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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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lischen, ja der nordamerikanischen Schisföinannschaftensich aus diesen Be¬
völkerungen rekrutirt und auch hier die wahre Stärke und Uebermacht des
Auslands auf deutscher Grundlage ruht; weiß es nicht, daß, wäre nur erst
die deutsche Flotte gebaut, die Bemannung der deutschen Flotte weder ihre
Musterrolle noch ihre E^erciermeister aus einer Schreibstube deö mär¬
kischen Sandes, noch weniger aber vollends ihren Admiral bei den ihre
alten Lehnsgebieter und den letzten Stab ihrer dürftigen Hoffnungen
verachtenden Dänen zu holen brauchte. Dies Seemannövolk der nie¬
dersächsischen Küste ist eine anerkannte Perle des deutschen Namens,
stark, treu, nüchtern, intelligent, ohne vielgeschäftig zu sein; wenn es
sich mit ausländischem Beispiel und Wesen nicht zu viel eingelassen,
auch keusch, besonders die, welche nicht gefahren, d. h. über See
gegangen, sondern da, wo sie aufgewachsen, auch geblieben sind und
die mühseligen Werke des Meeres auf heimischem Strande getrieben
haben. Nur Eins ist diesen starken und freien Männern fatal: der
Soldatendienst zu Lande; sie sehen in ihm ein Zwangsleben, eine
Knechtschaft, eine die freie Brust einschnürende Pedanterei. Und ha¬
ben sie Unrecht, vollends wie ein immer wieder hereindrohendeö Jun-
kerthum den Militärdienst neuerdings zu gestalten sucht? Der größte
Theil der oldenburgischen und hannöverschen Deserteure sind Matro¬
sen, die dem alten, treuen Elemente wieder zulaufen und lieber im
fernen, weiten Weltmeere, als in der engen Uniform eingesargt sein
wollen. Uebrigens macht man hier zu Lande, und muß machen einen
sehr bezeichnenden Unterschied zwischen Fluß- und Seeschiffen, zu un¬
bedingtem sittlichen Vorzüge der letztern. Die auf Weser und Elbe
die Zwischenfahrten besorgenden sogenannten Lichter- oder Kahnschiffer
sind eine ungleich eigennützigere, verschmitztere, minder mäßige, minder so¬
lide, freilich auch minder einfache und arme Menschenrasse; die Zwi¬
schenfahrt bringt auf allerlei Kniffe, Schmuggel, Waarenunterschlag,
Gaunereien, und in den letzten Jahren gab es vor dem Criminalge-
richte zu Bremen langwierige und weitläuftige Untersuchungen über
um sich greifende und selbst den sonst felsenfesten Credit bremischer
Verlader ohne deren mindeste Schuld in Gefahr bringende Unterschleife
und Betrügereien, die, unter Connivenz, ja unter Mithilfe einzelner
Waarenaufseher und Gastwirthe, von Kahnschiffern der Weserufer ver¬
übt worden. Ein auf solchem Fundamente in vielen Jahren schwer
reichgewordener Gastgeber und Spcculant im oldenburgischen Hafen¬
orte Brake bildete für diese weisskäuferische Industrie den Mittelpunkt
und die Seele; er hat zwischen den Metamorphosen eines vielbewegten


lischen, ja der nordamerikanischen Schisföinannschaftensich aus diesen Be¬
völkerungen rekrutirt und auch hier die wahre Stärke und Uebermacht des
Auslands auf deutscher Grundlage ruht; weiß es nicht, daß, wäre nur erst
die deutsche Flotte gebaut, die Bemannung der deutschen Flotte weder ihre
Musterrolle noch ihre E^erciermeister aus einer Schreibstube deö mär¬
kischen Sandes, noch weniger aber vollends ihren Admiral bei den ihre
alten Lehnsgebieter und den letzten Stab ihrer dürftigen Hoffnungen
verachtenden Dänen zu holen brauchte. Dies Seemannövolk der nie¬
dersächsischen Küste ist eine anerkannte Perle des deutschen Namens,
stark, treu, nüchtern, intelligent, ohne vielgeschäftig zu sein; wenn es
sich mit ausländischem Beispiel und Wesen nicht zu viel eingelassen,
auch keusch, besonders die, welche nicht gefahren, d. h. über See
gegangen, sondern da, wo sie aufgewachsen, auch geblieben sind und
die mühseligen Werke des Meeres auf heimischem Strande getrieben
haben. Nur Eins ist diesen starken und freien Männern fatal: der
Soldatendienst zu Lande; sie sehen in ihm ein Zwangsleben, eine
Knechtschaft, eine die freie Brust einschnürende Pedanterei. Und ha¬
ben sie Unrecht, vollends wie ein immer wieder hereindrohendeö Jun-
kerthum den Militärdienst neuerdings zu gestalten sucht? Der größte
Theil der oldenburgischen und hannöverschen Deserteure sind Matro¬
sen, die dem alten, treuen Elemente wieder zulaufen und lieber im
fernen, weiten Weltmeere, als in der engen Uniform eingesargt sein
wollen. Uebrigens macht man hier zu Lande, und muß machen einen
sehr bezeichnenden Unterschied zwischen Fluß- und Seeschiffen, zu un¬
bedingtem sittlichen Vorzüge der letztern. Die auf Weser und Elbe
die Zwischenfahrten besorgenden sogenannten Lichter- oder Kahnschiffer
sind eine ungleich eigennützigere, verschmitztere, minder mäßige, minder so¬
lide, freilich auch minder einfache und arme Menschenrasse; die Zwi¬
schenfahrt bringt auf allerlei Kniffe, Schmuggel, Waarenunterschlag,
Gaunereien, und in den letzten Jahren gab es vor dem Criminalge-
richte zu Bremen langwierige und weitläuftige Untersuchungen über
um sich greifende und selbst den sonst felsenfesten Credit bremischer
Verlader ohne deren mindeste Schuld in Gefahr bringende Unterschleife
und Betrügereien, die, unter Connivenz, ja unter Mithilfe einzelner
Waarenaufseher und Gastwirthe, von Kahnschiffern der Weserufer ver¬
übt worden. Ein auf solchem Fundamente in vielen Jahren schwer
reichgewordener Gastgeber und Spcculant im oldenburgischen Hafen¬
orte Brake bildete für diese weisskäuferische Industrie den Mittelpunkt
und die Seele; er hat zwischen den Metamorphosen eines vielbewegten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/16>, abgerufen am 24.07.2024.