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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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dertjährige; ultor 1826 gab es nur drei bei einer Bevölkerung von
334,159 Seelen.

Die Sterblichkeitötabellen von Ulpian sind auch ein Document
aus dem Alterthume; sie stimmen auf überraschende Weise mit den
unsern und namentlich mit denen der großen Städte überein. Nach
ihnen stehen London und das alte Rom hinsichtlich der Lebenswahr¬
scheinlichkeit auf derselben Linie,

Die Versuche der Alten, theoretisch die Normaldaucr des mensch¬
lichen Lebens festzustellen, zeigen, daß sie nicht länger lebten als
wir. Die alten Aegypter nahmen hundert Jahre an. Das Herz
im Leibe des Menschen, sagten sie, nimmt während der ersten 5V
Jahre jährlich um zwei Drachmen zu, und im selben Verhältniß
nimmt es in den andern 50 Jahren ab, so daß im hundersten Jahre
von diesem Organe nichts mehr übrig bleibt. Solch ein Irrthum
in einer Zeit, wo man alle Todten des Einbalsamirens wegen se-
cirte, läßt beinahe glauben, daß es im alten Aegypten .wenig Hun¬
dertjährige gab. -- Solon nahm zehn siebenjährige Lebensperioden
an, also siebzig Jahre. -- Die heiligen Bücher der Etrusker theil¬
ten das Leben in zwölf siebenjährige Perioden; sie nahmen also
vierundachtzig Jahre an.

Pvthagoras theilte das menschliche Leben in vier gleiche Theile
bis zum 20. Jahre, sagte er, ist man Kind oder beginnender Mensch,
von zwanzig bis vierzig ist man Jüngling, von vierzig bis sechzig
Mann im eigentlichen Sinne des Wortes, von sechzig bis achtzig
alter Mann; nach achtzig aber zähle man nicht mehr unter den
Lebenden, man erreiche welches Alter man wolle. Varro theilte
das Leben ein in Kindheit (von 1-15 Jahren), Knabenalter (15
--30), Jugend (30- 45), rückgehende Zeit (45--60) und Greisen-
alter (60--75). Hippokrates nahm nach zwei siebenjährigen Le¬
bensperioden eine dritte von vierzehn, dann eine vierte und eine
fünfte von sieben, eine sechste von vierzehn und eine siebente von
sieben Jahren an; das macht im Ganzen 63 Jahre.

Aus dem allen geht hervor, daß die Dauer des Menschenle¬
bens weder durch Alter der Welt, wie man behauptet hat, noch
durch die Fortschritte der Civilisation verkürzt worden ist. Man
kann heutzutage ein eben so hohes Alter erreichen, wie unsere Vor¬
fahren im dritten Jahrtausend vor Chr. Geburt, in der Römer-


dertjährige; ultor 1826 gab es nur drei bei einer Bevölkerung von
334,159 Seelen.

Die Sterblichkeitötabellen von Ulpian sind auch ein Document
aus dem Alterthume; sie stimmen auf überraschende Weise mit den
unsern und namentlich mit denen der großen Städte überein. Nach
ihnen stehen London und das alte Rom hinsichtlich der Lebenswahr¬
scheinlichkeit auf derselben Linie,

Die Versuche der Alten, theoretisch die Normaldaucr des mensch¬
lichen Lebens festzustellen, zeigen, daß sie nicht länger lebten als
wir. Die alten Aegypter nahmen hundert Jahre an. Das Herz
im Leibe des Menschen, sagten sie, nimmt während der ersten 5V
Jahre jährlich um zwei Drachmen zu, und im selben Verhältniß
nimmt es in den andern 50 Jahren ab, so daß im hundersten Jahre
von diesem Organe nichts mehr übrig bleibt. Solch ein Irrthum
in einer Zeit, wo man alle Todten des Einbalsamirens wegen se-
cirte, läßt beinahe glauben, daß es im alten Aegypten .wenig Hun¬
dertjährige gab. — Solon nahm zehn siebenjährige Lebensperioden
an, also siebzig Jahre. — Die heiligen Bücher der Etrusker theil¬
ten das Leben in zwölf siebenjährige Perioden; sie nahmen also
vierundachtzig Jahre an.

Pvthagoras theilte das menschliche Leben in vier gleiche Theile
bis zum 20. Jahre, sagte er, ist man Kind oder beginnender Mensch,
von zwanzig bis vierzig ist man Jüngling, von vierzig bis sechzig
Mann im eigentlichen Sinne des Wortes, von sechzig bis achtzig
alter Mann; nach achtzig aber zähle man nicht mehr unter den
Lebenden, man erreiche welches Alter man wolle. Varro theilte
das Leben ein in Kindheit (von 1-15 Jahren), Knabenalter (15
—30), Jugend (30- 45), rückgehende Zeit (45—60) und Greisen-
alter (60—75). Hippokrates nahm nach zwei siebenjährigen Le¬
bensperioden eine dritte von vierzehn, dann eine vierte und eine
fünfte von sieben, eine sechste von vierzehn und eine siebente von
sieben Jahren an; das macht im Ganzen 63 Jahre.

Aus dem allen geht hervor, daß die Dauer des Menschenle¬
bens weder durch Alter der Welt, wie man behauptet hat, noch
durch die Fortschritte der Civilisation verkürzt worden ist. Man
kann heutzutage ein eben so hohes Alter erreichen, wie unsere Vor¬
fahren im dritten Jahrtausend vor Chr. Geburt, in der Römer-


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[0534] dertjährige; ultor 1826 gab es nur drei bei einer Bevölkerung von 334,159 Seelen. Die Sterblichkeitötabellen von Ulpian sind auch ein Document aus dem Alterthume; sie stimmen auf überraschende Weise mit den unsern und namentlich mit denen der großen Städte überein. Nach ihnen stehen London und das alte Rom hinsichtlich der Lebenswahr¬ scheinlichkeit auf derselben Linie, Die Versuche der Alten, theoretisch die Normaldaucr des mensch¬ lichen Lebens festzustellen, zeigen, daß sie nicht länger lebten als wir. Die alten Aegypter nahmen hundert Jahre an. Das Herz im Leibe des Menschen, sagten sie, nimmt während der ersten 5V Jahre jährlich um zwei Drachmen zu, und im selben Verhältniß nimmt es in den andern 50 Jahren ab, so daß im hundersten Jahre von diesem Organe nichts mehr übrig bleibt. Solch ein Irrthum in einer Zeit, wo man alle Todten des Einbalsamirens wegen se- cirte, läßt beinahe glauben, daß es im alten Aegypten .wenig Hun¬ dertjährige gab. — Solon nahm zehn siebenjährige Lebensperioden an, also siebzig Jahre. — Die heiligen Bücher der Etrusker theil¬ ten das Leben in zwölf siebenjährige Perioden; sie nahmen also vierundachtzig Jahre an. Pvthagoras theilte das menschliche Leben in vier gleiche Theile bis zum 20. Jahre, sagte er, ist man Kind oder beginnender Mensch, von zwanzig bis vierzig ist man Jüngling, von vierzig bis sechzig Mann im eigentlichen Sinne des Wortes, von sechzig bis achtzig alter Mann; nach achtzig aber zähle man nicht mehr unter den Lebenden, man erreiche welches Alter man wolle. Varro theilte das Leben ein in Kindheit (von 1-15 Jahren), Knabenalter (15 —30), Jugend (30- 45), rückgehende Zeit (45—60) und Greisen- alter (60—75). Hippokrates nahm nach zwei siebenjährigen Le¬ bensperioden eine dritte von vierzehn, dann eine vierte und eine fünfte von sieben, eine sechste von vierzehn und eine siebente von sieben Jahren an; das macht im Ganzen 63 Jahre. Aus dem allen geht hervor, daß die Dauer des Menschenle¬ bens weder durch Alter der Welt, wie man behauptet hat, noch durch die Fortschritte der Civilisation verkürzt worden ist. Man kann heutzutage ein eben so hohes Alter erreichen, wie unsere Vor¬ fahren im dritten Jahrtausend vor Chr. Geburt, in der Römer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/534>, abgerufen am 02.09.2024.