Denkschrift") bekämpft, aus welcher auch Beispiele unserer Beweis¬ führung zu Hilfe kommen werden.
Man kann nicht eine Krankheitsspecies anführen, die der modernen Zeit besonders angehörte, nicht eine, die durch die Civilisation sich erzeugt odrr entwickelt hatte. Im Gegentheil, neue Krankheiten entstehen nur bei barbarischen Völkern oder in barba¬ rischen Zeiten, die Civilisation aber hemmt dieselben gewöhnlich in ihrem verheerenden Laufe und trägt dazu bei, daß sie oft nach kur¬ zem Wüthen erlöschen.
Alle Epidemieen, welche einst die Völker ruinirten, bestätigen diese Thatsache. Nur den Maßregeln, welche die Civilisation er¬ sonnen und deren Ausführung sie allein möglich machte, verdanken wir unsere Sicherheit vor Pest und gelbem Fieber. Ist der Sieg über die Blattern nicht einer der schönsten Triumphe der modernen Heilkunst? Und ist die asiatische Cholera nicht im Herzen der ci- vilisirten Welt erloschen? Hatte sie überhaupt bei uns jene Bös¬ artigkeit, die aus ihr den Schrecken Asiens machte? Viele andere Epidemien haben für uns nur noch ein historisches Interesse z. B. der Fsrrotillo, der Tanz von Se. Guy ?c. Eine Krankheit, die im Mittelalter wie eine Epidemie grasstrte, der Starrkrampf, zeigt sich nur noch sporadisch, und das in Gegenden, wo man die einfachsten Regeln der Gesundheitslehre vernachläßigt. Was ist unser gegen¬ wärtiges Typhuöfieber gegen den schrecklichen Petetschen-Typhus früherer Zeiten?
Es gibt kaum ein uncivilisirtes Land, welches nicht seine ihm besonders eigenthümliche endemische Krankheit hätte, wie derScar- lievo, die Krankheit der Krimm, die Rose in Asturien, die Feig¬ warzen von Aleppo in., während die civilistrten Länder von keiner Krankheit ausschließlich und besonders heimgesucht werden. Noch mehr, wenn sich bei uns noch mehrere eingeschleppte Krankheiten er¬ halten haben, so ist doch offenbar, daß ihre intensive Kraft von Jahr zu Jahr immer mehr abnimmt.
Das Scharlachfieber ist am Anfang des 17. Jahrhunderts aus
*) Ueber die Abnahme der Krankheiten durch die Zunahme der Civilisa¬ tion. Abhandlung der k. Gesellschaft zu Göttingen. !84t.
Denkschrift") bekämpft, aus welcher auch Beispiele unserer Beweis¬ führung zu Hilfe kommen werden.
Man kann nicht eine Krankheitsspecies anführen, die der modernen Zeit besonders angehörte, nicht eine, die durch die Civilisation sich erzeugt odrr entwickelt hatte. Im Gegentheil, neue Krankheiten entstehen nur bei barbarischen Völkern oder in barba¬ rischen Zeiten, die Civilisation aber hemmt dieselben gewöhnlich in ihrem verheerenden Laufe und trägt dazu bei, daß sie oft nach kur¬ zem Wüthen erlöschen.
Alle Epidemieen, welche einst die Völker ruinirten, bestätigen diese Thatsache. Nur den Maßregeln, welche die Civilisation er¬ sonnen und deren Ausführung sie allein möglich machte, verdanken wir unsere Sicherheit vor Pest und gelbem Fieber. Ist der Sieg über die Blattern nicht einer der schönsten Triumphe der modernen Heilkunst? Und ist die asiatische Cholera nicht im Herzen der ci- vilisirten Welt erloschen? Hatte sie überhaupt bei uns jene Bös¬ artigkeit, die aus ihr den Schrecken Asiens machte? Viele andere Epidemien haben für uns nur noch ein historisches Interesse z. B. der Fsrrotillo, der Tanz von Se. Guy ?c. Eine Krankheit, die im Mittelalter wie eine Epidemie grasstrte, der Starrkrampf, zeigt sich nur noch sporadisch, und das in Gegenden, wo man die einfachsten Regeln der Gesundheitslehre vernachläßigt. Was ist unser gegen¬ wärtiges Typhuöfieber gegen den schrecklichen Petetschen-Typhus früherer Zeiten?
Es gibt kaum ein uncivilisirtes Land, welches nicht seine ihm besonders eigenthümliche endemische Krankheit hätte, wie derScar- lievo, die Krankheit der Krimm, die Rose in Asturien, die Feig¬ warzen von Aleppo in., während die civilistrten Länder von keiner Krankheit ausschließlich und besonders heimgesucht werden. Noch mehr, wenn sich bei uns noch mehrere eingeschleppte Krankheiten er¬ halten haben, so ist doch offenbar, daß ihre intensive Kraft von Jahr zu Jahr immer mehr abnimmt.
Das Scharlachfieber ist am Anfang des 17. Jahrhunderts aus
*) Ueber die Abnahme der Krankheiten durch die Zunahme der Civilisa¬ tion. Abhandlung der k. Gesellschaft zu Göttingen. !84t.
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Denkschrift") bekämpft, aus welcher auch Beispiele unserer Beweis¬
führung zu Hilfe kommen werden.
Man kann nicht eine Krankheitsspecies anführen, die der
modernen Zeit besonders angehörte, nicht eine, die durch die
Civilisation sich erzeugt odrr entwickelt hatte. Im Gegentheil, neue
Krankheiten entstehen nur bei barbarischen Völkern oder in barba¬
rischen Zeiten, die Civilisation aber hemmt dieselben gewöhnlich in
ihrem verheerenden Laufe und trägt dazu bei, daß sie oft nach kur¬
zem Wüthen erlöschen.
Alle Epidemieen, welche einst die Völker ruinirten, bestätigen
diese Thatsache. Nur den Maßregeln, welche die Civilisation er¬
sonnen und deren Ausführung sie allein möglich machte, verdanken
wir unsere Sicherheit vor Pest und gelbem Fieber. Ist der Sieg
über die Blattern nicht einer der schönsten Triumphe der modernen
Heilkunst? Und ist die asiatische Cholera nicht im Herzen der ci-
vilisirten Welt erloschen? Hatte sie überhaupt bei uns jene Bös¬
artigkeit, die aus ihr den Schrecken Asiens machte? Viele andere
Epidemien haben für uns nur noch ein historisches Interesse z. B.
der Fsrrotillo, der Tanz von Se. Guy ?c. Eine Krankheit, die im
Mittelalter wie eine Epidemie grasstrte, der Starrkrampf, zeigt sich
nur noch sporadisch, und das in Gegenden, wo man die einfachsten
Regeln der Gesundheitslehre vernachläßigt. Was ist unser gegen¬
wärtiges Typhuöfieber gegen den schrecklichen Petetschen-Typhus
früherer Zeiten?
Es gibt kaum ein uncivilisirtes Land, welches nicht seine ihm
besonders eigenthümliche endemische Krankheit hätte, wie derScar-
lievo, die Krankheit der Krimm, die Rose in Asturien, die Feig¬
warzen von Aleppo in., während die civilistrten Länder von keiner
Krankheit ausschließlich und besonders heimgesucht werden. Noch
mehr, wenn sich bei uns noch mehrere eingeschleppte Krankheiten er¬
halten haben, so ist doch offenbar, daß ihre intensive Kraft von
Jahr zu Jahr immer mehr abnimmt.
Das Scharlachfieber ist am Anfang des 17. Jahrhunderts aus
*) Ueber die Abnahme der Krankheiten durch die Zunahme der Civilisa¬
tion. Abhandlung der k. Gesellschaft zu Göttingen. !84t.
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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/536>, abgerufen am 11.01.2025.
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