Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.Frachtwagen des Oceans, Linienschiffe und eiserne Erdnmsegler Der mittlere Theil der Themse, der in der dichten Allee von Auf dem Rückwege von Londonbridge fiel mir das "Monu¬ Frachtwagen des Oceans, Linienschiffe und eiserne Erdnmsegler Der mittlere Theil der Themse, der in der dichten Allee von Auf dem Rückwege von Londonbridge fiel mir das „Monu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0588" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182398"/> <p xml:id="ID_1396" prev="#ID_1395"> Frachtwagen des Oceans, Linienschiffe und eiserne Erdnmsegler<lb/> über den Tunnel weg, der so wenig ein Hinderniß ist, wie der<lb/> Meridian von Greenwich, bis in das Herz von London, an die<lb/> Schwelle der City, wenige Schritte weit von dem Rathhaus und<lb/> der Börse jener schlichtstolzen Bürgersleute, in deren Reich die Sonne<lb/> nicht untergeht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1397"> Der mittlere Theil der Themse, der in der dichten Allee von<lb/> Mastbäumen frei geblieben ist, wimmelt den ganzen Tag von<lb/> Dampfböten, die geschäftig hin und herplätschern, wie die Gold¬<lb/> fischchen im Bassin von Schönbrunn. Da sind Dampfböte, die<lb/> als Omnibusse dienen und Verdecke voll Menschen von einem Stadt¬<lb/> theile zum andern trägen; eine Musikbande ist an Bord und ver¬<lb/> kürzt die ohnedies schnelle Zeit; andere machen Lustpartien nach<lb/> Schottland und Irland, nach Frankreich und Italien; wieder an¬<lb/> dere gehen nach dem Cap der guten Hoffnung oder nach Ceylon.<lb/> Gieb Acht, wenn du vielleicht für einen Sirpence deinen Weg<lb/> verkürzen willst, daß du nicht im Wirrwarr auf ein unrechtes<lb/> Boot geräthst. Wenn du deinen Irrthum erkannt hast, ist es zu<lb/> spät, und du kannst Stundenlang warten, ehe du, ein Dutzend<lb/> Meilen von deinem Ziele, wieder an'S Land gesetzt wüst. Fischer<lb/> und Matrosenkähne aber fahren zwischen Dreimastern und Dampfern<lb/> herum, wie Wasserfliegen in einer Gesellschaft von Wallfischen und<lb/> Flußpferden. Am linken Ufer ist ein unübersehbares polypenarmig<lb/> in einander greifendes Leben in den offenen Krahnhäusem und<lb/> Werften, wo die Menschen amphibienartig aus dem Schlamme des<lb/> Fußbodens zu wachsen scheinen. Hinter dem Tower meilenweit<lb/> dehnen sich die Magazine, von denen manches eine Viertelstunde<lb/> lang ist und nichts als Thee, Baumwolle, Zucker :e. enthält.</p><lb/> <p xml:id="ID_1398" next="#ID_1399"> Auf dem Rückwege von Londonbridge fiel mir das „Monu¬<lb/> ment" in's Auge, welches nicht weit von der Brücke steht. Diese<lb/> Säule zur Erinnerung an den großen Brand von 1666 besteigt<lb/> man für einen Sirpence; dies thaten wir auch in aller Eile, so<lb/> daß ich vergaß, die Zahl der Stufen mir zu merken. Uebrigens<lb/> ist das Monument um mehr als hundert Fuß niedriger, als die<lb/> Kuppel von Se. Paul, die Aussicht aber machte mir den Eindruck<lb/> eines wüsten Traumes. London rauchte wie ein Hexenkessel, bald<lb/> da bald dort zerriß der Wind die graue Qualm- und Nebeldecke,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0588]
Frachtwagen des Oceans, Linienschiffe und eiserne Erdnmsegler
über den Tunnel weg, der so wenig ein Hinderniß ist, wie der
Meridian von Greenwich, bis in das Herz von London, an die
Schwelle der City, wenige Schritte weit von dem Rathhaus und
der Börse jener schlichtstolzen Bürgersleute, in deren Reich die Sonne
nicht untergeht.
Der mittlere Theil der Themse, der in der dichten Allee von
Mastbäumen frei geblieben ist, wimmelt den ganzen Tag von
Dampfböten, die geschäftig hin und herplätschern, wie die Gold¬
fischchen im Bassin von Schönbrunn. Da sind Dampfböte, die
als Omnibusse dienen und Verdecke voll Menschen von einem Stadt¬
theile zum andern trägen; eine Musikbande ist an Bord und ver¬
kürzt die ohnedies schnelle Zeit; andere machen Lustpartien nach
Schottland und Irland, nach Frankreich und Italien; wieder an¬
dere gehen nach dem Cap der guten Hoffnung oder nach Ceylon.
Gieb Acht, wenn du vielleicht für einen Sirpence deinen Weg
verkürzen willst, daß du nicht im Wirrwarr auf ein unrechtes
Boot geräthst. Wenn du deinen Irrthum erkannt hast, ist es zu
spät, und du kannst Stundenlang warten, ehe du, ein Dutzend
Meilen von deinem Ziele, wieder an'S Land gesetzt wüst. Fischer
und Matrosenkähne aber fahren zwischen Dreimastern und Dampfern
herum, wie Wasserfliegen in einer Gesellschaft von Wallfischen und
Flußpferden. Am linken Ufer ist ein unübersehbares polypenarmig
in einander greifendes Leben in den offenen Krahnhäusem und
Werften, wo die Menschen amphibienartig aus dem Schlamme des
Fußbodens zu wachsen scheinen. Hinter dem Tower meilenweit
dehnen sich die Magazine, von denen manches eine Viertelstunde
lang ist und nichts als Thee, Baumwolle, Zucker :e. enthält.
Auf dem Rückwege von Londonbridge fiel mir das „Monu¬
ment" in's Auge, welches nicht weit von der Brücke steht. Diese
Säule zur Erinnerung an den großen Brand von 1666 besteigt
man für einen Sirpence; dies thaten wir auch in aller Eile, so
daß ich vergaß, die Zahl der Stufen mir zu merken. Uebrigens
ist das Monument um mehr als hundert Fuß niedriger, als die
Kuppel von Se. Paul, die Aussicht aber machte mir den Eindruck
eines wüsten Traumes. London rauchte wie ein Hexenkessel, bald
da bald dort zerriß der Wind die graue Qualm- und Nebeldecke,
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