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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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der Kunstakademien gefallen wäre. Nach den eben geltenden Princi¬
pien wurde nun auch die Schule geregelt, und der Unterricht auf den
ganzen Nachwuchs übertragen. Und wie es überhaupt in Schulen
schwierig ist, das einmal durch so viele Jahre Geübte durch Neueres,-
Lebendigeres zu ersetzen, indem auch der Schlendrian zur Macht wer¬
den tan", so fußen noch gegenwärtig die meisten Kunstschulen auf die¬
ser leblosen, veralteten Basis und der Kampf zwischen dieser und den
Regungen einer freieren Kunstanschauung wird von Jahr zu Jahr
ein erbitterterer; -- um so mehr, als die gute Meinung und der Ei¬
fer jener, welche eine Reorganisirung der veralteten Schule erkämpfen
"vollen, an den künstlichen Waffen bricht und scheitert, mit welcher
die Akademien sich als Staats anstalten zu vertheidigen wissen.

Dieses akademischen Zopfes wurde man außerhalb der Schule
zu jener Zeit satt, wo durch schwere Kämpfe auf blutgetränktem Bo¬
den ein nationales Bewußtsein zu ersprossen schien und wie durch die¬
ses das Volk auf seine Landeögrenzeu aufmerksam wurde, die es mit
seinen Leibern decken mußte, ward ihm auch sein Boden und seine
Geschichte näher gebracht. Das ganze Bestreben der Kunst ging nur
dahin, vaterländisch zu dichten und zu malen. Man glaubte
schon dem Historienfach neues Leben und neuen Aufschwung verlie¬
hen zu haben, indem man frisch in die Geschichte des Vaterlandes
griff und die verflossenen Jahrhunderte in ihren verschiedenen Momen¬
ten zur Darstellung brachte. Dem ersten Anstoße, der durch die Schle-
gel und Consorten in Deutschland gegeben wurde, wußte für Wien
Freiherr von Hormayr in seinem damals herausgegebenen Archiv die
gehörige Farbe und einen auf Vaterlandsliebe gestützten Nachdruck
für die guten Oesterreicher zu geben. Man entfaltete den ganzen
Reichthum einheimischer Geschichte -- und dies in Poesie und Kunst,
in jener die beiden Collin, welche A. W. Schlegel mit Gewalt zu Ce-
lebritäten stempeln wollte -- Alringer mit seiner mittelalterlich trocke¬
nen Rittercarieatur; in dieser Ruß und sein mäßiger Anhang.

Besonders Ruß war eine ganz trockene Persönlichkeit. Aus den
Stoffen deS Alterthums rang er sich mit einer stürmischen Begei¬
sterung zum vaterländischen Mittelalter empor, ganze Suiten Compo-
sitionen flössen ans seinen thätigen Händen hervor und sein höchster
Wunsch ging dahin, im Leben und Kunst -- das Mittelalter mit
seinen derben Gestalten wieder zu erschaffen. Die Zeit und das
Publieum, besonders aber die Oesterreicher, konnten sich dieser Poesie
nicht freuen, es fehlte ihm daher an Theilnahme für seine vaterländi-


der Kunstakademien gefallen wäre. Nach den eben geltenden Princi¬
pien wurde nun auch die Schule geregelt, und der Unterricht auf den
ganzen Nachwuchs übertragen. Und wie es überhaupt in Schulen
schwierig ist, das einmal durch so viele Jahre Geübte durch Neueres,-
Lebendigeres zu ersetzen, indem auch der Schlendrian zur Macht wer¬
den tan», so fußen noch gegenwärtig die meisten Kunstschulen auf die¬
ser leblosen, veralteten Basis und der Kampf zwischen dieser und den
Regungen einer freieren Kunstanschauung wird von Jahr zu Jahr
ein erbitterterer; — um so mehr, als die gute Meinung und der Ei¬
fer jener, welche eine Reorganisirung der veralteten Schule erkämpfen
»vollen, an den künstlichen Waffen bricht und scheitert, mit welcher
die Akademien sich als Staats anstalten zu vertheidigen wissen.

Dieses akademischen Zopfes wurde man außerhalb der Schule
zu jener Zeit satt, wo durch schwere Kämpfe auf blutgetränktem Bo¬
den ein nationales Bewußtsein zu ersprossen schien und wie durch die¬
ses das Volk auf seine Landeögrenzeu aufmerksam wurde, die es mit
seinen Leibern decken mußte, ward ihm auch sein Boden und seine
Geschichte näher gebracht. Das ganze Bestreben der Kunst ging nur
dahin, vaterländisch zu dichten und zu malen. Man glaubte
schon dem Historienfach neues Leben und neuen Aufschwung verlie¬
hen zu haben, indem man frisch in die Geschichte des Vaterlandes
griff und die verflossenen Jahrhunderte in ihren verschiedenen Momen¬
ten zur Darstellung brachte. Dem ersten Anstoße, der durch die Schle-
gel und Consorten in Deutschland gegeben wurde, wußte für Wien
Freiherr von Hormayr in seinem damals herausgegebenen Archiv die
gehörige Farbe und einen auf Vaterlandsliebe gestützten Nachdruck
für die guten Oesterreicher zu geben. Man entfaltete den ganzen
Reichthum einheimischer Geschichte — und dies in Poesie und Kunst,
in jener die beiden Collin, welche A. W. Schlegel mit Gewalt zu Ce-
lebritäten stempeln wollte — Alringer mit seiner mittelalterlich trocke¬
nen Rittercarieatur; in dieser Ruß und sein mäßiger Anhang.

Besonders Ruß war eine ganz trockene Persönlichkeit. Aus den
Stoffen deS Alterthums rang er sich mit einer stürmischen Begei¬
sterung zum vaterländischen Mittelalter empor, ganze Suiten Compo-
sitionen flössen ans seinen thätigen Händen hervor und sein höchster
Wunsch ging dahin, im Leben und Kunst — das Mittelalter mit
seinen derben Gestalten wieder zu erschaffen. Die Zeit und das
Publieum, besonders aber die Oesterreicher, konnten sich dieser Poesie
nicht freuen, es fehlte ihm daher an Theilnahme für seine vaterländi-


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[0115] der Kunstakademien gefallen wäre. Nach den eben geltenden Princi¬ pien wurde nun auch die Schule geregelt, und der Unterricht auf den ganzen Nachwuchs übertragen. Und wie es überhaupt in Schulen schwierig ist, das einmal durch so viele Jahre Geübte durch Neueres,- Lebendigeres zu ersetzen, indem auch der Schlendrian zur Macht wer¬ den tan», so fußen noch gegenwärtig die meisten Kunstschulen auf die¬ ser leblosen, veralteten Basis und der Kampf zwischen dieser und den Regungen einer freieren Kunstanschauung wird von Jahr zu Jahr ein erbitterterer; — um so mehr, als die gute Meinung und der Ei¬ fer jener, welche eine Reorganisirung der veralteten Schule erkämpfen »vollen, an den künstlichen Waffen bricht und scheitert, mit welcher die Akademien sich als Staats anstalten zu vertheidigen wissen. Dieses akademischen Zopfes wurde man außerhalb der Schule zu jener Zeit satt, wo durch schwere Kämpfe auf blutgetränktem Bo¬ den ein nationales Bewußtsein zu ersprossen schien und wie durch die¬ ses das Volk auf seine Landeögrenzeu aufmerksam wurde, die es mit seinen Leibern decken mußte, ward ihm auch sein Boden und seine Geschichte näher gebracht. Das ganze Bestreben der Kunst ging nur dahin, vaterländisch zu dichten und zu malen. Man glaubte schon dem Historienfach neues Leben und neuen Aufschwung verlie¬ hen zu haben, indem man frisch in die Geschichte des Vaterlandes griff und die verflossenen Jahrhunderte in ihren verschiedenen Momen¬ ten zur Darstellung brachte. Dem ersten Anstoße, der durch die Schle- gel und Consorten in Deutschland gegeben wurde, wußte für Wien Freiherr von Hormayr in seinem damals herausgegebenen Archiv die gehörige Farbe und einen auf Vaterlandsliebe gestützten Nachdruck für die guten Oesterreicher zu geben. Man entfaltete den ganzen Reichthum einheimischer Geschichte — und dies in Poesie und Kunst, in jener die beiden Collin, welche A. W. Schlegel mit Gewalt zu Ce- lebritäten stempeln wollte — Alringer mit seiner mittelalterlich trocke¬ nen Rittercarieatur; in dieser Ruß und sein mäßiger Anhang. Besonders Ruß war eine ganz trockene Persönlichkeit. Aus den Stoffen deS Alterthums rang er sich mit einer stürmischen Begei¬ sterung zum vaterländischen Mittelalter empor, ganze Suiten Compo- sitionen flössen ans seinen thätigen Händen hervor und sein höchster Wunsch ging dahin, im Leben und Kunst — das Mittelalter mit seinen derben Gestalten wieder zu erschaffen. Die Zeit und das Publieum, besonders aber die Oesterreicher, konnten sich dieser Poesie nicht freuen, es fehlte ihm daher an Theilnahme für seine vaterländi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/115>, abgerufen am 24.07.2024.