Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.nett sich das lustige Bürgervolk bei Wein, Wurstel und Hanswurst¬ An demselben ersten Mai herrscht noch eine andere alterthüm¬ nett sich das lustige Bürgervolk bei Wein, Wurstel und Hanswurst¬ An demselben ersten Mai herrscht noch eine andere alterthüm¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182314"/> <p xml:id="ID_1184" prev="#ID_1183"> nett sich das lustige Bürgervolk bei Wein, Wurstel und Hanswurst¬<lb/> späßen. Im Nobelprater aber rollen die goldenen Wagen der stol¬<lb/> zen Edelherren, und eine alte Sitte bringt es mit sich, daß an je¬<lb/> dem ersten Mai der Frühling hier feierlich eröffnet wird, und die<lb/> reichsten Edelherren an diesem Tage in ganz neuen Kutschen mit<lb/> prächtigen Pferden auffahren. Aber es mag nun jetzt einige Jahre<lb/> her sein, da sah man einen wunderbaren, bisher ungewohnten Mai¬<lb/> tag. Unter den prächtigen Carossen der Edelherren sah man plötz¬<lb/> lich auch nicht minder prächtige, in welchen reiche Kaufleute, Raths¬<lb/> männer, Goldschmiede, Baumeister und ähnliche Bürger saßen. Seit<lb/> jenem merkwürdigen, neuen Frühling sieht man an jedem ersten<lb/> Mai die Zahl dieser prächtigen Bürgerwagen in erstaunlichem Zu¬<lb/> wachs sich vermehren, und die der Edelherren an Reichthum und<lb/> Menge fast verdunkeln. Von dem Volksprater herüber strömen<lb/> viele schlichte Bürger und grüßen mit freundlichem Winken ihre An¬<lb/> verwandten und Freunde in den Wagen und Carossen. Einige von<lb/> den letztern sind einfältig und schämen sich dieser Grüße, viele aber<lb/> sind klug und treuherzig, und grüßen und danken zurück. Da ist<lb/> denn ein fröhliches Hinüber- und Herüberlachen und Winken zwi¬<lb/> schen Fußgängern und Fahrenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1185"> An demselben ersten Mai herrscht noch eine andere alterthüm¬<lb/> liche Sitte. Am frühen Morgen lassen die reichsten Cavaliere ihre<lb/> Laufer ein Wettrennen abhalten. Vom Anfange des Nobelpraters<lb/> bis hinab zum „Lusthaus" läuft ein Dutzend dieser müßigen Livree-<lb/> diener im raschen Wettkampf. Die Volkshaufen ringsumher sehen<lb/> neugierig und verwundert zu. Sie holen nichts, sie bringen nichts,<lb/> sie laufen und laufen — was ist das Ziel ihres Laufs?.....</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
nett sich das lustige Bürgervolk bei Wein, Wurstel und Hanswurst¬
späßen. Im Nobelprater aber rollen die goldenen Wagen der stol¬
zen Edelherren, und eine alte Sitte bringt es mit sich, daß an je¬
dem ersten Mai der Frühling hier feierlich eröffnet wird, und die
reichsten Edelherren an diesem Tage in ganz neuen Kutschen mit
prächtigen Pferden auffahren. Aber es mag nun jetzt einige Jahre
her sein, da sah man einen wunderbaren, bisher ungewohnten Mai¬
tag. Unter den prächtigen Carossen der Edelherren sah man plötz¬
lich auch nicht minder prächtige, in welchen reiche Kaufleute, Raths¬
männer, Goldschmiede, Baumeister und ähnliche Bürger saßen. Seit
jenem merkwürdigen, neuen Frühling sieht man an jedem ersten
Mai die Zahl dieser prächtigen Bürgerwagen in erstaunlichem Zu¬
wachs sich vermehren, und die der Edelherren an Reichthum und
Menge fast verdunkeln. Von dem Volksprater herüber strömen
viele schlichte Bürger und grüßen mit freundlichem Winken ihre An¬
verwandten und Freunde in den Wagen und Carossen. Einige von
den letztern sind einfältig und schämen sich dieser Grüße, viele aber
sind klug und treuherzig, und grüßen und danken zurück. Da ist
denn ein fröhliches Hinüber- und Herüberlachen und Winken zwi¬
schen Fußgängern und Fahrenden.
An demselben ersten Mai herrscht noch eine andere alterthüm¬
liche Sitte. Am frühen Morgen lassen die reichsten Cavaliere ihre
Laufer ein Wettrennen abhalten. Vom Anfange des Nobelpraters
bis hinab zum „Lusthaus" läuft ein Dutzend dieser müßigen Livree-
diener im raschen Wettkampf. Die Volkshaufen ringsumher sehen
neugierig und verwundert zu. Sie holen nichts, sie bringen nichts,
sie laufen und laufen — was ist das Ziel ihres Laufs?.....
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |