau dieselben Dinge besprochen, dieselben Zötchen gerissen worden,
wie heute, der alte Kastanienbaum, der wvhlvergoldete Elephant am
Hause, könnten wohl Zeugniß davon geben, wären sie nicht so stoisch
schweigsam, so stumm. Welchen Fortschritt dagegen hat die bürger¬
lich gewerbliche Melonenwelt indessen gemacht, in Ansicht und Ueber¬
zeugung von ihren Ansprüchen, ihrer Geltung, ihrer Macht, wie hat
sie an umfassender Weltansicht gewonnen, und doch hat es Karlsbad
im Jahre 181,8 gerade auf diese Melonenwelt ganz besonders gemünzt,
sie mag nun einmal nicht verdummen.

Man könnte jene Melonengesellschaft als ein improvisirtes deut¬
sches Haus der Gemeinen betrachten, während der Elephant das
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Keiitinm; kleine Krautritter und Portvp";-Junker dort das Stimm-
recht üben, ist doch in diesen das Kastenthum am schärfsten aus¬
geprägt. --

Die große preußische Verfassungsente schwamm fleißig von einem
Hause zum andern, wenn die Elephantengesellschaft ihr die schönsten
Schwungfedern ausgerissen hatte, setzte ihr die Melonengesellschaft
stets neue wieder ein, und so blieb und bleibt das arme Fabelthier
stets in se-le-i. linn. Daß diese Ente einem unbefruchteten Ele des
pariser National entsprossen, durchaus nicht deutschen Ursprungs sei,
wer zweifelt daran, eine Masse bunter Küchlein schwimmt seither durch
deutsche Blätter, doch ein goldnes El legte die französische Ente in
deutschen Boden, einmal wird's doch zum Durchbruche kommen, lind
die Geburtswehen sind durch jene Fabel jedenfalls um ein Halbjahr¬
hundert gekürzt.

Oesterreichische Badegäste minder bemerkbar, weil scheu und
schweigsam, nahmen wenig Theil an den Debatten beider Häuser,
doch that mir's wohl, auch einigen Oesterreichern zu begegnen, welche
die Zeit gereift hat, und unverhohlen beleun' ich's, der wirklich ge¬
bildete Wiener, hat er den banalen Jdeenkreis durchbrochen, welcher


zielten Procentengesprächen, oft gar Gewichtiges bedeutungsvoll be¬
sprochen, der politische Arzt konnte den heutigen Herzschlag de^r an¬
strebenden Mittelklasse aller Länder beobachten — konnte zu der Ue¬
berzeugung gelangen, wie schwer es allmälig werden wird diesem
Herzensdrange zu widerstehen, er konnte dagegen bei der Elephan¬
tengesellschaft die Ueberzeugung gewinnen, daß diese stationair geblie¬
ben, in Junkeransicht, in Junkerbildung.

Vor dreißig Jahren, ich wette, sind unter dem Elephantenrüssel
genau dieselben Dinge besprochen, dieselben Zötchen gerissen worden,
wie heute, der alte Kastanienbaum, der wvhlvergoldete Elephant am
Hause, könnten wohl Zeugniß davon geben, wären sie nicht so stoisch
schweigsam, so stumm. Welchen Fortschritt dagegen hat die bürger¬
lich gewerbliche Melonenwelt indessen gemacht, in Ansicht und Ueber¬
zeugung von ihren Ansprüchen, ihrer Geltung, ihrer Macht, wie hat
sie an umfassender Weltansicht gewonnen, und doch hat es Karlsbad
im Jahre 181,8 gerade auf diese Melonenwelt ganz besonders gemünzt,
sie mag nun einmal nicht verdummen.

Man könnte jene Melonengesellschaft als ein improvisirtes deut¬
sches Haus der Gemeinen betrachten, während der Elephant das
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Keiitinm; kleine Krautritter und Portvp«;-Junker dort das Stimm-
recht üben, ist doch in diesen das Kastenthum am schärfsten aus¬
geprägt. —

Die große preußische Verfassungsente schwamm fleißig von einem
Hause zum andern, wenn die Elephantengesellschaft ihr die schönsten
Schwungfedern ausgerissen hatte, setzte ihr die Melonengesellschaft
stets neue wieder ein, und so blieb und bleibt das arme Fabelthier
stets in se-le-i. linn. Daß diese Ente einem unbefruchteten Ele des
pariser National entsprossen, durchaus nicht deutschen Ursprungs sei,
wer zweifelt daran, eine Masse bunter Küchlein schwimmt seither durch
deutsche Blätter, doch ein goldnes El legte die französische Ente in
deutschen Boden, einmal wird's doch zum Durchbruche kommen, lind
die Geburtswehen sind durch jene Fabel jedenfalls um ein Halbjahr¬
hundert gekürzt.

Oesterreichische Badegäste minder bemerkbar, weil scheu und
schweigsam, nahmen wenig Theil an den Debatten beider Häuser,
doch that mir's wohl, auch einigen Oesterreichern zu begegnen, welche
die Zeit gereift hat, und unverhohlen beleun' ich's, der wirklich ge¬
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[0225] zielten Procentengesprächen, oft gar Gewichtiges bedeutungsvoll be¬ sprochen, der politische Arzt konnte den heutigen Herzschlag de^r an¬ strebenden Mittelklasse aller Länder beobachten — konnte zu der Ue¬ berzeugung gelangen, wie schwer es allmälig werden wird diesem Herzensdrange zu widerstehen, er konnte dagegen bei der Elephan¬ tengesellschaft die Ueberzeugung gewinnen, daß diese stationair geblie¬ ben, in Junkeransicht, in Junkerbildung. Vor dreißig Jahren, ich wette, sind unter dem Elephantenrüssel genau dieselben Dinge besprochen, dieselben Zötchen gerissen worden, wie heute, der alte Kastanienbaum, der wvhlvergoldete Elephant am Hause, könnten wohl Zeugniß davon geben, wären sie nicht so stoisch schweigsam, so stumm. Welchen Fortschritt dagegen hat die bürger¬ lich gewerbliche Melonenwelt indessen gemacht, in Ansicht und Ueber¬ zeugung von ihren Ansprüchen, ihrer Geltung, ihrer Macht, wie hat sie an umfassender Weltansicht gewonnen, und doch hat es Karlsbad im Jahre 181,8 gerade auf diese Melonenwelt ganz besonders gemünzt, sie mag nun einmal nicht verdummen. Man könnte jene Melonengesellschaft als ein improvisirtes deut¬ sches Haus der Gemeinen betrachten, während der Elephant das i-öl'ol-in-lion«« ni I^nrits , ,;ni'!>,e8o,it,.'>,t, wenn auch die miiitti-»in Keiitinm; kleine Krautritter und Portvp«;-Junker dort das Stimm- recht üben, ist doch in diesen das Kastenthum am schärfsten aus¬ geprägt. — Die große preußische Verfassungsente schwamm fleißig von einem Hause zum andern, wenn die Elephantengesellschaft ihr die schönsten Schwungfedern ausgerissen hatte, setzte ihr die Melonengesellschaft stets neue wieder ein, und so blieb und bleibt das arme Fabelthier stets in se-le-i. linn. Daß diese Ente einem unbefruchteten Ele des pariser National entsprossen, durchaus nicht deutschen Ursprungs sei, wer zweifelt daran, eine Masse bunter Küchlein schwimmt seither durch deutsche Blätter, doch ein goldnes El legte die französische Ente in deutschen Boden, einmal wird's doch zum Durchbruche kommen, lind die Geburtswehen sind durch jene Fabel jedenfalls um ein Halbjahr¬ hundert gekürzt. Oesterreichische Badegäste minder bemerkbar, weil scheu und schweigsam, nahmen wenig Theil an den Debatten beider Häuser, doch that mir's wohl, auch einigen Oesterreichern zu begegnen, welche die Zeit gereift hat, und unverhohlen beleun' ich's, der wirklich ge¬ bildete Wiener, hat er den banalen Jdeenkreis durchbrochen, welcher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/225>, abgerufen am 24.07.2024.