Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.-- Sehr wichtig und sehr zu bewillkommnen ist eine zwischen Verlag von Fr. S"do. Herbig. -- Redacteur I. Knraiida. Druck von Friedrich Andrä. — Sehr wichtig und sehr zu bewillkommnen ist eine zwischen Verlag von Fr. S«do. Herbig. — Redacteur I. Knraiida. Druck von Friedrich Andrä. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181866"/> <p xml:id="ID_107"> — Sehr wichtig und sehr zu bewillkommnen ist eine zwischen<lb/> Preußen und Würtemberg kürzlich abgeschlossene Uebereinkunft, welche<lb/> für die gegenseitige Uebernahme von ausgewiesenen Individuen ein Sy¬<lb/> stem festsetzt. Es werden verschiedene Kategorien von Staatsange¬<lb/> hörigkeit darin festgesetzt. In erster Reihe stehen jene, welche das<lb/> Staatsbürgerrecht besitzen, oder auch solche, die es wieder eingebüßt,<lb/> aber in andrem Staate noch nicht aufgenommen worden sind. In<lb/> die zweite Reihe der Staatsangehörigen kommen solche, die von hei¬<lb/> mathloser Eltern in einem oder dem andern Staate geboren sind.<lb/> (Unter dem Begriffe Eltern bestimmt das Gesetz bei ehelichen Kindern<lb/> den Vater und bei unehelichen die Mutter.) In dritter endlich die¬<lb/> jenigen, welche in einem oder dem andern Staate (obschon weder da¬<lb/> selbst geboren noch als Unterthanen aufgenommen) sich verheirathet und<lb/> unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften eine Wirthschaft angelegt<lb/> haben. Viertens endlich diejenigen die le> Jahr im Staate gelebt<lb/> haben. Nach diesen vier festgesetzten Kategorien bestimmt nun daS<lb/> Cartell das Verhalten der Behörden, im Falle ein Ausgewiesener in<lb/> dem einen Staate die Z erste Kategorie und im andern die zweite Kat¬<lb/> egorie der Staatsangehörigkeit hat. Bei Streitigkeiten über die man<lb/> sich nicht vereinigen kann, soll einer der Bundesstaaten als Schieds¬<lb/> richter gewählt werden. Die Wahl dieses schiedsrichterlichen Bundes¬<lb/> staats steht demjenigen der beiden streitenden Staaten zu, welchem die<lb/> Aufnahme des Ausgewiesenen zugemuthet wird. — Die einzelnen Pa¬<lb/> ragraphen dieses Cartells lassen zwar noch manche Kritik zu, und vor<lb/> Allem wird uns nicht klar, warum ein Staat überhaupt ein Indivi¬<lb/> duum ausweisen kann, das Jo Jahre in demselben gelebt oder daselbst<lb/> sich verheicathet und eine Wirthschaft angelegt hat; wir begreifen nicht,<lb/> warum in einem solchen Falle, den doch das Eartell selbst als eine<lb/> Stufe der Staatsangehörigkeit betrachtet, der betreffende Staat das<lb/> Recht haben soll das Individuum fortzuschicken und es dem andern<lb/> Staate zuzuweisen Indessen ist dieser Tractat doch wenigstens eine<lb/> Feststellung gesetzlicher Verhältnisse und hebt die schreiende Unordnung<lb/> auf, deren Opfer in letzterer Zeit so Viele geworden sind, und wir<lb/> wollen wegen des Verdienstes im Ganzen, das Mangelhafte der Ein¬<lb/> zelnheiten übersehen^ Daß aber eine solche Uebereinkunft, welche doch<lb/> das A. B. C. der deutschen Staatsangehörigkeit berührt, erst im Jahre<lb/> «845 abgeschlossen wird, dieß wirft ein trauriges Licht auf die tausend<lb/> Wunden und Wiedersprüche an welchen die sogenannte deutsche Ein¬<lb/> heit leidet.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von Fr. S«do. Herbig. — Redacteur I. Knraiida.<lb/> Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
— Sehr wichtig und sehr zu bewillkommnen ist eine zwischen
Preußen und Würtemberg kürzlich abgeschlossene Uebereinkunft, welche
für die gegenseitige Uebernahme von ausgewiesenen Individuen ein Sy¬
stem festsetzt. Es werden verschiedene Kategorien von Staatsange¬
hörigkeit darin festgesetzt. In erster Reihe stehen jene, welche das
Staatsbürgerrecht besitzen, oder auch solche, die es wieder eingebüßt,
aber in andrem Staate noch nicht aufgenommen worden sind. In
die zweite Reihe der Staatsangehörigen kommen solche, die von hei¬
mathloser Eltern in einem oder dem andern Staate geboren sind.
(Unter dem Begriffe Eltern bestimmt das Gesetz bei ehelichen Kindern
den Vater und bei unehelichen die Mutter.) In dritter endlich die¬
jenigen, welche in einem oder dem andern Staate (obschon weder da¬
selbst geboren noch als Unterthanen aufgenommen) sich verheirathet und
unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften eine Wirthschaft angelegt
haben. Viertens endlich diejenigen die le> Jahr im Staate gelebt
haben. Nach diesen vier festgesetzten Kategorien bestimmt nun daS
Cartell das Verhalten der Behörden, im Falle ein Ausgewiesener in
dem einen Staate die Z erste Kategorie und im andern die zweite Kat¬
egorie der Staatsangehörigkeit hat. Bei Streitigkeiten über die man
sich nicht vereinigen kann, soll einer der Bundesstaaten als Schieds¬
richter gewählt werden. Die Wahl dieses schiedsrichterlichen Bundes¬
staats steht demjenigen der beiden streitenden Staaten zu, welchem die
Aufnahme des Ausgewiesenen zugemuthet wird. — Die einzelnen Pa¬
ragraphen dieses Cartells lassen zwar noch manche Kritik zu, und vor
Allem wird uns nicht klar, warum ein Staat überhaupt ein Indivi¬
duum ausweisen kann, das Jo Jahre in demselben gelebt oder daselbst
sich verheicathet und eine Wirthschaft angelegt hat; wir begreifen nicht,
warum in einem solchen Falle, den doch das Eartell selbst als eine
Stufe der Staatsangehörigkeit betrachtet, der betreffende Staat das
Recht haben soll das Individuum fortzuschicken und es dem andern
Staate zuzuweisen Indessen ist dieser Tractat doch wenigstens eine
Feststellung gesetzlicher Verhältnisse und hebt die schreiende Unordnung
auf, deren Opfer in letzterer Zeit so Viele geworden sind, und wir
wollen wegen des Verdienstes im Ganzen, das Mangelhafte der Ein¬
zelnheiten übersehen^ Daß aber eine solche Uebereinkunft, welche doch
das A. B. C. der deutschen Staatsangehörigkeit berührt, erst im Jahre
«845 abgeschlossen wird, dieß wirft ein trauriges Licht auf die tausend
Wunden und Wiedersprüche an welchen die sogenannte deutsche Ein¬
heit leidet.
Verlag von Fr. S«do. Herbig. — Redacteur I. Knraiida.
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