Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.ward es so aufgefaßt, als wollte man damit den blutigen Sieg der Wie überall, so sind hier auch Literatur, Theater und Musik ward es so aufgefaßt, als wollte man damit den blutigen Sieg der Wie überall, so sind hier auch Literatur, Theater und Musik <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0546" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182356"/> <p xml:id="ID_1303" prev="#ID_1302"> ward es so aufgefaßt, als wollte man damit den blutigen Sieg der<lb/> Regierungsinacht verherrlichen oder die allgemeine Trauer der Stadt<lb/> verhöhnen. Die adelige Gesellschaft, welche streng genommen in<lb/> Leipzig mit der der hohem Beamtenwelt identisch, schien damit eine<lb/> wirkliche politische Demonstration zu machen und wendete die Her¬<lb/> zen selbst jener eingeborenen Leipziger Kreise von sich ab, welche<lb/> Neigung für das Formelle ihrer Behabung oder politische Ue¬<lb/> bereinstimmungen bisher zu ihnen hingezogen hatte. Auch hier¬<lb/> durch gedieh es jedoch nicht zu einen« irgendwie öffentlich bemerk¬<lb/> baren Zerwürfniß; man sah nur jetzt gewisse adelige Elemente der<lb/> Gesellschaft seltener bei den Festen; man hörte öfter von ziemlich<lb/> ausschließlich adeligen Gesellschaften in einzelnen adeligen oder<lb/> durch Verwandtschaft mit dem Apel diesem zugeneigten Hausern.<lb/> Man begann ferner bei gewissen mehr öffentlichen Gesellschaften<lb/> eine auch äußerliche Scheidung der adeligen und nichtadeligen Ge¬<lb/> sellschaftstheile zu beobachten; kurz man stand auf dem Punkte sich<lb/> gesellschaftlich in adelige und bürgerliche Kreise zu scheiden, wie<lb/> wir's in der Residenz zu seben gewohnt sind. So kam denn der<lb/> Winter unter Verhältnissen heran, welche kein allgemein reges Le¬<lb/> ben der Gesellschaft hoffen ließen; denn Leipzig ist nicht groß ge¬<lb/> nug, um in seiner Gesellschaft derartige Scheidungen schadlos er¬<lb/> tragen zu können und doch bereits zu groß, um durch das gesell¬<lb/> schaftliche Bedürfniß zu einem Zusammenhalten der Gesellschaft um<lb/> jeden Preis gezwungen zu werden. Die Zeit verwischte jedoch nach<lb/> und nach auch wieder manche Empfindlichkeit oder Schroffheit auf<lb/> beiden Seiten und wer nicht schon lange Zeit in und mit der Leip¬<lb/> ziger Gesellschaft gelebt hat, mag vielleicht kaum gewahren, daß<lb/> sich deren diesjähriges Winterleben von dem früherer Jahre in<lb/> mancher Beziehung unterscheidet. Es ist nun auch hier nicht der<lb/> Ort, dieser Frage in ihren speciellen Wendungen nachzugehen; al¬<lb/> lein wohl dürften noch einige Blicke auf die Unterhaltungsarten<lb/> der Leipziger Gesellschaft nicht ganz ohne Interesse sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1304" next="#ID_1305"> Wie überall, so sind hier auch Literatur, Theater und Musik<lb/> die drei Interessen, welche neben dem Tagesereigniß ihre stärkste<lb/> Vertretung in der Gesellschaft finden. Wie überall, so ist auch<lb/> hier für die junge Welt der Tanz das Hauptvergnügen. Man<lb/> tanzt in Leipzig überall, man musicirt überall, man dilettirt häusig</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0546]
ward es so aufgefaßt, als wollte man damit den blutigen Sieg der
Regierungsinacht verherrlichen oder die allgemeine Trauer der Stadt
verhöhnen. Die adelige Gesellschaft, welche streng genommen in
Leipzig mit der der hohem Beamtenwelt identisch, schien damit eine
wirkliche politische Demonstration zu machen und wendete die Her¬
zen selbst jener eingeborenen Leipziger Kreise von sich ab, welche
Neigung für das Formelle ihrer Behabung oder politische Ue¬
bereinstimmungen bisher zu ihnen hingezogen hatte. Auch hier¬
durch gedieh es jedoch nicht zu einen« irgendwie öffentlich bemerk¬
baren Zerwürfniß; man sah nur jetzt gewisse adelige Elemente der
Gesellschaft seltener bei den Festen; man hörte öfter von ziemlich
ausschließlich adeligen Gesellschaften in einzelnen adeligen oder
durch Verwandtschaft mit dem Apel diesem zugeneigten Hausern.
Man begann ferner bei gewissen mehr öffentlichen Gesellschaften
eine auch äußerliche Scheidung der adeligen und nichtadeligen Ge¬
sellschaftstheile zu beobachten; kurz man stand auf dem Punkte sich
gesellschaftlich in adelige und bürgerliche Kreise zu scheiden, wie
wir's in der Residenz zu seben gewohnt sind. So kam denn der
Winter unter Verhältnissen heran, welche kein allgemein reges Le¬
ben der Gesellschaft hoffen ließen; denn Leipzig ist nicht groß ge¬
nug, um in seiner Gesellschaft derartige Scheidungen schadlos er¬
tragen zu können und doch bereits zu groß, um durch das gesell¬
schaftliche Bedürfniß zu einem Zusammenhalten der Gesellschaft um
jeden Preis gezwungen zu werden. Die Zeit verwischte jedoch nach
und nach auch wieder manche Empfindlichkeit oder Schroffheit auf
beiden Seiten und wer nicht schon lange Zeit in und mit der Leip¬
ziger Gesellschaft gelebt hat, mag vielleicht kaum gewahren, daß
sich deren diesjähriges Winterleben von dem früherer Jahre in
mancher Beziehung unterscheidet. Es ist nun auch hier nicht der
Ort, dieser Frage in ihren speciellen Wendungen nachzugehen; al¬
lein wohl dürften noch einige Blicke auf die Unterhaltungsarten
der Leipziger Gesellschaft nicht ganz ohne Interesse sein.
Wie überall, so sind hier auch Literatur, Theater und Musik
die drei Interessen, welche neben dem Tagesereigniß ihre stärkste
Vertretung in der Gesellschaft finden. Wie überall, so ist auch
hier für die junge Welt der Tanz das Hauptvergnügen. Man
tanzt in Leipzig überall, man musicirt überall, man dilettirt häusig
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