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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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chic erschienen, so wäre mit einem Schlage Alles abgemacht, aber so wird
es erst da, dann dort publicirt, dadurch gewinnt die Gegenpartei Zeit
und Kräfte und wer weiß, ob nicht, durch die Mittel, die man in Oester¬
reich anzuwenden versteht, manche Provinz erst nach Jahren der Wohl¬
that dieses Gesetzes theilhaftig werden wird.

Eigentliche Stadtneuigkeiten werden Sie weniger interessiren; dock',
zwei Selbstmorde, der eine eines sehr bejahrten, hier so ziemlich bekann¬
ten Cavaliers, dessen Ursache -- Liebe war, Liebe bei einem 63jährigen
Greise! und der andere, der Selbstmord eines Börsenmannes, aus einer
durch Unglücksschläge hart mitgenommenen, einst enorm reichen Familie,
^et voce"" Börse will ick) noch melden, daß sich vor einigen Tagen da
eine Coalition gebildet, um das Fallen der pesther Bahnactien unter W
zu verhindern; das Papier war rapid abwärts gegangen und hatte viele Ver¬
luste nach sich gezogen. -- Vorgestern starb hier Graf Goes, ein in sei¬
ner Stellung als Obersthofmarschall und Landmarschall der österreichischen
Stande, sowie noch außerdem in mannichfach amtlichen Geschäften berhei-
ligter, vielfach in Anspruch genommener Cavalier von bedeutendem Ein¬
flüsse. Der Kaiser hat der Wittwe in einem eigenen Handbillet sein
Beileid um den Todesfall angezeigt.


V.
Aus Berlin.

Stadtgespräche und Correspondenzen. -- Das neue Regierungsblatt. -- Eine
Erfahrung für tst,OVV Thaler. -- Veränderungen im Ministerium. -- Eine große
Seitungshallc; interessante Einrichtungen. -- Gustav Julius. -- Ein Plaidoyer
der augsv. Rllg. Zeitung.

Da nichts in den Zeitungen steht, so amüsirt man sich damit, von
den Zeitungen zu sprechen. Jeden Tag spricht man von neuen Jour¬
nalen, die erscheinen sollen, von Peter, der um eine Concession nach¬
sucht, von Paul, dem eine Concession abgeschlagen und von Christoph,
dem eine zugeschlagen wurde. Seit Wochen disputiren die berliner Cor-
respondenten in deutschen Blattern, ob das neue "preußische Journal
des Debats" von Herrn Petersilie, oder von Herrn Kohlrabi, oder gar
von Herrn Steckrübe redigirt werden wird. Als ob das Publicum da¬
durch um ein Haar klüger würde, als ob der Herr Steckrübe und der
Herr Petersilie öffentliche, weltbekannte Charaktere wären, deren Name
auch nur irgend eine Andeutung über die besondere Farbe des neuen
Blattes gäbe, als ob Kohl nicht immer Kohl bliebe, und der ganze Un¬
terschied nicht einzig und allein darin läge, welche Zubereitung ihm das
Gouvernement geben will, ob Oel oder Essig vorwalten, ob er süß oder
sauer zubereitet werden wird. Die Hauptsache ist: es wird ein große"
Regierungsblatt erscheinen! Nachdem diese Nachricht festgestellt ist, sollte
man sich der vorläufigen-Discussion enthalten und schweigend zusehen.
Jede Correspondenz, die sich im Voraus mit dem Journale beschäftigt,
ist eine Gratisannonce und leistet ihm einen Dienst, indem es die Auf.


chic erschienen, so wäre mit einem Schlage Alles abgemacht, aber so wird
es erst da, dann dort publicirt, dadurch gewinnt die Gegenpartei Zeit
und Kräfte und wer weiß, ob nicht, durch die Mittel, die man in Oester¬
reich anzuwenden versteht, manche Provinz erst nach Jahren der Wohl¬
that dieses Gesetzes theilhaftig werden wird.

Eigentliche Stadtneuigkeiten werden Sie weniger interessiren; dock',
zwei Selbstmorde, der eine eines sehr bejahrten, hier so ziemlich bekann¬
ten Cavaliers, dessen Ursache — Liebe war, Liebe bei einem 63jährigen
Greise! und der andere, der Selbstmord eines Börsenmannes, aus einer
durch Unglücksschläge hart mitgenommenen, einst enorm reichen Familie,
^et voce»» Börse will ick) noch melden, daß sich vor einigen Tagen da
eine Coalition gebildet, um das Fallen der pesther Bahnactien unter W
zu verhindern; das Papier war rapid abwärts gegangen und hatte viele Ver¬
luste nach sich gezogen. — Vorgestern starb hier Graf Goes, ein in sei¬
ner Stellung als Obersthofmarschall und Landmarschall der österreichischen
Stande, sowie noch außerdem in mannichfach amtlichen Geschäften berhei-
ligter, vielfach in Anspruch genommener Cavalier von bedeutendem Ein¬
flüsse. Der Kaiser hat der Wittwe in einem eigenen Handbillet sein
Beileid um den Todesfall angezeigt.


V.
Aus Berlin.

Stadtgespräche und Correspondenzen. — Das neue Regierungsblatt. — Eine
Erfahrung für tst,OVV Thaler. — Veränderungen im Ministerium. — Eine große
Seitungshallc; interessante Einrichtungen. — Gustav Julius. — Ein Plaidoyer
der augsv. Rllg. Zeitung.

Da nichts in den Zeitungen steht, so amüsirt man sich damit, von
den Zeitungen zu sprechen. Jeden Tag spricht man von neuen Jour¬
nalen, die erscheinen sollen, von Peter, der um eine Concession nach¬
sucht, von Paul, dem eine Concession abgeschlagen und von Christoph,
dem eine zugeschlagen wurde. Seit Wochen disputiren die berliner Cor-
respondenten in deutschen Blattern, ob das neue „preußische Journal
des Debats" von Herrn Petersilie, oder von Herrn Kohlrabi, oder gar
von Herrn Steckrübe redigirt werden wird. Als ob das Publicum da¬
durch um ein Haar klüger würde, als ob der Herr Steckrübe und der
Herr Petersilie öffentliche, weltbekannte Charaktere wären, deren Name
auch nur irgend eine Andeutung über die besondere Farbe des neuen
Blattes gäbe, als ob Kohl nicht immer Kohl bliebe, und der ganze Un¬
terschied nicht einzig und allein darin läge, welche Zubereitung ihm das
Gouvernement geben will, ob Oel oder Essig vorwalten, ob er süß oder
sauer zubereitet werden wird. Die Hauptsache ist: es wird ein große«
Regierungsblatt erscheinen! Nachdem diese Nachricht festgestellt ist, sollte
man sich der vorläufigen-Discussion enthalten und schweigend zusehen.
Jede Correspondenz, die sich im Voraus mit dem Journale beschäftigt,
ist eine Gratisannonce und leistet ihm einen Dienst, indem es die Auf.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/147>, abgerufen am 24.07.2024.