Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.stände eines Staates, in das materielle und dynamische Verhält¬ In der That ist das Buch, wie man aus seinem Titel sehen Die Abhandlung über die Statistik verdient heutzutage, wo Herr Quetelet ist ein eifriger Statistiker, dessen Fleiß und stände eines Staates, in das materielle und dynamische Verhält¬ In der That ist das Buch, wie man aus seinem Titel sehen Die Abhandlung über die Statistik verdient heutzutage, wo Herr Quetelet ist ein eifriger Statistiker, dessen Fleiß und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182318"/> <p xml:id="ID_1191" prev="#ID_1190"> stände eines Staates, in das materielle und dynamische Verhält¬<lb/> niß der Staaten zu einander, in das Getriebe und in die Vor-<lb/> und Rückschritte der Civilisation. Es ist ein trefflicher Lehrcursus<lb/> für den angehenden Politiker, Publicisten, Beamten oder für einen<lb/> — modernen Prinzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1192"> In der That ist das Buch, wie man aus seinem Titel sehen<lb/> kann, ein i» usum <1>Ij»in»i geschriebenes; und es wäre zu wün¬<lb/> schen, daß alle Dauphins moderner Zeit so ersprießliche Lehrcmse<lb/> durchzumachen, und Gelehrte von so freiem, lebendigem Sinn, wie<lb/> Quetelet, zu Mentoren hätten. Belgien kann in vielfacher Hinsicht<lb/> als eine lehrreiche Fürstenschule angesehen werden, durch seine Ge¬<lb/> schichte sowohl, wie durch seine Gegenwart; und auch in diesen<lb/> Briefen Quetelets an seinen Zögling, den jetzt regierenden Herzog<lb/> von Scichsen-Coburg und Gotha, herrscht ein eigenthümlicher Ton,<lb/> der an das Land erinnert, wo sie geschrieben wurden. Die brief¬<lb/> liche Einkleidung, die besonders im ersten Theile hervortritt, ist von<lb/> ungesuchter Liebenswürdigkeit, in den politischen und VerwaltnngS-<lb/> gegcnstanden aber, die gelegenhcitlich oder beispielsweise zur Sprache<lb/> kommen, zeigt sich ein natürlicher Freisinn, der sich weder prahlerisch<lb/> breit macht, noch über manche unangenehme Thatsachen diploma¬<lb/> tisch hinwegschlüpft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1193"> Die Abhandlung über die Statistik verdient heutzutage, wo<lb/> das „Zahlen beweisen!" allgemeines Feldgeschrei geworden ist,<lb/> vorzüglich beherzigt zu werden. Die Statistik ist ein Gebiet, auf<lb/> dem Gewissenlosigkeit, Leichtsinn, Irrthum und Kurzsichtigkeit den<lb/> ungeheuersten und gefährlichsten Spielraum haben. Hinter Ziffern<lb/> verschanzt sieht das flachste Sophisma wie die tiefste Gründlichkeit<lb/> aus. Nicht nur das große Zeitungspublicum, sondern auch ein<lb/> großer, ja der größte Theil der Armee von Zeitungsschreibern hat<lb/> noch kein volles Bewußtsein der endlosen Schwierigkeiten, welche<lb/> die geringste statistische Forschung zu überwinden hat, ehe sie zu ei¬<lb/> nem Halbweg richtigen Resultate gelangt; abgesehen davon, daß die<lb/> Wenigsten, auch wenn sie geistig dazu befähigt wären, die äußern<lb/> Mittel besitzen, um die Zahlenbeweise, mit denen oft über Lebens¬<lb/> kraft und Moralität von Völkern abgeurtheilt wird, einer kompe¬<lb/> tenten Kritik zu unterwerfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1194" next="#ID_1195"> Herr Quetelet ist ein eifriger Statistiker, dessen Fleiß und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0508]
stände eines Staates, in das materielle und dynamische Verhält¬
niß der Staaten zu einander, in das Getriebe und in die Vor-
und Rückschritte der Civilisation. Es ist ein trefflicher Lehrcursus
für den angehenden Politiker, Publicisten, Beamten oder für einen
— modernen Prinzen.
In der That ist das Buch, wie man aus seinem Titel sehen
kann, ein i» usum <1>Ij»in»i geschriebenes; und es wäre zu wün¬
schen, daß alle Dauphins moderner Zeit so ersprießliche Lehrcmse
durchzumachen, und Gelehrte von so freiem, lebendigem Sinn, wie
Quetelet, zu Mentoren hätten. Belgien kann in vielfacher Hinsicht
als eine lehrreiche Fürstenschule angesehen werden, durch seine Ge¬
schichte sowohl, wie durch seine Gegenwart; und auch in diesen
Briefen Quetelets an seinen Zögling, den jetzt regierenden Herzog
von Scichsen-Coburg und Gotha, herrscht ein eigenthümlicher Ton,
der an das Land erinnert, wo sie geschrieben wurden. Die brief¬
liche Einkleidung, die besonders im ersten Theile hervortritt, ist von
ungesuchter Liebenswürdigkeit, in den politischen und VerwaltnngS-
gegcnstanden aber, die gelegenhcitlich oder beispielsweise zur Sprache
kommen, zeigt sich ein natürlicher Freisinn, der sich weder prahlerisch
breit macht, noch über manche unangenehme Thatsachen diploma¬
tisch hinwegschlüpft.
Die Abhandlung über die Statistik verdient heutzutage, wo
das „Zahlen beweisen!" allgemeines Feldgeschrei geworden ist,
vorzüglich beherzigt zu werden. Die Statistik ist ein Gebiet, auf
dem Gewissenlosigkeit, Leichtsinn, Irrthum und Kurzsichtigkeit den
ungeheuersten und gefährlichsten Spielraum haben. Hinter Ziffern
verschanzt sieht das flachste Sophisma wie die tiefste Gründlichkeit
aus. Nicht nur das große Zeitungspublicum, sondern auch ein
großer, ja der größte Theil der Armee von Zeitungsschreibern hat
noch kein volles Bewußtsein der endlosen Schwierigkeiten, welche
die geringste statistische Forschung zu überwinden hat, ehe sie zu ei¬
nem Halbweg richtigen Resultate gelangt; abgesehen davon, daß die
Wenigsten, auch wenn sie geistig dazu befähigt wären, die äußern
Mittel besitzen, um die Zahlenbeweise, mit denen oft über Lebens¬
kraft und Moralität von Völkern abgeurtheilt wird, einer kompe¬
tenten Kritik zu unterwerfen.
Herr Quetelet ist ein eifriger Statistiker, dessen Fleiß und
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