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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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ließ, und gar -- (erschrecken Sie nicht, Herr Leo) -- im Museum zu
Berlin, unter die Helden der vorchristlichen Welt, gegenüber dem heidni¬
schen Julius Cäsar. War das nicht entsetzlich, unchristlich, unsittlich,
dem "Marquis von Bonaparte" -- (nennen ihn nicht die Jesuiten al¬
so?) -- eine solche Ehre anzuthun? Nun, Herr Professor, muthiger
Rügenwart und frommer Geschichtsschreiber, treten Sie doch dagegen
auf, lassen Sie doch Ihre sittlichen Donner durch die Spalten der from-
men Evangelischen rollen und grollen über diesen königlichen Bewunde¬
rer Napoleon's. Vielleicht schelten Sie den marmornen Napoleon aus
dem Museum hinaus, vielleicht stellt man Sie selbst auf das Piedestcch
gradüber Julius Cäsar. --

Der rühmlichst bekannte Staatsökonom John Prince-Smith hat so¬
eben in Berlin zwei Broschürenerscheinen lassen, wovon die erste "über
"die englische Tarifreform und ihre materiellen, socialen und po¬
litischen Folgen für Europa" handelt; die zweite "Bemerkungen und
"Entwürfe Behufs Errichtung von Aktienbanken" enthalt.

Was die Broschüre über die englische Tarifreform anlangt, so kämpft
der geehrte Verfasser darin mit Ruhe und Klarheit für eine absolute
Freiheit des Welthandelsund weist in besonderer Beziehung auf Deutsch¬
land nach, daß Schutzzölle ("Theuerungszölle" nennt er sie) und Son¬
derinteressen dem deutschen Handel und der deutschen Industrie, nach Auf¬
hebung aller britischen Monopole, direct verderblich werden müssen (?):
Er weist nach, daß solche sogenannte "Schutzzölle" eine indirecte, unnütze
und schädliche Besteuerung der Nation sind, zur Deckung eines von ei¬
nem besondern Gewerbe, das auf einem künstlichen und unnatürlichen
Fundamente ruht, gemachten Ausfalls.

Wir werden auf die Broschüren des Herrn Prince-Smith des nä¬
hern zurückkommen, da sie ein allgemeines Interesse beanspruchen und
it einer ausführlichen Besprechung äußerst würdig sind.


2.
Hinrichtung. Aus dem Leben der Verbrecher.

Unsere Stadt wird diese Woche das Schauspiel einer Hinrichtung
haben, oder vielmehr nicht unsere Stadt, sondern das benachbarte Span-
dau, da in letzterer Zeit derlei tragische Erecutionen nicht mehr im Weich¬
bilde Berlins statt finden. Auch sucht man in lobenswerther Weise sol¬
chen tragischen Acten der Justiz den Charakter eines Volksspectakels zu
nehmen. Man laßt daher die Hinrichtung bereits Morgens um 3 Uhr
vor sich gehen und verschweigt dem großen Publicum noch am Tage
zuvor den Richterspruch, was aber nicht verhütet, daß am verhängnis¬
vollen Morgen zwanzigtausend Schaulustige auf dem Richtplatze sich
drangen. Denn wie will man den Urtheilsspruch den Verwandten ver¬
schweigen, die zum letzten Mal zu sehen dem Delinquenten doch gestattet
werden muß? Der Verbrecher, der diesen Donnerstag (17. Juli) eine
Missethat mit seinem Leben bezahlen wird, ist ein Mensch von etwa 48
bis 50 Jahren, Namens Kleber, seines Handwerks ein Maurergeselle.
Er ward bereits ein Mal zu acht Jahren Zuchthaus verurtheilt, weil er
seine Frau so mißhandelt hatte, daß sie in Folge dieser Mißhandlungen.


ließ, und gar — (erschrecken Sie nicht, Herr Leo) — im Museum zu
Berlin, unter die Helden der vorchristlichen Welt, gegenüber dem heidni¬
schen Julius Cäsar. War das nicht entsetzlich, unchristlich, unsittlich,
dem „Marquis von Bonaparte" — (nennen ihn nicht die Jesuiten al¬
so?) — eine solche Ehre anzuthun? Nun, Herr Professor, muthiger
Rügenwart und frommer Geschichtsschreiber, treten Sie doch dagegen
auf, lassen Sie doch Ihre sittlichen Donner durch die Spalten der from-
men Evangelischen rollen und grollen über diesen königlichen Bewunde¬
rer Napoleon's. Vielleicht schelten Sie den marmornen Napoleon aus
dem Museum hinaus, vielleicht stellt man Sie selbst auf das Piedestcch
gradüber Julius Cäsar. —

Der rühmlichst bekannte Staatsökonom John Prince-Smith hat so¬
eben in Berlin zwei Broschürenerscheinen lassen, wovon die erste „über
„die englische Tarifreform und ihre materiellen, socialen und po¬
litischen Folgen für Europa" handelt; die zweite „Bemerkungen und
„Entwürfe Behufs Errichtung von Aktienbanken" enthalt.

Was die Broschüre über die englische Tarifreform anlangt, so kämpft
der geehrte Verfasser darin mit Ruhe und Klarheit für eine absolute
Freiheit des Welthandelsund weist in besonderer Beziehung auf Deutsch¬
land nach, daß Schutzzölle („Theuerungszölle" nennt er sie) und Son¬
derinteressen dem deutschen Handel und der deutschen Industrie, nach Auf¬
hebung aller britischen Monopole, direct verderblich werden müssen (?):
Er weist nach, daß solche sogenannte „Schutzzölle" eine indirecte, unnütze
und schädliche Besteuerung der Nation sind, zur Deckung eines von ei¬
nem besondern Gewerbe, das auf einem künstlichen und unnatürlichen
Fundamente ruht, gemachten Ausfalls.

Wir werden auf die Broschüren des Herrn Prince-Smith des nä¬
hern zurückkommen, da sie ein allgemeines Interesse beanspruchen und
it einer ausführlichen Besprechung äußerst würdig sind.


2.
Hinrichtung. Aus dem Leben der Verbrecher.

Unsere Stadt wird diese Woche das Schauspiel einer Hinrichtung
haben, oder vielmehr nicht unsere Stadt, sondern das benachbarte Span-
dau, da in letzterer Zeit derlei tragische Erecutionen nicht mehr im Weich¬
bilde Berlins statt finden. Auch sucht man in lobenswerther Weise sol¬
chen tragischen Acten der Justiz den Charakter eines Volksspectakels zu
nehmen. Man laßt daher die Hinrichtung bereits Morgens um 3 Uhr
vor sich gehen und verschweigt dem großen Publicum noch am Tage
zuvor den Richterspruch, was aber nicht verhütet, daß am verhängnis¬
vollen Morgen zwanzigtausend Schaulustige auf dem Richtplatze sich
drangen. Denn wie will man den Urtheilsspruch den Verwandten ver¬
schweigen, die zum letzten Mal zu sehen dem Delinquenten doch gestattet
werden muß? Der Verbrecher, der diesen Donnerstag (17. Juli) eine
Missethat mit seinem Leben bezahlen wird, ist ein Mensch von etwa 48
bis 50 Jahren, Namens Kleber, seines Handwerks ein Maurergeselle.
Er ward bereits ein Mal zu acht Jahren Zuchthaus verurtheilt, weil er
seine Frau so mißhandelt hatte, daß sie in Folge dieser Mißhandlungen.


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[0106] ließ, und gar — (erschrecken Sie nicht, Herr Leo) — im Museum zu Berlin, unter die Helden der vorchristlichen Welt, gegenüber dem heidni¬ schen Julius Cäsar. War das nicht entsetzlich, unchristlich, unsittlich, dem „Marquis von Bonaparte" — (nennen ihn nicht die Jesuiten al¬ so?) — eine solche Ehre anzuthun? Nun, Herr Professor, muthiger Rügenwart und frommer Geschichtsschreiber, treten Sie doch dagegen auf, lassen Sie doch Ihre sittlichen Donner durch die Spalten der from- men Evangelischen rollen und grollen über diesen königlichen Bewunde¬ rer Napoleon's. Vielleicht schelten Sie den marmornen Napoleon aus dem Museum hinaus, vielleicht stellt man Sie selbst auf das Piedestcch gradüber Julius Cäsar. — Der rühmlichst bekannte Staatsökonom John Prince-Smith hat so¬ eben in Berlin zwei Broschürenerscheinen lassen, wovon die erste „über „die englische Tarifreform und ihre materiellen, socialen und po¬ litischen Folgen für Europa" handelt; die zweite „Bemerkungen und „Entwürfe Behufs Errichtung von Aktienbanken" enthalt. Was die Broschüre über die englische Tarifreform anlangt, so kämpft der geehrte Verfasser darin mit Ruhe und Klarheit für eine absolute Freiheit des Welthandelsund weist in besonderer Beziehung auf Deutsch¬ land nach, daß Schutzzölle („Theuerungszölle" nennt er sie) und Son¬ derinteressen dem deutschen Handel und der deutschen Industrie, nach Auf¬ hebung aller britischen Monopole, direct verderblich werden müssen (?): Er weist nach, daß solche sogenannte „Schutzzölle" eine indirecte, unnütze und schädliche Besteuerung der Nation sind, zur Deckung eines von ei¬ nem besondern Gewerbe, das auf einem künstlichen und unnatürlichen Fundamente ruht, gemachten Ausfalls. Wir werden auf die Broschüren des Herrn Prince-Smith des nä¬ hern zurückkommen, da sie ein allgemeines Interesse beanspruchen und it einer ausführlichen Besprechung äußerst würdig sind. 2. Hinrichtung. Aus dem Leben der Verbrecher. Unsere Stadt wird diese Woche das Schauspiel einer Hinrichtung haben, oder vielmehr nicht unsere Stadt, sondern das benachbarte Span- dau, da in letzterer Zeit derlei tragische Erecutionen nicht mehr im Weich¬ bilde Berlins statt finden. Auch sucht man in lobenswerther Weise sol¬ chen tragischen Acten der Justiz den Charakter eines Volksspectakels zu nehmen. Man laßt daher die Hinrichtung bereits Morgens um 3 Uhr vor sich gehen und verschweigt dem großen Publicum noch am Tage zuvor den Richterspruch, was aber nicht verhütet, daß am verhängnis¬ vollen Morgen zwanzigtausend Schaulustige auf dem Richtplatze sich drangen. Denn wie will man den Urtheilsspruch den Verwandten ver¬ schweigen, die zum letzten Mal zu sehen dem Delinquenten doch gestattet werden muß? Der Verbrecher, der diesen Donnerstag (17. Juli) eine Missethat mit seinem Leben bezahlen wird, ist ein Mensch von etwa 48 bis 50 Jahren, Namens Kleber, seines Handwerks ein Maurergeselle. Er ward bereits ein Mal zu acht Jahren Zuchthaus verurtheilt, weil er seine Frau so mißhandelt hatte, daß sie in Folge dieser Mißhandlungen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/106>, abgerufen am 04.07.2024.