Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.hervor. -- Was hat dann aber der Poet davon, der unbeachtet, Wenn ich nur wüßte, Was die Blätter schallen, Wenn sie wett vom Baume Herunterfallen. Wenn ich nur wüßte, Was die Mauern sprechen, Wenn sie morsch vom Alter Zusammenbrechen. Wenn ich nur wüßte, Was die Wasser sagen, Wenn sie über die Häupter Versinkender schlagen. Wenn ich nur wüßte, Was die Sterbenden lallen, Wenn matt ihre Arme Zusammenfallen. Sind es Klagetöne, Ach, was nützt dann alles Streben? Sind es Jubellicder, Sagt, was nützt dann unser Leben? -- Sind das nicht Fragen, die jeder Mensch wohl hundert Mal hervor. — Was hat dann aber der Poet davon, der unbeachtet, Wenn ich nur wüßte, Was die Blätter schallen, Wenn sie wett vom Baume Herunterfallen. Wenn ich nur wüßte, Was die Mauern sprechen, Wenn sie morsch vom Alter Zusammenbrechen. Wenn ich nur wüßte, Was die Wasser sagen, Wenn sie über die Häupter Versinkender schlagen. Wenn ich nur wüßte, Was die Sterbenden lallen, Wenn matt ihre Arme Zusammenfallen. Sind es Klagetöne, Ach, was nützt dann alles Streben? Sind es Jubellicder, Sagt, was nützt dann unser Leben? — Sind das nicht Fragen, die jeder Mensch wohl hundert Mal <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181888"/> <p xml:id="ID_138" prev="#ID_137"> hervor. — Was hat dann aber der Poet davon, der unbeachtet,<lb/> ungechrt, ungeliebt wie ein Schatten vorübergeschritten, er der ohne,<lb/> hin in allem was das Land jenseits der Brücke betrifft, so skep¬<lb/> tisch ist.</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_5" type="poem"> <l> Wenn ich nur wüßte,<lb/> Was die Blätter schallen,<lb/> Wenn sie wett vom Baume<lb/> Herunterfallen.</l> <l> Wenn ich nur wüßte,<lb/> Was die Mauern sprechen,<lb/> Wenn sie morsch vom Alter<lb/> Zusammenbrechen.</l> <l> Wenn ich nur wüßte,<lb/> Was die Wasser sagen,<lb/> Wenn sie über die Häupter<lb/> Versinkender schlagen.</l> <l> Wenn ich nur wüßte,<lb/> Was die Sterbenden lallen,<lb/> Wenn matt ihre Arme<lb/> Zusammenfallen.</l> <l> Sind es Klagetöne,<lb/> Ach, was nützt dann alles Streben?<lb/> Sind es Jubellicder,<lb/> Sagt, was nützt dann unser Leben? —</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_139" next="#ID_140"> Sind das nicht Fragen, die jeder Mensch wohl hundert Mal<lb/> des Tages an Bäume, Bäche, Himmel, Sterne, Sonn' und<lb/> Mond stellen muß? ist das uicht ein schönes, tiefsinniges Gedicht?<lb/> und ist nicht der, der nur Ein solches Gedicht geschrieben, ein Poet?<lb/> Bach aber hat noch viele so herrliche Gedichte und ich wollte, ich<lb/> hätte das kleine rothe Büchlein hier um mir in der fremden Ferne in<lb/> den „Geisterstunden" manchmal eines davon vorzulesen; sie würden<lb/> mich wie Zauberruthen in die schöne alte Zeit zurückzaubern, und<lb/> es wäre mir, als säße ich wieder zu Prag in der räucherigen<lb/> Kneipe und blickte wieder in das schwärmerisch verschwommene<lb/> Auge Friedrich Bachs. —</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
hervor. — Was hat dann aber der Poet davon, der unbeachtet,
ungechrt, ungeliebt wie ein Schatten vorübergeschritten, er der ohne,
hin in allem was das Land jenseits der Brücke betrifft, so skep¬
tisch ist.
Wenn ich nur wüßte,
Was die Blätter schallen,
Wenn sie wett vom Baume
Herunterfallen. Wenn ich nur wüßte,
Was die Mauern sprechen,
Wenn sie morsch vom Alter
Zusammenbrechen. Wenn ich nur wüßte,
Was die Wasser sagen,
Wenn sie über die Häupter
Versinkender schlagen. Wenn ich nur wüßte,
Was die Sterbenden lallen,
Wenn matt ihre Arme
Zusammenfallen. Sind es Klagetöne,
Ach, was nützt dann alles Streben?
Sind es Jubellicder,
Sagt, was nützt dann unser Leben? —
Sind das nicht Fragen, die jeder Mensch wohl hundert Mal
des Tages an Bäume, Bäche, Himmel, Sterne, Sonn' und
Mond stellen muß? ist das uicht ein schönes, tiefsinniges Gedicht?
und ist nicht der, der nur Ein solches Gedicht geschrieben, ein Poet?
Bach aber hat noch viele so herrliche Gedichte und ich wollte, ich
hätte das kleine rothe Büchlein hier um mir in der fremden Ferne in
den „Geisterstunden" manchmal eines davon vorzulesen; sie würden
mich wie Zauberruthen in die schöne alte Zeit zurückzaubern, und
es wäre mir, als säße ich wieder zu Prag in der räucherigen
Kneipe und blickte wieder in das schwärmerisch verschwommene
Auge Friedrich Bachs. —
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