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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Rolle in Rußland; die russische Regierung hat an ihnen treue Diener
gesunden und hat sie nach Herzenslust zu ihren guten und schlechten
Zwecken gebraucht, der Deutsche hat nach den Zwecken wenig gefragt,
er ist ein gutes Werkzeug gewesen, gut zu allem, weil sehr fügsam."
Der Franzose, setzt er hinzu, würde sicherlich die Nation unter der
er lebt, entweder französiren, oder wenn das nicht ginge, sich selber
fügen und sich ihr assimiliren; der Deutsche würde immer sehr geeig¬
net sein, die Civilisation eines Landes zu befördern, wenn die Re¬
gierung desselben ihn ausdrücklich dazu anstellte, aber von selbst würde
er nichts der Art versuchen, sondern stets in sich zurückgezogen und
auf seinen häuslichen Kreis beschränkt bleiben.

Ich glaube, daß ich mehr nach den Wünschen des Lesers
handle, wenn ich diesen Bemerkungen des Franzosen, die genug zu
denken geben, keine Reflectionen weiter beifüge, sondern diese, dem
Leser selbst überlasse. Aber ich will zum Schlüsse noch eines Auf¬
satzes von W. Lüders gedenken, welchen neulich die Börsennachrichten
der Ostsee gebracht haben. Lüders betrachtet die sich jetzt mit dem
Frühjahr wieder gewaltig steigernde Auswanderungslust als ein "Krank¬
heitssymptom", und sagt, dasselbe weise auf Uebelstände hin, zu de¬
ren Entfernung es an Kraft zu fehlen scheine. Was er als der¬
artigen Uebelstand zuerst anführt, ist äußerst seltsam. Die Leute
gehen nach Nordamerika, meint er, unter anderem deshalb, weil "in
Nordamerika die Menschen sich, wie in England, so viel Geld machen
können, als sie gebrauchen." "Das dürfen wir bei uns nicht", setzt
er hinzu; "bei uns zu Lande ist das Geldmachenein Staatsmonopol;
daher haben wir so wenig und zu wenig, daher überflügeln uns Jene,
während wir arm bleiben und nicht mit ihnen concurriren können."
Hat nicht Julius Recht, von einem jetzt in den Köpfen spukenden
Bankgespenste zu reden, wenn selbst Leute von so viel nüchternem
Urtheil in andern Dingen, wie Lüders, dergleichen Fabeln von un-
verfieglicher Geldmacherei in Amerika und -- man denke doch -- so¬
gar in England ausstreuen? Und heißt das nicht recht die Aus¬
wanderungslust unterstützen, wenn man den guten mährchensüchtigen
deutschen Michel in dem Glauben bestärkt, in Amerika könne man
so viel "Geld machen", als man nur immer will? -- Ich glaube
fast, der Mangel an Umlaufsmitteln in Deutschland gar nicht, aber
auch nicht einmal so sehr der Mangel an "politischen Freiheiten" --
den doch die große Menge nicht so gar heftig zu empfinden scheint --
ist das, was zum Auswandern reizt und treibt, sondern vielmehr was
ich schon oben sagte, es ist der alte unwiderstehliche deutsche Hang.
Sehr gut ist, was Lüders auräth, daß man den Strom der Aus¬
wanderung nach den Ostseeprovinzen, die zum Theil noch so sehr der
Menschen bedürfen, zu lenken suche. Aber ich zweifle, daß es in er¬
wünschtem Umfange gelingen wird, selbst wenn man eine noch so


Rolle in Rußland; die russische Regierung hat an ihnen treue Diener
gesunden und hat sie nach Herzenslust zu ihren guten und schlechten
Zwecken gebraucht, der Deutsche hat nach den Zwecken wenig gefragt,
er ist ein gutes Werkzeug gewesen, gut zu allem, weil sehr fügsam."
Der Franzose, setzt er hinzu, würde sicherlich die Nation unter der
er lebt, entweder französiren, oder wenn das nicht ginge, sich selber
fügen und sich ihr assimiliren; der Deutsche würde immer sehr geeig¬
net sein, die Civilisation eines Landes zu befördern, wenn die Re¬
gierung desselben ihn ausdrücklich dazu anstellte, aber von selbst würde
er nichts der Art versuchen, sondern stets in sich zurückgezogen und
auf seinen häuslichen Kreis beschränkt bleiben.

Ich glaube, daß ich mehr nach den Wünschen des Lesers
handle, wenn ich diesen Bemerkungen des Franzosen, die genug zu
denken geben, keine Reflectionen weiter beifüge, sondern diese, dem
Leser selbst überlasse. Aber ich will zum Schlüsse noch eines Auf¬
satzes von W. Lüders gedenken, welchen neulich die Börsennachrichten
der Ostsee gebracht haben. Lüders betrachtet die sich jetzt mit dem
Frühjahr wieder gewaltig steigernde Auswanderungslust als ein „Krank¬
heitssymptom", und sagt, dasselbe weise auf Uebelstände hin, zu de¬
ren Entfernung es an Kraft zu fehlen scheine. Was er als der¬
artigen Uebelstand zuerst anführt, ist äußerst seltsam. Die Leute
gehen nach Nordamerika, meint er, unter anderem deshalb, weil „in
Nordamerika die Menschen sich, wie in England, so viel Geld machen
können, als sie gebrauchen." „Das dürfen wir bei uns nicht", setzt
er hinzu; „bei uns zu Lande ist das Geldmachenein Staatsmonopol;
daher haben wir so wenig und zu wenig, daher überflügeln uns Jene,
während wir arm bleiben und nicht mit ihnen concurriren können."
Hat nicht Julius Recht, von einem jetzt in den Köpfen spukenden
Bankgespenste zu reden, wenn selbst Leute von so viel nüchternem
Urtheil in andern Dingen, wie Lüders, dergleichen Fabeln von un-
verfieglicher Geldmacherei in Amerika und — man denke doch — so¬
gar in England ausstreuen? Und heißt das nicht recht die Aus¬
wanderungslust unterstützen, wenn man den guten mährchensüchtigen
deutschen Michel in dem Glauben bestärkt, in Amerika könne man
so viel „Geld machen", als man nur immer will? — Ich glaube
fast, der Mangel an Umlaufsmitteln in Deutschland gar nicht, aber
auch nicht einmal so sehr der Mangel an „politischen Freiheiten" —
den doch die große Menge nicht so gar heftig zu empfinden scheint —
ist das, was zum Auswandern reizt und treibt, sondern vielmehr was
ich schon oben sagte, es ist der alte unwiderstehliche deutsche Hang.
Sehr gut ist, was Lüders auräth, daß man den Strom der Aus¬
wanderung nach den Ostseeprovinzen, die zum Theil noch so sehr der
Menschen bedürfen, zu lenken suche. Aber ich zweifle, daß es in er¬
wünschtem Umfange gelingen wird, selbst wenn man eine noch so


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/604>, abgerufen am 22.12.2024.