Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.dert Vergehen von durchschnittlich gleicher Schwere sind und daß ^err Quetelet ist der Ueberzeugung, daß die Statistik bestimmt dert Vergehen von durchschnittlich gleicher Schwere sind und daß ^err Quetelet ist der Ueberzeugung, daß die Statistik bestimmt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182322"/> <p xml:id="ID_1203" prev="#ID_1202"> dert Vergehen von durchschnittlich gleicher Schwere sind und daß<lb/> diese Anzahl den zehnten Theil der belgischen Verbrechen überhaupt<lb/> ausmacht, so hätte man erst einen Maßstab für die jährliche Ab-<lb/> oder Zunahme der Verbrechen. Und auch hier müssen wir voraus¬<lb/> setzen, daß die Wachsamkeit der Behörden sich immer gleich blieb.<lb/> Will man gar die sittlichen Zustände eines Landes mit denen eines<lb/> anderen vergleichen, so hat man außer dem Größenverhältniß auch<lb/> die Verschiedenheit der Sitten, Gesetze und des Gerichtverfahrens in<lb/> Anschlag zu bringen, In einem Lande kann ein Verbrechen sein,<lb/> was in einem anderen geradezu erlaubt ist. Endlich werden nur die<lb/> Fälle in die Verbrechenlistcn eingetragen, wo wirklich eine Verur-<lb/> theilung erfolgte; diese hängt aber sehr bedeutend vom Gerichts¬<lb/> verfahren ab. Vor der Einführung der Geschworenen in Belgien<lb/> berechnete Herr Quetelet, daß von 100 Angeklagten nur 16 frei¬<lb/> gesprochen wurden, während in Frankreich und England von 100<lb/> Angeklagten 35 freigesprochen wurden. Welch ein Unterschied. Seit<lb/> 1830 hat sich dasselbe Verhältniß auch in Belgien herausgestellt.<lb/> Wollte man aber nun die Moralität des belgischen Volks mit<lb/> dem des sächsischen oder badischen nach den Criminallisten verglei¬<lb/> chen, ohne auf diesen Unterschied Rücksicht zu nehmen, wie sehr<lb/> Würde Baden oder Sachsen zu kurz komme»!</p><lb/> <p xml:id="ID_1204"> ^err Quetelet ist der Ueberzeugung, daß die Statistik bestimmt<lb/> ist, eine universelle Wissenschaft zu werden; dazu aber sei nöthig,<lb/> daß nicht nur die statistischen Bureaus einzelner Länder, wie die<lb/> von Berlin, Paris und London, immer umfassendere Vorarbeiten<lb/> unternähmen, sondern daß auch eine gegenseitige Verständigung<lb/> und Verbindung zwischen den verschiedenen Brennpunkten der Ci¬<lb/> vilisation stattfinde) dann würde man die vergleichbaren Elemente<lb/> überall zusammenstellen und unter einen allgemeinen Gesichtspunkt<lb/> bringen können, und auf die wichtigsten Interessen der Menschheit<lb/> würde ein neues Licht fallen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
dert Vergehen von durchschnittlich gleicher Schwere sind und daß
diese Anzahl den zehnten Theil der belgischen Verbrechen überhaupt
ausmacht, so hätte man erst einen Maßstab für die jährliche Ab-
oder Zunahme der Verbrechen. Und auch hier müssen wir voraus¬
setzen, daß die Wachsamkeit der Behörden sich immer gleich blieb.
Will man gar die sittlichen Zustände eines Landes mit denen eines
anderen vergleichen, so hat man außer dem Größenverhältniß auch
die Verschiedenheit der Sitten, Gesetze und des Gerichtverfahrens in
Anschlag zu bringen, In einem Lande kann ein Verbrechen sein,
was in einem anderen geradezu erlaubt ist. Endlich werden nur die
Fälle in die Verbrechenlistcn eingetragen, wo wirklich eine Verur-
theilung erfolgte; diese hängt aber sehr bedeutend vom Gerichts¬
verfahren ab. Vor der Einführung der Geschworenen in Belgien
berechnete Herr Quetelet, daß von 100 Angeklagten nur 16 frei¬
gesprochen wurden, während in Frankreich und England von 100
Angeklagten 35 freigesprochen wurden. Welch ein Unterschied. Seit
1830 hat sich dasselbe Verhältniß auch in Belgien herausgestellt.
Wollte man aber nun die Moralität des belgischen Volks mit
dem des sächsischen oder badischen nach den Criminallisten verglei¬
chen, ohne auf diesen Unterschied Rücksicht zu nehmen, wie sehr
Würde Baden oder Sachsen zu kurz komme»!
^err Quetelet ist der Ueberzeugung, daß die Statistik bestimmt
ist, eine universelle Wissenschaft zu werden; dazu aber sei nöthig,
daß nicht nur die statistischen Bureaus einzelner Länder, wie die
von Berlin, Paris und London, immer umfassendere Vorarbeiten
unternähmen, sondern daß auch eine gegenseitige Verständigung
und Verbindung zwischen den verschiedenen Brennpunkten der Ci¬
vilisation stattfinde) dann würde man die vergleichbaren Elemente
überall zusammenstellen und unter einen allgemeinen Gesichtspunkt
bringen können, und auf die wichtigsten Interessen der Menschheit
würde ein neues Licht fallen.
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