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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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i.
Ein Blick auf die preußische Bankangelegeuheit.

Bei der Wichtigkeit, welche die Bankfrage in Preußen nicht nur
durch ihre eigene, materielle Natur, sondern nebenher auch dadurch ge¬
wonnen hat, daß sie zu einer Frage des preußischen Liberalismus gemacht
worden ist, wird eine kurze Darstellung des Ganges, welchen diese An¬
gelegenheit bisher genommen hat, auch in den Grenzboten passend erschei¬
nen. Daß die Regierung nicht umhin konnte, dem sehr dringend aus¬
gesprochenen Verlangen nach einer beträchtlichen Ausdehnung der Bank¬
wirksamkeit in Preußen nachzugeben, darüber waren alle Parteien einig.
Es handelte sich nur darum, ob man die bestehende Regierungsbank er¬
weitern oder eine Privatbank als Landesbank concessioniren, oder endlich
die Errichtung neben einander bestehender Actienbankcn in den verschie¬
denen Provinzen gestatten sollte. Sobald vermuthet werden konnte, daß
die Regierung sich für die erstere Form entscheiden würde, wurden die
beiden letzteren, die ihrer Natur nach noch himmelweit von einander ver¬
schieden sind, von der oppositionellen Presse in Einen Sack zusammen¬
geworfen, und man stellte die Frage so: Regicrungsbank (Staatsbank)
oder Privatbank? Ein Theil derjenigen Partei, welche eine concessionirte
Landesbank wünschte, wußte sich fast der gesammten Zeitungspresse zu
bemächtigen und bildete mittelst unzähliger Eorrespondenzartikel dem der
Sache wenig oder nicht kundigen Publicum ein, daß wer es mit der
Selbstthätigkeit des Volkes halte, auch für die Privatbank stimmen müsse,
und daß es heiße, gegen die Bureaukratie sich erklaren, wenn man sich
gegen die Staatsbank erkläre. Inzwischen ist es eine bekannte That¬
sache, daß das englische Parlament bei Gelegenheit der letzten Berathung
über das engl. Bankwesen der Meinung Sir Robert Peel's beistimmte und das
Recht der Zettelausgabe der Privatbanken möglichst beschränkte, ja solche
Einrichtungen traf, in deren Folge es nach und nach den Privatbanken
ganz entgehen und dem Zettelausgabeamt der Bank von England allein
verbleiben wird. Wenn man nun sieht, daß im "freien Albion" die
Volksvertreter sich in der Bankfrage dem Regicrungsbanksystem zuwen¬
den, so wird man sich wenigstens nicht wundern und es ganz in der
Ordnung finden, daß die preußische Regierung von diesem Systeme nicht


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i.
Ein Blick auf die preußische Bankangelegeuheit.

Bei der Wichtigkeit, welche die Bankfrage in Preußen nicht nur
durch ihre eigene, materielle Natur, sondern nebenher auch dadurch ge¬
wonnen hat, daß sie zu einer Frage des preußischen Liberalismus gemacht
worden ist, wird eine kurze Darstellung des Ganges, welchen diese An¬
gelegenheit bisher genommen hat, auch in den Grenzboten passend erschei¬
nen. Daß die Regierung nicht umhin konnte, dem sehr dringend aus¬
gesprochenen Verlangen nach einer beträchtlichen Ausdehnung der Bank¬
wirksamkeit in Preußen nachzugeben, darüber waren alle Parteien einig.
Es handelte sich nur darum, ob man die bestehende Regierungsbank er¬
weitern oder eine Privatbank als Landesbank concessioniren, oder endlich
die Errichtung neben einander bestehender Actienbankcn in den verschie¬
denen Provinzen gestatten sollte. Sobald vermuthet werden konnte, daß
die Regierung sich für die erstere Form entscheiden würde, wurden die
beiden letzteren, die ihrer Natur nach noch himmelweit von einander ver¬
schieden sind, von der oppositionellen Presse in Einen Sack zusammen¬
geworfen, und man stellte die Frage so: Regicrungsbank (Staatsbank)
oder Privatbank? Ein Theil derjenigen Partei, welche eine concessionirte
Landesbank wünschte, wußte sich fast der gesammten Zeitungspresse zu
bemächtigen und bildete mittelst unzähliger Eorrespondenzartikel dem der
Sache wenig oder nicht kundigen Publicum ein, daß wer es mit der
Selbstthätigkeit des Volkes halte, auch für die Privatbank stimmen müsse,
und daß es heiße, gegen die Bureaukratie sich erklaren, wenn man sich
gegen die Staatsbank erkläre. Inzwischen ist es eine bekannte That¬
sache, daß das englische Parlament bei Gelegenheit der letzten Berathung
über das engl. Bankwesen der Meinung Sir Robert Peel's beistimmte und das
Recht der Zettelausgabe der Privatbanken möglichst beschränkte, ja solche
Einrichtungen traf, in deren Folge es nach und nach den Privatbanken
ganz entgehen und dem Zettelausgabeamt der Bank von England allein
verbleiben wird. Wenn man nun sieht, daß im „freien Albion" die
Volksvertreter sich in der Bankfrage dem Regicrungsbanksystem zuwen¬
den, so wird man sich wenigstens nicht wundern und es ganz in der
Ordnung finden, daß die preußische Regierung von diesem Systeme nicht


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[0178] T a g e b u es. i. Ein Blick auf die preußische Bankangelegeuheit. Bei der Wichtigkeit, welche die Bankfrage in Preußen nicht nur durch ihre eigene, materielle Natur, sondern nebenher auch dadurch ge¬ wonnen hat, daß sie zu einer Frage des preußischen Liberalismus gemacht worden ist, wird eine kurze Darstellung des Ganges, welchen diese An¬ gelegenheit bisher genommen hat, auch in den Grenzboten passend erschei¬ nen. Daß die Regierung nicht umhin konnte, dem sehr dringend aus¬ gesprochenen Verlangen nach einer beträchtlichen Ausdehnung der Bank¬ wirksamkeit in Preußen nachzugeben, darüber waren alle Parteien einig. Es handelte sich nur darum, ob man die bestehende Regierungsbank er¬ weitern oder eine Privatbank als Landesbank concessioniren, oder endlich die Errichtung neben einander bestehender Actienbankcn in den verschie¬ denen Provinzen gestatten sollte. Sobald vermuthet werden konnte, daß die Regierung sich für die erstere Form entscheiden würde, wurden die beiden letzteren, die ihrer Natur nach noch himmelweit von einander ver¬ schieden sind, von der oppositionellen Presse in Einen Sack zusammen¬ geworfen, und man stellte die Frage so: Regicrungsbank (Staatsbank) oder Privatbank? Ein Theil derjenigen Partei, welche eine concessionirte Landesbank wünschte, wußte sich fast der gesammten Zeitungspresse zu bemächtigen und bildete mittelst unzähliger Eorrespondenzartikel dem der Sache wenig oder nicht kundigen Publicum ein, daß wer es mit der Selbstthätigkeit des Volkes halte, auch für die Privatbank stimmen müsse, und daß es heiße, gegen die Bureaukratie sich erklaren, wenn man sich gegen die Staatsbank erkläre. Inzwischen ist es eine bekannte That¬ sache, daß das englische Parlament bei Gelegenheit der letzten Berathung über das engl. Bankwesen der Meinung Sir Robert Peel's beistimmte und das Recht der Zettelausgabe der Privatbanken möglichst beschränkte, ja solche Einrichtungen traf, in deren Folge es nach und nach den Privatbanken ganz entgehen und dem Zettelausgabeamt der Bank von England allein verbleiben wird. Wenn man nun sieht, daß im „freien Albion" die Volksvertreter sich in der Bankfrage dem Regicrungsbanksystem zuwen¬ den, so wird man sich wenigstens nicht wundern und es ganz in der Ordnung finden, daß die preußische Regierung von diesem Systeme nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/178>, abgerufen am 04.07.2024.